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Kunstwart und Kulturwart — 27,1.1913

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Heft 5 (1. Dezemberheft 1913)
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Zum Weihnachtsmarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.14287#0534

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dcß, was sie suchen, selbst in ineh-
reren Spezialgeschäften nicht wunsch-
gemaß zu finden sei, oder aber, wenn
sie es finden, wenigstens für ihren
augenblicklichen Geldbestand zu teuer.
Endlich aber und vor allen Dingen
spielt das Wiederhinausgehenmüssen
eine große Rolle bei solchen Kunden,
die, ehe sie kaufen, sich planmäßig
erst in verschiedenen Geschäften einen
Äberblick über das von der Industrie
Gebotene und vor allen Dingen aus
der eigenen Anschauung eine gewisse
Warenkenntnis und ein eigenes Ar-
teil bilden wollen. Anter diesen sind
auch viele, die eine — meines Lr-
achtens berechtigte — Freude daran
haben, sich Gegenstände besonders der
mit Künsten verwandten Gewerbe am
Orte ihrer Feilstellung anzusehen, wie
mau sie eben auf Ausstellungen an-
sieht.

Nach meiner Äberzeugung
verdanken die Warenhäuser
den größten Teil ihres Lr-
folges der Tatsache, daß sie
dieser uralten menschlichen
Lust in der scheinbar uneigen-
nützigsten Weise auf das wei-
teste entgegenkommen. Sie er-
lauben nicht nur Ein- und Austritl
ohne Kaufzwang und ersparen dabei
dem Besucher das Gefühl ständiger
Äberwachtheit, sondern sie stellen auch
all ihre Waren (wenigstens scheinbar
und grundsätzlich) so aus, daß es
eben eine „Ausstellung" gibt, d. h.
daß Besucher alles Wesentliche ein-
schließlich des Preises an ihnen selber
sieht, ohne Kaufabsichten verraten zu
müssen. Sie vereinigen dadurch den
Reiz des orientalischen Bazars mit
den Vorzügen einer Ausstellung. So
regeu sie an zum „Shoppinggehn",
zum Linkaufsbummel — und kom-
men dabei auf ihre Rechnung.

Das wirksamste Mittel für Linzel-
geschäfte, dem Wettbewerb der Wa-
renhäuser zu begegnen, wäre meines
Lrachtens: sich diesen Ausstel-
lungsgedankender Warenhäuser

in echterer und edleLer Form anzu-
eignen. Auch sie sollten die Lin-
ladung „Besichtigung ohne Kauf-
zwang" ausgedehnter anwenden, und
vor allem so, daß der Besucher sich
sogar als erklärter Nichtkäufer durch-
aus willkommen fühlt. Sie sollten
auch den schüchternen oder weniger
gewandten Besucher der Lrklärungs-
und Lntschuldigungsformeln von
vornherein überheben, man sollte ihn
mit der Versicherung, daß man zu
Erläuterungen usw. gern zur Ver-
fügung stände, wie in den Waren-
häusern sich selbst überlassen.
Was hier ausschlaggebend ist, ist im
Linzelgeschäft nicht der äußere Be-
trieb, sondern das sichere und men-
schenkundige Taktgefühl, das sich, wie
man häufig beobachtet, durchaus nicht
so schwer bei den Angestellten ent-
wickelt, wenn der Leiter selbst das
Vorbild der Zurückhaltung gibt. Es
würde sich für Linzelgeschäfte viel-
leicht empfehlen, zunächst geradezu
bestimmte Tage oder doch Stunden
für „zwanglose Besichtigungen" vor-
zubehalten, besonders längere Zeit
vor den Festen, ehe der große
„Trubel" kommt. In diesen Besichti-
gungs- oder Ausstellungszeiten fiele
die übliche Frage: „Womit kann ich
dienen?" weg, die Geschäftsleute
sähen ihre erste Aufgabe nicht darin,
zu kaufen, sondern zu zeigen und
Auskunst zu erteilen. Wünschens-
wert und durchführbar wäre es, wenn
die Zeitungen in solchen Zeiten
Aufsätze mit örtlicher Färbung über
dasjenige brächten, was es in den
einzelnen Geschäftszweigen zurzeit
besonders Bemerkenswertes gibt, und
auf die Fäden hinwiesen, die das
Geschäftsleben mit den feineren Kul-
turinteressen jedermanns und der
Gesamtheit verbinden. Da wäre Ge-
legenheit, den Begriffen von Echtheit
und gutem Geschmack, von wirklich
wirtschaftlichem Linkauf für den ein-
zelnen, von volkswirtschaftlichen Zu-
sammenhängen, Käuferpflichten und

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