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Kunstwart und Kulturwart — 27,1.1913

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Heft 1 (1. Oktoberheft 1913)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.14287#0057

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Sie landen. Einer doch hebt an zu geigen.

Rnsterblich loht im Herzen ihm die Glut,

Und ihm erblaßte nicht die Fahrt das Blut.

Nun bricht sein leises Lied das ewige Schweigen.

Da ist's, als flösse Blut in starren Steinen.

Rings schwanken Schatten her mit tiefem Beben,

And Lethes Zauber schmilzt in heißes Weinen.

Wovon sie sich erlöst: Schmerz, Liebe, wildes Streben,

Dem neuen Sinn will's höchste Wonne scheinen,

And auf den Knien, schluchzend, segnen sie das Leben.

Aus Bolts „Svizzero!"

sMe Äberschrift klingt absonderlich. Aber es steckt nichts dahinter als
das Sprechungeschick der italienischen Arbeiter am Iungfrautunnel, die
Christen Abplanalps ehrlichen Namen nicht über die Zunge bringen und
ihn mit ihrer Sprache „Schweizer!" rufen. Christen aber ist einer, der
durch das dickste Angemach aufwächst wie die Tanne durchs Gestein zu
einer freiluftigen tzöhe. Wie er am Ende dieses liebenswerten Buchs,
das Niklaus Bolt geschrieben und Rud. Münger illustriert hat, seine
vier harten Lehrjahre in Wind und Wetter, in der Tunnelenge, zwischen
Dynamit und Italienertemperament, zwischen Bohrmaschinen und erwach--
senen Kindsköpfen, bei ernster Arbeit, schwerem Anglück und frohgemuter
Naturbezwingung hinter sich gebracht hat, da sind ihm wohl nicht nur
der Direktor, der Ingenieur, die italienischen Kollegen und das Haufchen
Kinder gut, sondern auch jeder Leser, der unvoreingenommenen Herzens
diese „Geschichte einer Iugend" in sich aufgenommen hat.

Das Buch will nicht „literarisch" genommen sein. Neben d'Amicis
„Herz", das um so viel süßer klingt wie der italienische Dichtername den
Schweizer an Wohlklang übertrisft, neben Aanruds „Sidsel", die im
Flachland leichter, neben Scharrelmanns „Piddl^, der im Großstadtmeer
schwerer zur Reife gelangt, steht Bolts Ausreißer ebenbürtig, der von
einer gütigen Dame aus Lugano zurück nach den Heimatbergen geschickt
wird und in der harten Arbeit an der Iungfraubahn sich eine Lebens--
bahn eröffnet. Nachzuerzählen ist von der Geschichte dieser vier Iahre
wenig. Ob Christen mit den Italienerkindern eine stille Freundschaft
schließt, als gerechter Streikbrecher ins Ohr gebissen wird, als leichtsinniger
Iunge sich Arm und Bein bricht oder im Katastrophenunglück beherzt
seinen Mann steht, ob er zäh arbeitsam sich zur Anerkennung und zu
besserer Arbeit durchringt, für die grämliche Mutter spart, für ein kleines
Kind Blumen besorgt oder im stillen mit seinem Glauben ringt — immer
ist er ein lieber, prächtiger Kerl, der einmal seinen Kopf über der Masse
tragen und dem jedes tüchtige Meitschi froh die tzand reichen wird. —
In kleine, anekdotenhafte Stücke, wie „Herz", ist die Iugend des Svizzero
geteilt, in jeder spricht irgend etwas Innerliches die helle, reine, starke
Sprache eines guten Herzens und eignen Sinnes. Daß wir von den
italienischen Arbeitern, ihrer reizvollen und herzlichen Art, die durch
so manche Torheit doch immer wieder durchbricht, an der Seite ihres
jungen Helfers so viel hören, ist noch ein besonderer Gewinn. Äber allem

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