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Kunstwart und Kulturwart — 27,1.1913

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Heft 4 (2. Novemberheft 1913)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14287#0374

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lich hin und sah den Vorhang ruhig
fallen.

„Aber nicht wahr," drang das
Publikum in ihn, „Sie spielen doch
im nächsten Akte weiter, bitte?"
„Ietzt bin ich Publikum und möchte
sehen, wie die andern spielen."

Seit ich diesen solchermaßen reden
hörte, habe ich mein Nachtgebet er-
weitert: „... und dann, Herr, laß
mich einst wie jenen, wenn es Zeit
ist, über meine letzte Rampe stei--
gen ..." Fritz Züricher

Der Kongreß für Ästhetik
und Kunstwissenschaft

dars auch im „Kunstwart" nicht über-
gangen werden. Mag die wissen-
schaftliche Arbeit der kulturpoliti-
schen ferner stehn, als sie gern wahr-
haben möchte, mag von hundert
wissenschastlichen Werken nur eines
Früchte tragen, die auch eine breitere
Menge unmittelbar genießen kann —
es tut dennoch und vielleicht gerade
darum not, sich häusig auf den Geist
wissenschastlichen Denkens und wis-
senschaftlicher Arbeit zu besinnen.
Sollte ihm doch jeder einmal unter-
tan gewesen sein, bevor er öffentlich
zu wirken beginnt.

Doppelt und dreisach täte das ge-
rade auf den künstlerischen Gebieten
not. Ich für mein Teil wenigstens
sehe den bedenklichsten Schaden der
ösfentlichen Kunstpflege in ihrer weit-
gehenden Fremdheit gegenüber der
Wissenschast, wobei ich mit „Kunst-
pslege" vor allem die Kritik und die
allgemeinen ästhetischen Erörterun-
gen, weiterhin aber die öffentliche
Wirksamkeit der literar-, kunst- und
musikgeschichtlichen Fachmänner, die
Schulbetriebe und das Bücherwesen
meine. Man kann zwar ganz ge-
wiß nicht verkennen, daß den Ver-
tretern all dieser Fächer der Weg
zur Wissenschast nicht etwa zuvor-
kommend geebnet wird, daß unsre
psychologische und theoretische Kunst-
wissenschaft in Buch und Wort nur

selten aus die Bedürsnisse des Prak-
tikers irgendwie eingestellt ist, man
kann darum auch wohl verstehen,
wenn die Praktiker auf diese Wissen-
schast schlecht zu sprechen sind, die
ihnen ein wenig hochmütig so viel
nicht durchaus notwendige Arbeit zu
tun übrig läßt. Aber einmal liegt
einiges davon in der unabänder-
lichen psychologisch-soziologischen An-
lage der Wissenschaft begründet,
deren vornehmster Zug nun einmal
der zur Erkenntnis schlechthin, ob
verwertbar oder unverwertbar, blei-
ben wird; und dann: wie könnten
sich aus die Dauer ernsthaste Geistes-
arbeiter von einer äußeren Schwie-
rigkeit davon abhalten lassen, ihrer
Arbeit alle und jede Vorteile zu
sichern, die ein wichtiges Hilfsmittel
ihnen bieten könnte? Ist das nicht
so unmöglich wie etwa der Versuch,
eine technische Fabrik heute mit
einem vor vierzig Iahren ausgebil-
deten und nicht weitergebildeten Lei-
ter zu begründen? Und doch begehen
Hunderte bewußt oder unbewußt
diesen Fehler.

Verständigung also — und
aus diesen Ton war auch die Einleit-
rede des Kongreßgründers Max
Dessoir gestellt — Verständigung
mußte das eigentliche Ziel der Ta-
gung sein, zu der Kritiker, Histo-
riker, Musiker, Lehrer und Künstler
neben den Wissenschastern erschienen
waren. Ob nach dieser Richtung hin
Wesentliches erreicht wurde, das frei-
lich darf bezweiselt werden. Bei
aller schuldigen Dankbarkeit und
Hochachtung für die Kongreßleitung
muß man die Schuld an dem Miß-
ersolg dieser Art der organisatori-
schen Anlage des Kongresses zuschrei-
ben. Der Verständigung, sei es nun
die zwischen Wissenschafter und Wis-
senschaster oder die zwischen Wissen-
schaster und Praktiker, dient vor
allem die Diskussion, sofern sie zweck-
mäßig vorbereitet und geleitet ist.
Die Diskussion war aber in Berlin

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