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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 7.1893-1894

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Heft 5 (1. Dezemberheft 1893)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.11728#0086

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Wirkung in einem zweiten Karton hervor, der ebenfalls
als Wandbild in Wernigerode ausgeführt worden ist.
Er stellt den mit den Zollnern und Snndern esfenden
Heiland dar. Hier hat der Künstler im Gegensatz zn der
typifch-symbolischen Auffafsung des vorigen Bildes feinen
Gegenstand durchaus realistisch durchgeführt; aber mit
solcher Kraft der Jnnerlichkeit, daß der geistige Gehalt
des Vorganges von der Darstellung jeden genrehaften Bei-
geschmack fernhält und die religiöse Wirkung durchaus
rein zum Ausdruck kommt.

Vorherrschend ist in Steinhausens religiösen Bildern
das persönliche Element. Es ist damit der protestantische
Geist, der sie durchweht; er wendet sich an den Einzelnen:
er soll in die Tiefen seiner Seele blicken. Und wir sind
überzeugt, aus solchem Boden allein kann sich eine pro-
testantische bildende Kunst entwickeln. Wenigstens wird
Jeder, der diese Kartons und die übrigen Bilder gesehen
hat, die Kluft merken, die Steinhausen von den ja auch
bei Evangelischen für mustergiltig gehaltenen Schöpfungen
eines Steinle, von den Rasfaeliten u. a. trennt.

Nein: Steinhausen redet nicht in irgend einer über-
lieferten Formensprache. Um so inniger belauscht er die
Natur. Und danach allein bemißt sich ja doch zuletzt
der Wert des künstlerischen Schaffens, ob es gelingt, einen
inneren Empsindungsgehalt mit dem Gesehenen wahrhaft
zu verbinden, ob die Liebe zur Erscheinung gleich groß
ist, wie der Drang, Geistiges zu erfassen. So gewinnt
das Kleinste Bedeutung und das Tiefste des Menschen-
herzens Gestalt.

Wilhelm Steinhausen ist nicht ein Maler der Schule,
noch weniger der Manier. Er ist auch kein Jdeenmaler,
der den Verstand beschäftigt, oder von Geschichtcn, der
angenehm erzählt. Aber er ist ein Maler tiefer, treuer,
zarter und kräftiger Empfindung und für alle Formen
und Farben dcr Erscheinungen weit und liebevoll geöff-
neten Auges. Seine Kunst ist lange genug einsam ge-
blieben. Wenn sie es am längsten geblieben wäre, so
würden wir das im Hinblick auf unser so vielfach ver-
äußerlichtes, zerfahrenes und in die Jrre geratenes Kunst-
wesen für ein Glück halten. Taeitus.

* Wcrliner Ikunstbriek. Die Herbstausstellungen sind
eröffnet worden, ohne indeß sonderlich Bedeutendes oder wenig-
stens Bezeichnendes zu Tage zu fvrdern. Bei Schulte haben
zz Berliner Künstler ihre Werke vereinigt, meist Landschast-
liches. Die Arbeiten weisen meist den Berliner Charakter aus:
fleißig, solide, aber nüchtern, nichts Schlagendes, keine starken
Persönlichkeiten. Am nächsten vermochte ich Viktor Fr eud e -
mann zu treten, dessen Landschastsstndien skizzenartig gehalten
sind und vielleicht eben dadurch eine Frische bewahrt haben,
die durch die keck leuchtenden Farbentöne erhöht wird. Be-
deutsamer ist, daß die Ausfassung in seinen Werken etwas ent-
schieden Jndividuelles hat, einen Sinn für die Poesie intimer
Reize, die in einem ziemlich großen Stile zur Anschauung ge-
bracht sind. — Bei Gurlitt hängt Vielerlei sriedlich neben-
einander; aber nur Weniges hinterließ mir einen stürkeren
Eindruck. Jch nenne Ed. Edels „Norwegische Sommernacht",
die in breitcn Farben dies verwischende Halblicht, dies ge-
heimnisvolle Schweigen gnt wiedergiebt und mir Edels Be-
fähigung sür melancholisch-sanfte Stimmungen von Neuem
zu bestätigen scheint. Von einer Anzahl Menzel-Studien
kann nur gesagt werden, daß sie an Beobachtungsschärfe und
Tresfsicherheit den alten Meister in voller Kraft zeigen. Ebenso
ist ein Moltke ohne Perrücke, sind drei Bismarck-Porträts (von
t870, 18Y2 und t8yZ) echte und rechte Lenbachs; dem ge-

waltigen Titanenkopf weiß der Künstler unermüdlich immer
neue Reize abzugewinnen. Hermann Hendrichs, der hier
wie bei Schulte ausgestellt hat, ist und bleibt für mein Gefühl
unecht. Thoma bringt vier große Landschasten, groß auch
in der Ausfassung der Natur, ernst, nachdenklich, den eigenen
ftillen Reiz jedes Stücks Erde mit Festigkeit und tieser Jnner-
lichkeit erfassend. Ein wahrhaft deutscher Wanderer, der an
seinem Stabe langsam seinen Weg verfolgt und keine Berge,
keine Seen braucht, um die Köstlichkeit der unerschöpslichen
Natur überall Lewegt und dankbar zu sehen und zu empfinden.
Das muß denn freilich über die Härte der Farbengebung trösten
nnd tröstet auch. Das modernste Bild ist Klingers „Früh-
lingsreigen", in holdem Zauber, in jugendlich-verlegener An-
mut, in Jnnigkeit und Keuschheit wieder ganz Sandro-Botti-
cellisch. Dies Bild gab mir den bleibenden Eindruck mit.

Albert Dresdner.

^ Ikrunstblütter und lWilderwerke. 6.

Franz Stuck. Über hundert Reproduktionen nach Ge-
mälden und plastischen Werken, Handzeichnungen und Studien.
Mit einer Photogravüre nach Lenbachs Bildnis des Künstlers.
Text von Otto Julius Bierbaum. (München, vr.
E. Albert L Co. Jn Prachtband 40 M.).

Von der Parteien Haß und Gunst verzerrt, schwankt auch
Stucks Bild noch in der Geschichte, — was angesichts der
Jugend des Mannes auch kein Unglück ist. Uns erscheint er
etwa so: Eine außerordentlich krüftige Persönlichkeit, die ge-
legentlich gar zu bewußt sich selber pflegt und von Manieris-
mus nicht srei ist. Ein Mann von reicher Phantaiie, der
aber noch selten zn so gründlicher Vertiefung seiner An-
schauungen kommt, daß seine Bilder nicht nur als interessante
und ergötzende Malereinfälle, sondern als überzeugende Ab-
bilder einer imaginären Welt erscheinen. Ein erstannlich
scharfsichtiger und, wo es am Platze ist, höchst witziger
Charakteristiker des Wirklichen. Dabei von so starker Ver-
anlagung sür das Dekorative, daß ihm dieses auch in solchen
Bildern, die nicht dekorativ sein wollen, mitunter zu Ungunsten
des eigentlichen Kerns der Sache die Gestaltung beeinflußt.
Hinsichtlich seines formalen Könnens sind wir dabei trotz aller
Anerkennung sür sein Arbeiten mit Griffel und Pinsel der
Meinung, daß er in dieser Beziehung sein Bestes in seinem
Athleten, also als Plastiker, gegeben hat. Stellen wir ihn
demnach nicht, wie Andere thun, den großen Phantasiekünstlern
Böcklin und Klinger als ebenbürtig an die Seite, so stellen
wir ihn doch hoch, und wir begrüßen somit das vorliegende
Sammelwerk mit lebhaster Freude. Es giebt eine überans
reiche und mannigfaltige Auswahl in so vortrefflichen Alberto-
typien, daß sie manchem im Publikum als Lichtdrucke oder gar
Heliogravüren erscheinen werden, und um so mehr, als stets
die Farbe des Drucks sehr wohl gewählt ist. Bierbaums Text
ist anregend, belehrend und geschickt sür den Zweck, dem er
dient. Und ungewöhnlich geschmackvoll ist die Ausstattung.

Die Gemälde der königl. Akademie der schönen
Uünste in Florenz, mit erläuterndem Text von Professor
Ad. Venturi, Direktor der königl. Gemäldegalerien Roms.
68 Photographien zu 40X50 cm (je 12 M.) und 8 zu 24X30
cm (je 6 M.). Dornach und Paris, Braun, Clement L Cie.,
Nachsl.

Mit dieser Folge gedenkt die berühmte Verlagshandlung
ihre Publikationen von Gemälden älterer Meister aus den
florentinischen Galerien vorläufig abzuschließen. Es läßt sich
zur Kritik ihrer in ihrer Art einzigen Leistungen nichts Neues
mehr sagen; wir wissen stets von vornherein, daß wir von
einer neuen Reihe Braunscher Blätter das Beste zu erwarten

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