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Das neue Frankfurt: internationale Monatsschrift für die Probleme kultureller Neugestaltung — 3.1929

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Schmidt, Georg: Der Bilderschauer und der Bilderbewahrer
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https://doi.org/10.11588/diglit.17291#0198

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kommen wir ins Gedränge, weil ein Raum zu klein i(t. Ein Zu-
wachs bedeutet für uns fa(t mehr eine peinliche Störung einer
mühfam erzwungenen Ordnung als eine Freude! Und wenn einer
von uns das Glück hat, an ein Mufeum neu berufen zu werden,
dann fcheitern feine fchönften Träume an den feftgelegten Räu-
men. Leider muh ich mich damit begnügen, diefe Nöte einmal ge-
klagt zu haben — ich weih keinen Ausweg aus ihnen".
Noch wefentlich dringender als bei einem Bau für Bilder (am m-
I u n g e n find diele Nöte bei einem Bau für Bilderaus (te1I u n gen-
Bei einer Sammlung kehren fie, je nach dem Grad der Lebendig-
keit dieler Sammlung, alle 2 oder alle 10 Jahre wieder. Bei einem
Ausftellungsinltitut aber jeden Monat! Wer einmal während ein
paar Jahren Monat für Monat in den ftändig gleichen Räumen
wechselnde Ausheilungen eingerichtet oder auch nur befuchf hat,
dem werden diele Räume, wie man draftilch lagt, nachgerade zum
Hals heraushängen. Er würde es als eine wahre Befreiung empfin-
den, wenn er einmal neue Raumeindrücke Ichaffen, bezw. emp-
fangen dürfte. Ganz abgelehen von den gefchilderten Nöten,
das jeweils anders gegliederte Material in den „ewigkeitlich" ge-
gliederten Räumen unterzubringen!

Diele in lebendigerem PuIsatmenden Ausltellungsinltitute haben (ich
deswegen auch fchon mehr Gedanken gemacht, wie dielen übel-
ftänden abzuhelfen fei. Und man ift zur natürlichsten Löfung der
fliegenden Stellwände gekommen. Das Winterthurer Ge-
werbemuleum hat es mit aufgehängten, in Deckenfchienen laufen-
den, in einer Wandnifche verfenkbaren Wänden verfucht (Nene
Abbildung), das Bafler Gewerbemufeum mit frei ftehenden Wand-
elementen aus Sperrholzplatten (fiehe Abbildung), in der Baller
Kunfthalle wird von der Möglichkeit des Verlchiebens der üblichen
Stellwände ausgiebig Gebrauch gemacht, und endlich lind die
Ausftellungsftellwände des Bauhaus Deffau zu erwähnen (fieheAb-
bildung).

Bis diefes Syftem auch vom würdevolleren älteren Bruder, vom
Kunltmufeum übernommen wird, muh noch mancher fallche Be-
griff von Monumentalität und auch von Intimität abgebaut wer-
den. Im Städtebau dämmert es langfam, dah der gefchlolfene
Platj den Realitäten unteres Lebens nicht nur nicht mehr entfpricht,
fondern geradezu w i d e r fpricht. Auch im Wohnhausbau erkennt
man allmählich, dah die offenere Wohnform nicht nur nicht „unge-
mütlicher", fondern ganz im Gegenteil wefentlich wohnlicher ift
als die alte gefchloffene. Beim Mufeumsbau handelt es fich um die
gleiche Erlcheinung. Die Entwicklung wird fich alfo auch hier
gleich unaufhaltfam vollziehen!

Da jede feft eingebaute Wand gegenüber dem plaftifchen Ma-
terial eines Mufeums ein Hemmnis ift, kommt man, von der einzig
begründbaren, einzig realen Rücklicht auf das Material ausgehend(
notwendig zur Form des d u r ch g e h e n d e n Hallenbaus. In-
nerhalb diefes durchgehenden Raumes laffen fich mit den fliegen-
den Wänden Unterteilungen von beliebiger Anzahl und von be-

Stellwände im Hauptfaal des neuen Folkwang - Mufeums in Effen.
Architekt Körner

liebiger Betonung des Trennens durchführen. Eine folche einheit-
liche Halle nicht als „hählich", londern im Gegenteil, weil fie von
jedem Standort aus überblickbar und durchmehbar ift, als wohl-
tuend zu empfinden, dazu bedarf es lediglich einer Umftellung des
Gefühls. Der Einwand, die Bilder feien für gefchloffene Räume
gedacht, trifft für die getarnte kirchliche Kunft nicht zu. Außerdem
werden wir niemals die Bilder in d i e Umgebung hängen können,
für die fie urfprünglich gedacht waren. Bilder in Mufeen find immer
entwurzelte Exiftenzen.

B. Die Seitenlichtkabinette

1. Na ch teile für das Belchauen.

Die Seitenlichtkabinette werden meiftvon Fenftern erhellt, die aus
konduktiven und formaliftifchen Gründen des Haufteinbaus (ehr
(chmal find, alfo einerfeits an der Fenfterwand noch Raum
für Bilder laffen, andererfeits aber nicht genügend Licht in
diefe Kabinette geben. Im Seitenlichtraum ift jedoch nicht nur die
Fenfterwand, londern auch die Gegenwand hängunmög-
lich.

Hören wir auch über die Seitenlichtkabinette jenen Mufeums-
fachmann: „Erträgliches Licht haben einzig die zu den Fenftern
(enkrecht ftehenden Zwifchenwände. Vor den Rückwänden mit
lotrechtem Lichteinfall verlangt ein intimeres Studium der Bilder
wegen der Blendung eine wahre Akrobatik des Rückenmarks.
Von den Wandftücken zwifchen den Fenftern gar nicht zu reden!
Für diefe Qualen entfchädigt uns einzig der erholende Blick ins
Freie, den die Seitenlichtkabinette gewähren".
Einen Vorteil haben die üblichen Seitenlichtkabinette für den Be-
fchauer: da die Zugänge ftets feitlich an die Fenfterwand
gelegt find, ift hier das für die Oberlichtfäle geforderte ununter-
brochene, fliehende Abfchreiten möglich. Darum find Seitenlicht-
kabinette fo viel angenehmer, fchlanker zu begehen!

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