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Sondheim, Moriz
Gesammelte Schriften: Buchkunde, Bibliographie, Literatur, Kunst u.a. — Frankfurt a.M., 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.34388#0349

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319 —

Zeichnungen sind von derber Ausführung. Die darzustellenden
Begebenheiten werden in der einfachsten, naivsten Weise wie-
dergegeben, die Figuren sind so groß, wie es der Raum gestattet,
kurzbeinig, großköpfig, so daß sie oft den Eindruck von Zwer-
gen machen. Die Architektur ist viel zu klein gezeichnet, die
Perspective kümmerlich.
Die Schlettstadter Handschrift ist unvollständig; sie hat
nur noch 177 Bll. mit 104 Handzeichnungen; es fehlen die ersten
und letzten Blätter. Sie enthält die VII. Enneade, mit dem
Schlüsse des zweiten Buches anfangend und mit dem Anfang
des neunten Buches endigend. Jedes Buch ist am Schlüsse von
Murner datiert und unterzeichnet, beginnend mit dem Datum
Feria 6 post Michaelis 1534, und mit Feria 6 ante presentatio-
nis Mariae 1534 endigend. Die Tinte ist etwas dunkler als in
dem Karlsruher Codex, der zwei Jahre früher entstanden ist.
Die Zeichnungen sind nicht zu gleicher Zeit mit dem Texte
ausgeführt, sondern erst ein Jahr später, wie wir aus dem
Datum 1535 ersehen, das sich auf Seite 146 in der Spange des
Mantels des Eliu& Verus befindet. Hieraus erklärt sich, daß
sie mit tiner dunkleren Tinte als der Text ausgeführt sind,
eine Vergleichung mit dem Karlsruher Codex ergibt aber, daß
sie unzweifelhaft ebenfalls von Murners Hand sind. Sie be-
stehen vorwiegend aus Porträts von Kaisern und Päpsten in
ganzen Figuren, in runden Medaillons von einem durchschnitt-
lichem Durchmesser von 130 mm. Die historischen Darstellun-
gen haben wie im Karlsruher Codex eine durchschnittliche
Größe von 130 bis 140 mm im Quadrat. Die Porträts der Kai-
ser entsprechen ähnlichen Darstellungen in der Karlsruher
Handschrift, die Päpste sind freier und einfacher gezeichnet,
doch haben auch sie zu kurze Beine. Sie sitzen meistens auf
Thronen von schwerer Ornamentik und sind sehr lebendig
aufgefaßt. Vielleicht hat Murner hierbei nach einer mir un-
bekannten Vorlage gearbeitet/)
Den aus der Didot'schen Sammlung stammenden dritten Co-
dex, der die VIII. Enneade mit 108 Federzeichnungen enthält,
und 1534—1535 geschrieben wurde, konnte ich zur Vergleichung
nicht heranziehen, ich kenne von ihm nur das Facsimile einer
Zeichnung im Katalog 34 der Firma Jacques Rosenthal in
München; diese Zeichnung ist ein genaues Gegenstück zu der-
jenigen auf Blatt 148 der Karlsruher Handschrift.
Wenden wir uns nun zurück zu den Holzschnitten in Mur-
ners Dichtungen*) und vergleichen wir sie mit diesen Feder-
0 Ein Verzeichnis der Zeichnungen im Karlsruher und Schlettstadter Codex
hat E. Martin im Jahrbuch für Geschichte Elsaß-Lothr. IX S. 108 if. veröffentlicht.
0 Genügendes Vergleichungsmaterial geben folgende Werke: Kristeller,
P., Die Straßburger Biicher-Ilustration. Leipzig 1888. — Sondheim, M., Die
ältesten Frankfurter Drucke. Frankf. 1885. — Deuts die Drucke ausgew. v.
W. Scherer (Murners Schelmen Zunft) Berlin 1881. — Murners Badenfahrt
von E. Martin. Straßb. 1887. — Murners Mühle von Schwindelsheim. Zwik-
 
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