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Münchner kunsttechnische Blätter — 9.1912/​1913

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Nr. 4
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Berger, Ernst: Neue Gutachten über die römisch-pompejanische Wandmaltechnik, [9]
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Wedepohl, Theodor: Die Perspektive in der Bildnismalerei, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36589#0018

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Münchner kunsttechnische Blätter.

Nr. 4.


ist nur zu natürlich, allein schon des Reinigens
wegen. Einheimische Substanzen auf der Erde
und im Meere*) mögen bei der Bereitung der
Malflüssigkeit mitgewirkt haben. Schon diese
wenigen Tatsachen schliessen die Fresko- und
Wachsfarbe als Technik der pompejanischen Wand-
malereien aus."
Die Perspektive in der Bildnismalerei.
Von Theodor Wedepohl.
(Schluss.)
Der Philosoph G. Th. Fechner hat in seiner „Ex-
perimentalen Aesthetik" Bericht gegeben über seine
Untersuchungen betreffs der Formate bei Galeriebildern
und kommt zu dem Ergebnis, dass das Verhältnis der
Höhe zur Breite ein ganz verschiedenartiges sei, und
dass sich kein Gesetz für die Gefälligkeit eines blossen
Formates aufstellen lasse. Die Mater wissen ebenso,
dass jedes Format gefällig sein kann, wenn es nur
gut ausgefüllt ist, d. h. wenn die Anordnung der Dar-
stellungsobjekte dem Auge einen angenehmen Weg
bietet, auf welchem, vergleichsweise gesprochen, ein
Stolpern und Schwanken ausgeschlossen ist. So ist
auch beim Bildnis eine der wichtigsten Fragen, wie
die Gestalt in das Format zu stellen ist. Das tech-
nisch bestgemalte und trefflichst charakterisierte Bild
kann missfallen, wenn durch die Formateinteilung Miss-
behagen hervorgerufen wird. Wir haben bereits ge-
sehen, wie der Raum über dem Kopf der Gestalt ver-
grössernd oder verkleinernd wirken kann. Bei Dar-
stellung der ganzen Gestalt mit Fussboden, welch
letzterer ja eine wagerechte Ebene ausdrückt, ist auch
besonders darauf zu achten, wieviel Raum man unter
den Füssen, d. h. also vor der Gestalt anbringen will.
Ist es wenig, so rückt die Gestalt nahe an den Be-
schauer, was nicht ganz so gefällig ist, wie eine ge-
wisse Entfernung. Dass der Raum über dem Kopf
etwas geringer sei, wie der unter den Füssen, wird
sich durch Versuche als empfehlenswert herausstellen,
wenn man nicht absichtlich die Gestalt als gedrungen
charakterisieren will. Wenn man diesen Vordergrund
aber reichlich bemisst, muss man bedenken, dass man
dadurch die Gestalt weit zurückstellt, und dass zwi-
schen ihr und unserer gedachten Bildebene (Glastafel),
die sich im vordersten Punkte des Vordergrundes be-
findet, Raum entsteht, somit die Gestalt, wollte man
korrekt verfahren, perspektivisch etwas verkleinert
werden müsste.
Endlich kommen wir zu der Präge: Muss der Kopf
genau in der Mitte des Bildes stehen? Wenn der
Kopf gerade von vorn (en face) bei einer unerheb-
lichen Drehung der Gestalt gesehen wird, so ist die
Frage zu bejahen, sowohl beim Brustbild als dem
stehenden Kniestück und der ganzen Gestalt. Haben
wir es aber mit einem sitzenden Kniestück oder eben-
solcher ganzen Gestalt zu tun, die dann gewöhnlich in
Dreiviertel- oder ganzem Profil gesehen ist, so ist die
Frage entschieden zu verneinen. Bei einer Wendung
des Kopfes oder der stehenden Gestalt nach einer
Seite wird es weder erforderlich noch wünschenswert
sein, den Kopf in die genaue Mitte des Bildes zu
bringen, vielmehr wird eine Vergrösserung des Raumes
auf der Seite, nach welcher der Kopf oder die Ge-
stalt gewendet ist, einen günstigen Eindruck machen.
Ganz verkehrt ist es aber, auf der Abkehrseite, somit
hinter der Gestalt, den grösseren Raum anzubringen,

*) Aus früherer Praxis kenne ich die Verwendung
von Salz zum Kalkanstrich, ebenso Milchzusatz.

denn in einem Zimmer pHegt sich jeder so zu stellen
oder zu setzen, dass er den grösseren Teil desselben
vor sich hat, und dass der kleinere Teil sich zwischen
seiner Rückseite und der Wand befindet. Wenn wir
jemanden in umgedrehter Stellung anträfen, werden
wir eine Absicht dabei vermuten. Und so ist auch im
Bilde der grössere Teil des Raumes auf der Vorder-
seite anzubringen.
Durch das Gegenteil kann ein geschickter Künstler
freilich einen besonderen Eindruck hervorrufen. Man
sah vor einigen Jahren das Kniestück eines Herrn mit
dem Zylinderhut m der Hand und in ziemlich bewegter
Haltung. Dadurch, dass im Bilde hinter der Gestalt
ein grösserer Raum war, als vor ihr, erhielt man den
Eindruck, als wolle der Dargestellte am Beschauer
vorüber- und fortgehen. In Genrebildern findet man
öfter dieses Mittel angewendet, um darzustellen, dass
eine Gestalt ein Zimmer zu verlassen beabsichtigt, in-
dem sie nämlich mit dem Gesicht der nahen Tür zu-
gekehrt ist und den grösseren Teil des Zimmers hinter
dem Rücken hat. —
Eine nicht ganz einfache Aufgabe bietet die Ein-
stellung einer sitzenden Gestalt in das Format. In
den meisten Fällen wird sie im Profil oder in Drei-
viertelprofi! gesehen, und somit befindet sich der weit-
aus grössere Teil des Körpers für den Beschauer
seitwärts vom Kopf. Wollte man nun den Kopf in
die Mitte des Bildes stellen, so würde auf der Rück-
seite des Dargestellten ein grosser öder Raum sein,
der unerfreulich wirkt, und noch dazu den Eindruck
hervorruft, als hätte der Dargestellte vorn nicht genug
Platz, — stiesse etwa mit den Knien an. (Man sah
kürzlich ein solches Porträt Dernburgs.) Hier zeigt es
sich als notwendig, dass man den Kopf weit aus der
Mitte nach der Seite rückt, und dass die für diesen
Zweck vorteilhaft geschwungene Linie der sitzenden
Gestalt das Format geschmackvoll ausfülit. — Natür-
lich lassen sich auch sitzende Stellungen frnden (durch
Vorbeugen, Seitwärtslegen eines Armes), die den Kopf
in die Mitte des Formates verschieben.
Aus dem Vorigen geht hervor, dass in solchen
Fällen, in denen man räumliche Hintergründe, wie
Saal, Halle, Park zeigt, sich auf der Vorderseite der
Gestalt der Raum erweitern und vertiefen muss, wäh-
rend hinter ihr nähere Gegenstände anzubringen sind.
Wenn man schräge Ansicht der Nebendinge gewählt
hat, wird der Fluchtpunkt des einen Systems, und
zwar des stärker konvergierenden, welches ja raum-
vertiefend wirkt, ebenfalls auf die Vorderseite zu legen
sein. Wenn wir oben schon ausführten, dass senk-
rechte Teilungen (Ecke, Pilaster, Säule) den Hinter-
grund scheinbar verschmälern, so finden wir es nun
selbstverständlich, dass wir solche nicht auf der Vor-
derseite der Gestalt anbringen, wo freier Raum vor-
handen sein muss, sondern auf der Rückseite. Van
Dycks „Genuesischer Senator" im Berliner Kaiser-
Friedrich-Museum ist hierfür ein schönes Beispiel. Auf
der Vorderseite können dagegen wagerechte Linien,
z. B. die Kante eines Tisches u. dgl, ganz vorteilhaft
sein, weil diese den Raum verbreitern, auf der Rück-
seite sind diese wiederum störend. Vor einigen Jahren
war ein Kaiserbild ausgestellt, in welchem auf der
Vorderseite der Gestalt eine Säule angebracht war,
an welche sich der Dargestellte gar noch lehnte, und
nach der Rückseite hin öffnete sich eine weite Säulen-
halle. Es wirkte durchaus unglücklich. Ja wenn sich
wenigstens die Gestalt nicht angelehnt hätte, so wäre
vielleicht der Eindruck entstanden, dass sie aus der
Halle hervorkäme. Ob dieser Eindruck malerisch zu
erreichen ist, wage ich nicht zu behaupten, bisher ist
mir keine glückliche Lösung der Aufgabe vorgekommen,
während es viele schöne Bilder gibt, in denen die
Gestalt nach dem offenen Raum hin zu gehen scheint.
Keineswegs behaupte ich, dass die hier gegebenen
 
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