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Das neue Frankfurt: internationale Monatsschrift für die Probleme kultureller Neugestaltung — 3.1929

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Schmidt, Georg: Der Bilderschauer und der Bilderbewahrer
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https://doi.org/10.11588/diglit.17291#0197

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Stellwände der Ausheilung des Bauhaufes Deffau mit abnehmbaren
Füfjen

Mitte zu durchfchreiten und in huldvoll wechfelweifem Rechts- und
Linksgrüf5en die Parade der [ymmetrifch achtungftehenden Bilder
abzunehmen! So mag ein fürftlicher Bilderfammler (einen Gäften
feine Schäle vorgewiefen haben.

Das Bilderhängen i(t eine Art der Mitteilung. Die Form des Bau-
körpers, der diefer Mitteilung dient, wird von der Form diefer
Mitteilung beftimmt. Der fürltlichen Form des Mitteilens von Kunft-
fchäfjen entfpricht und entftammt der bis heute übliche Galerie-
typus! Diefe Form ift aber nicht mehr die unfrige! Das Bilderan-
Ichauen ilt für uns nicht mehr eine feierliche Parade, fondern eine
ftille Privatangelegenheit. Der paradierende Saal und die para-
dierenden Bilder find unferer entfpannteren, natürlicheren Gang-
art fremd und bedrückend. Darum fehen alle Galeriebefucher
fo deplaziert aus und fühlen lieh auch fo!

Behebung diefer Nachteile. Erftens: Zutritt und Aus-
tritt der Räume nicht in der Mitte, fondern feitlich! Und
zweitens: Verzicht auf die üblichen vier Wände! Der
Befucher betritt den Raum beginnt rechts mit Wand 1 biegt
um zu Wand 2 — und ift am Rande von Wand 3, da es eine
Wand 4 nicht gibt, beim Zutritt zum nächften Raum! Dazu aller-
dings müffen wir uns losfagen von der Vorftellung der gefchloffenen
Monumentalität (oder Intimität!) der Räume. Losfagen müffen wir
uns aber auch von der üblichen Pendanthängerei, zugunften eines
fließenden, dem Gang des Befchauers fich anfehmiegenden Hän-
gens, bei dem das Zufammengehörige unmittelbar aufeinander
folgen darf und nicht durch Mittelftücke und Pendants fich an-
einanderreihen laffen mufj wie das Schema durch fämtliche
Galerien Europas lautet!

2. Nachfeile für das Bilderhängen

Ich möchte gerne wiffen, wie viel Kopfzerbrechen z. B. Herrn
Direktor Dörnhöffer von der Alten Pinakothek die Umhängung
des Dürer-Grünewald-Saales bereifet hat! Und dabei hat diefes
Kopfzerbrechen von vornherein auf die wirklich erwünfehte An-
ordnung verzichten müffen („dazu mürjte ich den Saal ganz neu
bauen können!"), fondern hat (ich ganz auf den Kompromiß
zwifchen dem vorhandenen Raum und dem Bildermaterial be-
fchränken müffen! Da aber die Räume unweigerlich fefte Gröben
find, tragen in jedem Fall die Bilder die Unterbilanz diefes Kom-
promiffes!

Hören wir die Stimme eines M u fe u m sf a ch m a n n es. „Wenn
ein Mufeum einmal (teht (und meift Itehen fie (chon fehr lange
und noch für (ehr lange), dann gibt es für uns nichts als „frih Vo-
gel oder ftirb". Die Abmeffungen des einzelnen Raumes und der
Wechfel von größeren und kleineren Räumen ift ein für alle Mal
beftimmt. Was wir für eine Mühe haben, das vorhandene Material
nach diefen fixierten Räumen zu ftrecken oder zu zwängen, und
wie oft das die wünfehenswerteffe Kombination der Bilder (chlecht-
hin unmöglich macht davon hat der Laie garkeine Ahnung. Statt
dah diefe Räume dienende Gefäße find, die (ich dem Bildermaterial
anfehmiegen, find fie die wahren Herren! Wie gern möchten wir
einzig die Bilder befehlen laffen, wie lang nun diefe Wand zu fein
hat, und wie grofj diefer Raum, und wie grofy der nächfte. Und
wie gern möchten wir von Zeit zu Zeit die uns anvertrauten Schärje
in einer neuen Anordnung darbieten, damit man fie einmal wie-
der neu fieht. Wie oft müffen wir Lücken mit wertloferem Depot-
gut füllen, nur weil ein Raum nun grad fo grofj ift. Und wie oft

Stellwände des Basler Ge werbemufeums Sperrholzplatte 1,50 x 2,50 m
mit abnehmbaren Fürjen

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