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Münchner kunsttechnische Blätter — 9.1912/​1913

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Nr. 2
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Wedepohl, Theodor: Die Perspektive in der Bildnismalerei, [2]
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Das "Deutsche Farbenbuch"
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https://doi.org/10.11588/diglit.36589#0011

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Nr. 2.

Münchner kunsttechnische Blätter.

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spektivisch lange nicht so bedeutend, als bei geringerem
Abstand.
Wenden wir das auf das Bildnis an, so werden
wir vor jeder Stimmung eines schlichten und harmo-
nischen Eindruckes sicher sein, wenn wir uns von
unserem Modell dreimal so weit fortbegeben, als es
gross ist (also beim Kniestück durchschnittlich 375 cm
und von einer ganzen Gestalt, der wir noch das Stück
des Bodens, welches wir mit darstellen wollen, zurechnen
müssen, 600 cm), dann unser Auge in die oben emp-
fohlene Horizonthöhe bringen und nun von hier aus
die Zeichnung aufnehmen. Die Sitzfläche, der Fuss-
boden werden so verkürzt sein, dass der Eindruck
des Abrutschens vermieden wird. Die Nebendinge
werden in keiner Weise verzeichnet wirken. Möglich
aber ist es, dass uns die Zeichnung zu hau, zu wenig
charakteristisch, die Modellierung zu unplastisch er-
scheint, und da können wir es ruhig wagen, noch um
ein Drittel näher heranzugehen, also auf 250 bezw.
400 cm, auch hier werden sich noch keine störenden
Verzeichnungen ergeben, doch empfiehlt es sich in
diesem Falle, die nicht zu hohe Horizontlage streng
einzuhalten. Ob durch ein noch näheres Heranlegen
des Standpunktes eine ästhetische Absicht ausgeführt
werden kann, das muss dem Schaffenden auszuprobieren
überlassen bleiben.
Ueber den Abstand beim Brustbild habe ich ab-
sichtlich nicht gesprochen, da hier ja jeder seine eigene
Norm hat und Nebensachen kaum in Betracht kommen.
Nicht in jedem Atelier wird man den genannten
Abstand finden können, da ja ausser dem Zwischen-
raum zwischen Maler und Modell auch noch beider-
seits bis zur Wand ein gewisser Raum sein muss, so-
mit für die ganze Gestalt 7—9 m erforderlich sind.
Auch das Fussbodenmuster, etwa Fliesen, wird man
nicht immer in der Ansicht vor sich haben können,
wie man es zu malen wünscht, und die Stellung et-
waiger Möbel als Nebendinge kann gleichfalls Schwie-
rigkeiten bereiten. Da hilft denn aus allen diesen
Verlegenheiten einzig die Konstruktion, die vor Un-
richtigkeiten schützt. — Wer zu konstruieren versteht,
hat aus dem Obigen schon das Nötige entnommen;
also bei stehender ganzer Gestalt: Horizont in Gürtel-
höhe, Augenpunkt selbstredend in der Mitte, Distanz
4 m, also bei einem Format von r m Breite liegt D/8
im Bildrande. Bei schräger Ansicht wird man die Lage
des einen wagerechten Liniensystems nach Geschmack
wählen und den Fluchtpunkt im Horizont feststellen.
Die Lage des zweiten wagerechten zum ersten recht-
winkligen System und sein Fluchtpunkt lässt sich, da
Horizont und Distanz bekannt sind, durch Konstruktion
finden.
Das bisher Erörterte ist das, was zur Richtigkeit
notwendig ist, aber auch schon zur guten Wirkung
hmleitet. Im Folgenden werden wir noch einige Hilfs-
mittel erörtern, welche die Stimmung beeinflussen.
II.
Eine einfache gemalte Gestalt kann durch den
Einfluss hinzukommender Bedingungen und Dinge in
ihrer Wirkung wesentlich geändert werden. Wohl jeder
Maler hat einmal die Erfahrung gemacht, wenn er eine
Zeichnung auf einem unbegrenzten Bogen angefertigt
und sodann das überflüssige umgebende Papier weg-
geschnitten hatte, dass der Eindruck der Zeichnung
plötzlich ein wesentlich anderer geworden, obgleich
sie selbst unangerührt geblieben war. Also schon das
I*ormat allein kann einen Einfluss ausüben, und diese
Beobachtung ist für die Bildnismalerei von grosser Be-
deutung. Erfahrung durch Beobachtung zu sammeln,
um nicht allein zur Richtigkeit, sondern auch zum
guten Geschmack zu gelangen, ist jedem Künstler an-
zuraten. Hier kann nur auf ganz allgemeine Fälle hin-
gewiesen werden. (Fortsetzung folgt.)

Das „Deutsche Farbenbuch".
Von D. H.
Die Angelegenheit des Deutschen Farbenbuches,
über welche in diesen Blättern schon des öfteren be-
richtet wurde, scheint in der letzten Zeit einen erheb-
lichen Fortschritt gemacht zu haben, insofern als die
Diflerenzen,.die zwischen der zur Schaffung desselben
gebildeten „Vereinigung Deutscher Farben- und Mal-
mittelinteressenten", vertreten durch den geschäfts-
führenden Ausschuss der Farbenbuchkommission, und
dem Verbände Deutscher Farbenfabriken und des
Schutzvereins der Lack- und Farbenindustrie zu Berlin
bestanden hatten, durch ein zu diesem Zwecke zu-
sammengetretenes „Schiedsgericht" auszugleichen
versucht wurden.
Der Verhandlungsleiter, Präsident des Hansabundes
Geh. Rat Prof. Dr. Riesser, hatte die Streitpunkte
beider Parteien wie folgt zusammengefasst; danach
behauptete
die Kommission für das Deutsche Farbenbuch
(VereinigungDeutscherFarben-undMalmittel-
interessenten zu München):
r. Die herkömmlichen und verkehrsüblichen Namen
für Farben- und Malmaterialien, welche zweifellos
eine ganz bestimmte Sache oder Substanz bezeich-
nen (z. B. Bleiweiss, Zinnober, Leinöl, Terpentinöl,
Bernsteinlack u. a m.) dürfen unter keinen Um-
ständen für andere Farbstoffe oder Materialien oder
für Ersatzmittel von anderer oder unbestimmter
Zusammensetzung oder von anderen Eigenschaften
oder als Phantasie-*) oder Qualitäts-**) Bezeich-
nungen gebraucht werden.
2. Derartige, eine bestimmte Substanz bezeichnende
Farbstoffe und Materialien sind als rein und echt
zu betrachten, wenn nicht klar und bestimmt ange-
geben wird, dass sie gemischt, verschnitten oder
verschönt sind.
der Verband Deutscher Farbenfabriken und
der Schutzverein der Lack- und Farbenindu-
strie zu Berlin:
r. Die grosse Mehrheit der verkehrsüblichen Namen
für Farben- und Malmaterialien stellt keine be-
stimmte Substanzbezeichnung dar, bestimmt sich
vielmehr zulässigerweise nach anderen Merkmalen,
so dass durch den Gebrauch dieser Namen eine
bestimmte Zusammensetzung der Materialien nicht
garantiert wird.
Solche Namen für Farben, welche wirklich Sub-
stanzbezeichnungen sind, müssen besonders fest-
gestellt werden, wie es der Verband Deutscher
Farbenfabriken in den von ihm herausgegebenen
Farbenlisten versucht hat.
2. Nach einem von altersher bestehenden, durch eine
grosse Reihe technischer und wirtschaftlicher Er-
wägungen gerechtfertigten Handelsbrauch sind Farb-
und Malmaterialien nur dann rein zu liefern, wenn
sie bei der Bestellung ausdrücklich als rein ver-
langt werden.
Nachdem die Vertreter beider Parteien ihreStand-

*) Phantasiebezeichnungen sind solche Bezeich-
nungen von Farbstoffen, welche über Herkunft, Her-
stellung und Zusammensetzung der Farbstoffe keinerlei
Aufschluss geben.
**) Qualitätsbezeichnungen sind solche Bezeich-
nungen von Farbstoffen, welche zwar über Herkunft,
Herstellung und Zusammensetzung der Farbstoffe
keinerlei Aufschluss geben, mit denen aber bestimmte
maltechnische Eigenschaften gedanklich verbunden
werden.
 
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