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Sondheim, Moriz
Gesammelte Schriften: Buchkunde, Bibliographie, Literatur, Kunst u.a. — Frankfurt a.M., 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.34388#0350

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Zeichnungen. Die bereits mehrfach erwähnten Stileigentumiich-
keiten finden wir überall wieder, wenn sie auch oft durch die
Hand des Formschneiders zum Teil verwischt sind. Das Buch
„Von dem großen Lutherischen Narren" erschien 1522 bei Grü-
ninger in Straßburg; man vergleiche den Landsknecht vor
dem Kloster auf Bl. VIII (Abb. S. 314) des Lutherischen
Narren und den auf seinen Stab gestützten Hirten,
der die V^ölfin mit Romulus und Remus findet
auf Bl. 41v der Karlsruher Handschrift (Abb. S. 317); oder
den Holzschnitt auf Bl. VIIIv, die Zerstörung einer Kir-
che und den Raub von Reliquien darstellend, aus
dem Lutherischen Narren mit der Handzeichnung auf
Bl. 162 der Karlsruher Handschrift, Tarquinius zer-
stört Suessa (Abb. S. 315); wenn wir abziehen, was auf
Rechnung des Formschneiders kommt, ist die Gleichheit im
Stil in die Augen springend. Man achte auf die Aehnlichkeit
in der Komposition, auf die Behandlung der Dächer der Ge-
bäude, der Gesichtszüge der Personen und besonders ihrer
Hände. Ich glaube, aus diesen wenigen Proben geht klar her-
vor, daß die Zeichnungen zu dem Lutherischen Narren eben-
falls von Murner sind.
Und nun vergleichen wir die Holzschnitte des Lutherischen
Narren mit den Abbildungen in den früheren Dichtungen Mur-
ners. Man vergleiche das bereits erwähnte Blatt, den Kir-
chenraub aus dem Lutherischen Narren mit dem Holz-
schnitt Eurialus und Lucretia von Murners Gäuchmatt
(Basel 1519) (Abb. S. 313)Rund beachte besonders die
Zeichnung der Beine; zugleich vergleiche man die Behand-
lung des Kostüms in diesem Blatt der Gäuchmatt mit derjenigen
des Landsknechtes vor dem Kloster im Lutherischen
Narren (Abb. S. 314). Man lege ferner nebeneinander das
Titelblatt der Mülle von Schwyndelszheym (Straßburg 1515)
im Zwickauer Facsimiledruck und den Holzschnitt im Luthe-
rischen Narren, Kürschners Ausgabe S. 83; schließlich ver-

kau 1910. — Murners Lutherischer Narr (Kürschners Deutsche Nationallite-
ratur XVII. 2).
9 Die Illustrationen zur Gäuchmatt hoffe ich bei anderer Gelegenheit ein-
gehender zu besprechen. Murner hatte das Gedicht schon 1514 in Straßburg
vollendet und verkaufte das Manuskript an den Drucker Mathias Hupfuff für
vier Gulden, aber die Straßburger Zensur hintertrieb den Druck. Bei seinem
Aufenthalt in Basel ließ es Murner 1519 bei Adam Petri erscheinen. Das Buch
enthält einige schöne Holzschnitte, die Ambrosius Holbein zugeschrieben sind
(Woltmann, Holbein H. S. 210, 18—21), wie mir scheint Umarbeitungen von
Murnerschen Zeichnungen. Ich vermute, daß alle andern Zeichnungen in der-
selben Weise für das Buch umgearbeitet werden sollten und dies durch den
Tod des Ambrosius Holbein verhindert wurde. Infolgedessen wurden die üb-
rigen Zeichnungen Murners mit geringen Aenderungen von einem Formschnei-
der ausgeführt, der auf einigen Blättern sein Monogramm C A angebracht hat.
(Vgl. die Notiz D. Burckhardts in Murners Gäuchmatt hrsg. von W. Uhl, Leipz.
1896, S. 267).
 
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