Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Das neue Frankfurt: internationale Monatsschrift für die Probleme kultureller Neugestaltung — 2.1928

DOI Artikel:
Behne, Adolf: Der Film als Pädagoge
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.17441#0291

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
NANUK, 4. TEIL.

Nyla, die Gattin Nanuks, wäfcht ihr Kind mit
einem Stück Bärenfell und — Spucke. Aus der
Zeitfchrift: „Der Bildwart" Hett 21928

Indem fich der optifche'^Sinn entwickelt, fchafft er fich'neue Welten der Sicht-
barkeit, und für diefe Entwicklung hat der Künftler Entfcheidendes geleiftet.
„Die Natur richtet lieh nach dem Maler und nicht der Maler nach der Natur",
hat fchon Wilde gefagt.

Vor einem gotifchen Altarwerk wird uns klar, mit welchen Hemmungen das
Sehen noch zu kämpfen hatte. Dem Auge durfte nicht viel zugemutet werden.
Aber von den wefentlichen Malern wurde ihm immer etwas mehr zugemutet,
als es gewohnt war. Wenn diefes „Etwas" zu groß war, gab es Skandal . . .
von Giotto bis Manet und Kandinsky.

Jeder gotifche Heilige fteht in feinem Feld, fauber getrennt vom Nachbar, fo
dafj der Betrachter langfam Teil für Teil buchstabierend ablefen konnte. Die
Fähigkeif der finnlichen Kombination, der Verbindungen herftellenden Phan-
tafie kann nur gering gewefen fein, und felbftverftändlich wirkt fich die ftarke
Ifolierfchicht um jedes Teil Wahrnehmung auch auf allen anderen Schaffens-
gebieten aus. Je geringer die Phantafie (die nicht dasfelbe ift wie Phantaftik),
um fo gröfjer das Mifjtrauen. Je gröher die Vereinzelung, um fo ftärker die
Feindfchaft. Sind die Dinge fchwer greifbar, fo find fie auch unangreifbar, und
das heifjt lefjten Endes: auch alle friedlichen kulturellen Äußerungen der Zeit
find vom Kriegsgeift infiziert.

Vom gotifchen Altarbild zum Filmftreifen ift ein ungeheurer Sprung. Es ift

204
 
Annotationen