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Kunstwart und Kulturwart — 27,1.1913

DOI Heft:
Heft 5 (1. Dezemberheft 1913)
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Literarischer Weihnachtskatalog
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https://doi.org/10.11588/diglit.14287#0453

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so daß man aus dem Buche weniger
ziehen kann, als darin steckt.

Im Inselverlag erscheint Brillat--
Savarins Physiologie des Ge-

schmacks geschickt gekürzt, mit Bertalls
alten Holzschnitten, kein Hand-, sondern
ein heiteres Laschenbuch der physiolo-
gischen Pshchologie aus derBlüte-
zeit der Almanache. Das ganze
Werk Brillats gab A. v. Gleichen-
Rußwurm ungekürzt und unillu-
striert neu heraus; der 385 Seiten
starke Band wirkt gefällig, die Ein-
leitung ist nach heutiger Mode kurz
und dürftig, gründlichere Heraus-
geberarbeit ist vermieden.

Die Frage, wie man sich ganz
allgemein die Abhängigkeit des
Bewußtseinslebens vom Körper
zu denken habe, ist der Sache und
Systematik nach recht cigentlich
die Vorfrage der Psychologie.

Daß aber diese Ordnung für den
Leser und Lernenden nicht gilt,
braucht nicht gesagt zu werden.
Manchem wird sie niemals Pro-
blem, sie muß es auch nicht
werden, da es kein psychologi-

sches Thema gibt, dessen Antersuchung
durch ihre Beantwortung besonders be-
einflußt würde. Andern aber verursacht
die Amklarheit hier immer wieder Un-
behagen oder Schmerz. And endlich
gibt es solche, für deren vorwiegend
naturwissenschaftlich oder philosophisch
gerichtetes Denken diese Zweifelsfrage
das einzig Wichtige an der Psychologie
ist. Gerade diefer Lesergruppe emp-
fiehlt sich das Buch Busses. Es
nimmt die Frage durchaus als Welt-
anschauungsfrage und erlaubt, bei der
Breite und Voraussetzungsfreiheit sei-
ner Behandlung, mitzukommen und sich
einzuarbeiten. Auch die Lösung, zu der
Busse die ganze Fülle der vorgetrage-
nen und erörterten Ansicht hinführt,
kommt dem Bedürfnis des Lesers ent-
gegen: es ist die Alltagsansicht, daß
Physisches und Pshchisches in Wechsel-
wirkung stehen, Willensakte Körper-
bewegungen hervorrufen und anderseits
Sinnesreize Wahrnehmungen. Die Neu-
auflage ist vermehrt um eine Biblio-
graphie der neueren Literatur und einen
„ergänzenden" Anhang, beides von
Dürr. Dieser Nachtrag ist belangreich,
aber gedrängter und darum schwieriger
als das Buch selbst. Sonderbar und

Aus Drillat-Savarin (Jnselverlag>

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