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Kunstwart und Kulturwart — 27,1.1913

DOI Heft:
Heft 3 (1. Novemberheft 1913)
DOI Artikel:
Landsberg, Julius Ferdinand: Die völkische Bedeutung der sozialdemokratischen Ideale
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https://doi.org/10.11588/diglit.14287#0261

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Parteiidealen „aus Stumpfheit erwecken und den Lebensmut anspannen.
Kampf gegen sie, wo er sein muß, aber keiner mit der Anmaßung, das
Nationale stände in irgendwelcher Parteien Privatpacht." Die nackte
Selbstsucht, das „panom st eiresnsss^-Verlangen, die Abkehr von jeder
Menschenachtung ist das, was bei Scharen von Arbeitern herrschen würde,
wenn das soziale Ideal nicht da wäre. Drohend steht vor der Bresche
die gänzliche Barbarei, oder besser das gesinnungsmäßige Verbrecher-
tum, sich zynisch rühmend, es sei Gesinnung und Wahrheit. Oder auch
die Auflösung der Werte: „Gesinnung" und „Wahrheit" selbst. Wie
sagt doch Stirner*: „Die Wahrheit soll mir gegenüber so gemein, so
gleichgültig sein, wie alle anderen Ansichten. Ich will mich von ihr weder
unterjochen noch hinreißen lassen. Ls gibt nicht eine Wahrheit, nicht

das Recht, nicht die Freiheit, die Menschlichkeit. Sie sind Worte,

nichts als Worte."?!

Anders gemeint, als es hier scheint. Doch die Gesinnung, wie sie
hier erscheint, muß die Gesinnung des Hoffnungslosen sein. Keine Gnade,
keine Treue, kein Dank und gewiß keine Aufopferung für andere, für
Hohes und Edles mehr. Nur schonungslose, alles vertilgende Tücke und
Treulosigkeit. Die Dinge, welche nach dem Glauben der Altvorderen der
Götterdämmerung, der Loslösung des Fenriswolfes voraufgehen.

Anter dem Zeichen der Hosfnung, des sozialen Idealbildes aber bringt
der einzelne davon Lrgrifsene sich selbst und die Seinen voran, bringt er
Streben in die Gefährten und erhebt Volk und Menschheit, weil er an
sie glaubt, trotz aller Errechnungsirrtümer eines Marx zu einer höheren
Stuse, zwar nicht im erwarteten Sturm, sondern in mühsamer Ent-
wicklung. Er kämpft falsch, aber nicht umsonst. Indem wir so das bei
dem sozialdemokratischen Arbeitervolk gepflegte Entwicklungsbild, sein Ideal,
als eine sittliche Macht und daher einen völkischen Wert anerkennen,
können wir von diesem Arbeitervolke sordern, daß es die geistige Kultur-
gemeinschaft mit uns nicht aushebe. Denn sonst versündigt es sich prak-
tisch so sehr an völkischen Interessen, daß der durch das Idealbild darge-
reichte Wert dadurch mehr als wettgeschlagen, vernichtet wird. Mag sein, daß
unsere Vorsahren darin mehr noch gefehlt haben, als die Iünger Marx'.
Aber das würde unser lebendes Geschlecht nicht entschuldigen, wenn es
sein Geistesleben aus politischem Eifer zertrennen ließe. Zu einem still-
schweigend geschlossenen Verbande zwecks Verbesserung des Tones und
zwecks Betonung gemeinsamer sittlicher Werte, müßten sich die literarischen
und, soweit möglich, auch die rednerischen, Vertreter nnd Führer aller
deutschen — ohne grundsätzlichen Ausschluß anderer Völker — Parteien und
Gruppierungen zusammensinden. Dazu kann mancher von uns in seinem
Kreise beitragen. Denke des anderen heiligste Gedanken, empfinde mit ihm
seine Schwäche in dem Vertrauen, daß er gut empfindet! Nnd so vor-
bereitet, sprich mit ihm! Du wirst sreundlich mit ihm sprechen. Nnd ein
Hasser wird weniger sein. Nimm ihm seinen großen Haß, aber lasse
ihm seine große Liebe! I. F. Landsberg

* Stirner, „Der Einzige und sein Eigentum". Reclam-Ausgabe l892.
Seite 3Z5 ff.

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