Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstwart und Kulturwart — 27,1.1913

DOI Heft:
Heft 6 (2. Dezemberheft 1913)
DOI Artikel:
Unsre Bilder und Noten
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14287#0663

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
heraus die heitre Güte und trauliche Innerlichkeit der Richterschen Kunsti
Und was das „Ästhetische" als solches anlangt, so dürfte wohl die Zeit
kommen, da man auch in dieser Beziehung Richter wieder besser zu
schätzen lernt, als ein paar Iahrzehnte von den Heutigen geschehen ist. Mit
welcher Anmut ist das Ganze komponiert! Wie ungezwungen wird es
zum Bilde! Und mit welcher sicheren, leichten Kunst schmücken da oben
die beiden Blumensträuße!

Den Schattenschnitt von Gscile Leo, der vor unserm tzeft steht, unter--
breiten wir dem Leser wieder mit der besondern Freude, ganz sicher etwas
ihm noch ganz Unbekanntes von hohem und eigenartigen Werte zu zeigen.
Das Nähere besagt unser Rundschauaufsatz, indem er dieses Blatt als Bei-
spiel der Leoschen Kunst bespricht. Auch die schöne Vignette am Schluß.
dieses Heftes ist der Leo-Mappe des Kunstwarts entnommen, die eben
erscheint.

Vier Zeichnungen von Max Klinger geben wir als Proben auK
den wertvollen Sammelbänden „Meister der Zeichnung". Am interes-
santesten wird für die meisten der Lntwurs zu Klingers wohl berühmtester
Radierung, zu „An die Schönheit" sein. Man vergleiche ihn mit dem
Original oder irgendeiner Reproduktion des fertigen Werkes, etwa mit
der seinerzeit von uns (Kw. XIII, 7) gebrachten. Die aufsälligste der
Verschiedenheiten bewirkt die Göttinnengestalt, bei der wir des Dichter-
künstlers Phantasie mitten im Hin und Her, im Suchen, im Spiel be-
lauschen. Zunächst war eine größere Gestalt gedacht, die vor dem Anbetenden
unten mit beiden Händen den Kranz emporhalten sollte, ihre Haare sollten
sie in weiter Glorie umwehn. Das war zu groß, die Gestalt ward kleiner
gezeichnet, und erhob den Kranz nur mit einem Arm. Dann wandelte
sich die Ausfassung: die Gestalt ward aus einer Krönenden eine, die sich
selber zeigte, indem die Schönheit der Welt sich in ihr verkörperte. Sei's,
daß dem Künstler dies in Gedanken zu „billig" erschien, sei's, daß er die
Gestalt auch in dieser Größe noch als bedrückend für die räumliche Kom-
position empsand, er verwarf auch das — und gab die Phantasie ganz
frei. An nichts band er sie mehr an dieser Stelle, denn nichts bot er dern
Auge, als selig weiten, nur von Lichtgewölk belebten strahlenden Raum.
Nun galt es freilich, die Phantasie um so kräftiger zum Selberschaffen in
dieses schöne Leere hinein anzuregen. Es galt, alles rings, vorweg die
Baumgruppen so zu gestalten, daß der Beschauer sich in den Betenden
einfühlen kann, der mit abgeworfenem Gewand überwältigt hinsinkt. Nnd
ferner: den Geist gleichsam hinzuführen vom Knienden den yang hinab
und übers Meer gegens ferne und hohe Licht. Man muß auf dem
sertigen Blatte vergleichen, wie das geschehen ist.

Ein Lntwurs ganz andrer Art ist der einer Gruppe im Gespräch aus
der Direktoriumzeit. Das scheint es mir, nicht eins aus der Werther-
zeit. Eine elegante Gesellschaft, aber zum Liebeln und Fadheitreden ist
die Zeit zu voll; stehn fünf beisammen, ist immer mindestens ein „Ge-
ladener" dabei. Nun gehe man dem Ausdruck der vier Männerköpfe nach.
Höchst bezeichnend, in ihrem Zusammenhang zeichnerisch noch nicht gelöst, die
herausschießende Hand. Bei dem Blatt „An die Schönheit" der Böcklin-
Klinger, hier der Menzel-Klinger, aber weder beim einen noch beim
andern ein Imitator, sondern eben er, Max Klinger.

Freilich noch der junge. Auch beim „Ersten Pfingstfest" noch
der junge. Noch ist der heilige Geist nicht da, aber er naht. Sie warten,.
 
Annotationen