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Kunstwart und Kulturwart — 27,1.1913

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Heft 2 (2. Oktoberheft 1913)
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Prehn von Dewitz, Hanns: Weltnachrichtendienst: von der großen Internationalen und ihrer Macht
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https://doi.org/10.11588/diglit.14287#0149

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als Sohn armer jüdischer Eltern, die den Namen Iosaphat trugen,
in Kassel geboren. Aber seine frühen Iugendjahre ist nicht viel mehr be-
kannt, als daß er in Aachen eine Brieftaubenpost gründete, die er jedoch
insolge der Vervollkommnung des elektrischen Telegraphen durch Werner
Siemens bald wieder eingehen lassen mußte. Von Aachen ging Reuter
nach Paris, wo er mit vr. Lngländer, einem achtundvierziger Revolutionär,
zusammentras, der in Wien wegen seiner Teilnahme am Aufstand zum
Tode verurteilt, mit knapper Not entflohen, bei der Agence Havas ein
Nnterkommen gesunden hatte. Von ihm wurde er wohl zuerst auf den
Gedanken gebracht, ein Telegraphenbureau zu gründen. In London sollte
dieser Plan zur Ausführung reisen. Gemeinschaftlich gründeten die beiden
Freunde hier das „Bureau Reuter", wobei vr. Engländer das Wissen
und den Geist, Reuter die geschäftliche Routine als einzige Anlagekapitalien
einbrachten. So große Mühe sich die beiden smarten Anternehmer aber
auch geben mochten, obgleich Iulius Reuter treppauf, treppab in die
Redaktionsstuben lief, der Ersolg wollte nicht kommen. Die großen Zei-
tungen waren gewohnt, sich ihre Nachrichten selber zu besorgen und eine
Mitarbeit auf diesem Gebiete, noch dazu von einem Manne, der den
meisten von ihnen völlig unbekannt war, mußte ihnen eher hinderlich als
nützlich erscheinen. Endlich gelang es vr. Engländer eine geheime Ver-
bindung mit Napoleon zu erschließen. Von dem Tage an war ihr Glück
gemacht. Am j. Ianuar hatte Napoleon auf dem Neupahrsempsang
in den Tuilerien den österreichischen Gesandten brüskiert. Es war j Ahr
mittags, als der Gesandte den Kaiser verließ — um zwei Ahr brachte die
Times schon in einer schnell veranstalteten Extraausgabe die sensationelle
Meldung, und an der Spitze des durch alle Straßen und Gassen gebrüllten
Telegramms stand Reuters Name. Nun ging es unaufhaltsam vorwärts.
Aber die ganze Welt sandte das alte rauchgeschwärzte Haus in Old Iewry,
das Reuters Telegrammbureau beherbergte, bald seine Korrespondenten.
In den Tagen, da uoch kein Kabel den Atlantic durchzog, wußte sich
Reuter die schnellsten Meldungen auf originelle Art zu verschasfen. Seine
Depeschen wurden im amerikanischen Hafen einem gewöhnlichen nach Eng-
land zurückkehrenden Postdampser in versiegelten Kästen mitgegeben. An der
irischen Küste lag unterdessen eine kleine schnellsegelnde Iacht, die nur das
Lrscheinen des amerikanischen Riesen erwartete, um sich alsbald an seine
Breitseite zu legen und die Depeschen nach einem nahen Hasenort zu bringen,
von wo sie auf eigenen Leitungen der Reuter Co. nach London telegraphiert
wurden. So war Reuter immer imstande, lange vor Lintrefsen der
amerikanischen Post, die sensationellsten Meldungen an die Presse ge-
langen zu lassen. Einen nicht unbeträchtlichen Teil seines Vermögens sollte
Reuter der Klugheit seines New Porker Korrespondenten, Iames heckscher,
verdanken. Es war um Mitternacht des April s865, als Heckscher
die Meldung von der Ermordung des Präsidenten Lincoln empsing. Der
nach Europa bestimmte Dampfer hatte gerade den Hasen verlassen und der
nächste war erst in einigen Tagen sällig. Doch Heckscher zauderte nicht.
Schnell entschlossen charterte er einen Spezialdampser und jagte dem Post-
dampser nach, bis er diesen eingeholt und dem Kapitän seine Meldung
zur Weiterbeförderung an Reuter übergeben hatte. Als Reuter die
Nachricht empsing, hatte er noch Zeit genug, um sie erst an der Börse
auszunutzen, bevor er sie an die Presse weitergab. And er tat es getreu
dem Vorbilde des alten Rothschild. Im Verein mit mehreren besreundeten
 
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