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Das neue Frankfurt: internationale Monatsschrift für die Probleme kultureller Neugestaltung — 3.1929

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Hagen, Wilhelm: Biologische und soziale Voraussetzungen der Kleinstwohnung
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https://doi.org/10.11588/diglit.17291#0358

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muffen aus wirtfchaftlichen Gründen auf das Minimum befchränkt werden.
Dafj wir auch die Zentralheizung in diefen Bauten für überflüffig halten, mag
befremden. Aber dabei fpielen nicht nur die höheren Anlagekoften mit,
fondern es ift zu bedenken, dafj damit zwangsweife dem Arbeiterhaushalt
eine Ausgabe für die Beheizung zugemutet wird, die er fonft fcheuen würde.
Gewifj liefert eine gute Zentralheizung die Wärmeeinheit billiger, als der
Kohlenofen oder -herd. Aber der Arbeiter kann fich eben den höheren Wär-
mekonfum, den die Zentralheizung mit fich bringt, nicht leiften.
Was wollen wir mit diefen radikalen und fchmerzenden Einfchränkungen
gewinnen? Vor allem Raum! Die Quadratmetergröfje der Wohnung darf
nicht zu gering werden. Die Hygieniker forderten früher für 4 Perfonen
wenigftens 50 qm Wohnfläche. Wir find heute auf 40 qm heruntergegangen.
Diefe Zahl muh die untere Grenze bilden. Dabei ift damit gerechnet, dah
in dem Hauptwohnraum, der wenigftens 16 qm grorj fein mufj, auch noch
gefchlafen wird. Für die 6 köpfige Familie find etwa 50 qm erforderlich. Der
Hauptwohnraum murj gröfjer fein und es find 2, noch beffer aber 3 Schlaf-
kammern notwendig. Jede Wohnung foll, wenn fie nicht zu ebener Erde
liegt, einen grofjen Balkon haben, auf dem auch die Familie fich aufhalfen kann.
Die Anordnung des Grundriffes mufj alle Räume der Wohnung gut lüft-
bar machen. Technifche Lüftungen find nur für Aborte, Wafchräume, Speife-
kammern erlaubt. Alle Wohn- und Schlafräume brauchen Fenfter und zwar
Fenfter, die im vernünftigen Verhältnis zur Raumgröhe ftehen. Lüftungsein-
richtungen im Fenfter oder in der Aufjenwand, wie lerjteres in Holland üb-
lich ift, müffen die Lüftung auch bei gefchloffenem Fenfter geftatten. Zu
grorje Fenfter kühlen ftark ab, komplizierte Doppelfcheibenkonftruktionen
müffen für diefe Wohnungen ausfcheiden. Doch darf diefe einfeitige Betrach-
tung des Fenfters als Lichtfpender nicht dazu verleiten, die Fenfter fo hoch
zu legen, dafj dem fitjenden Menfchen der Ausblick ins Freie verwehrt ift.
über genügende Grünfläche, die Notwendigkeit der Befonnung u. dgl.
braucht in diefer Zeitfchrift nicht geredet zu werden.

Wir wiffen, dafj unfere Ausführungen einer lediglich ideal orientierten, in
den letjten technifchen Vollkommenheiten fchwelgenden Bauweife wenig
entgegenkommen. Sie wollen fich in erfter Linie aber nur gegen jene Ver-
fuche einer Verbilligung durch dauernde Wohnungsverkleinerung und un-
mögliche Grund rifjgeftaltung wenden, welche aus Hochachtung vor der Technik
die Notwendigkeit des Raumes als leere Gröfje zu gering einfchätjen. Und
fie wenden fich andererfeits gegen die Fiktion, als ob 15 Stockwerk hohe
Wohnmafchinen eine gefunde Bafis für das Heranwachfen der kommenden
Generation bieten könnten. Wohnungsbau ift ftets nicht für die bauende,
fondern für die nachfolgende Generation von entfcheidender Bedeutung.
Wir haben kein Recht anzunehmen, dah für diefe andere Lebensgefetje
gültig fein follen, als dies bisher der Fall war.

AUCH EIN BEITRAG ZUR KLEINWOHNUNG!
FRAGE. HEINRICH ZILLE f 1929

Aus Berlin 0: „Mulla, schmeiß Slulle runtal"

(Aus II. Zille „Mein Milljöli", Verlag Dr. Slllc-EyslerAG.)

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