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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 4.1913-1914

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Nummer 178/179 (September 1913)
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Kandinsky, Wassily: Malerei als reine Kunst
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Cendrars, Blaise: Le douanier Henri Rousseau
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Tress, Josef: Gedichte
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Schwarz, Hugo Engelbert: Elezagal, die gelbe Maus
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https://doi.org/10.11588/diglit.27574#0102

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oder in dem gegenständlich unterstützten geistigen
Inhalt (der zweiten Periode) hat, nur als konstruk-
tives Wesen existieren kann, soll jedem ohne wei-
teres klar und unverrückbar erscheinen.

Das heute stark (und immer stärker) sich zei-
gende bewußte oder auch noch oft unbewußte
Streben, das Gegenständliche durch das Konstruk-
tive zu ersetzen, ist die erste Stufe der beginnen-
den reinen Kunst zu der die vergangenen Kunst-
perioden unvermeidlich und gesetzmäßig waren.

In dieser Kürze versuchte ich, die gesamte Ent-
wicklung und die heutige Lage ganz besonders in
großen Zügen schematisch zu behandeln.

Daher die vielen Lücken, die offen bleiben müs-
sen. Daher das Verschweigen der Seitengänge
und Sprünge, die in jeder Entwicklung so unver-
meidlich sind, wie die Seitenäste am Baum, trotz
seinem Streben nach oben.

Auch die weitere Entwicklung, die der Malerei
hevorsteht, wird noch viele scheinbare Wider-
sprüche, Ablenkungen erdulden so wie es in der
Musik war, die wir heute schon als reine Kunst
kennen.

Die Vergangenheit lehrt uns, daß die Entwick-
lung der Menschheit in der Vergeistigung vieler
Werte besteht. Unter diesen Werten nimmt die
Kunst den ersten Platz ein.

Unter den Künsten geht die Malerei den Weg,
der sie vom Praktisch-Zweckmäßigen zum Geistig-
Zweckmäßigen führt. Vom Gegenständlichen zum
Kompositionellen.

Le douanier Henri
Rousseau

Radieuse et gauche, empruntee et raffinee,
l'oeuvre de Henri Rousseau defie toute critique
autoritaire ou systematique. Ce peintre est d’une
complexion ambiguee; chaque tableau est un etat
d’äme unique. II faut avoir des sens pour le com-
prendre. II s’agit d’etre sensuel, de ressentir,
de parvivre chaque tableau, — afin que
I’aventure compte dans l’interrompue chaine de
sensations qu’est la vie. II faut sentir. L’onde
des sublimes- frissons se propage de centre en
centre, et, gräce ä un jeu multiple d’analogies et
d’associations, l’on finit par comprendre! II faut
äimer. ‘ Le cerveau, ce soleil, resplendit tout le
jour sur la mer pourpre du coeur. C’est ä la con-
femplation de cette vie interieure qu’il doit sa
clarte, sa grandeur et son calme. II s’y delaie
afin d allumer la grande passion nocturne, l’effro-
yable gauillement des etres, des Sentiments et
des idees. La vie est du soleil qui pourrit. Le
sentiment, du cerveau en putrifescence. La mer
est le sein de la nature. Le coeur, le soleil noir
du monde. Sursum corda!

II faut aimer. Depuis trop longtemps dejä, le
critique est beaucoup trop raisonnable. II ne sait
pas aimer. II n’est pas erotique; donc iS n’est pas
profond et n’est jamais en passion. Or, 1 a plus
haute passion est la passion de soi-
meme en pleine sincerite. — Le cri-
tique n’a pas eu de personnalite jusqu’ici. II ne se
montre jamais. A l’etroit entre la double carapace
de la methode et du dogme, il avance un front
myope, qu’il heurte, obstinement, au meme para-
graphe du code. II salive, aigrelet; lache du fiel
comme ä travers un entonnoir. Prudent et fourbe,
il a les levres aigues comme un bec de tortue.
Jamais il n’a encore ouvert les ecluses du trop-

plein, afin que le flot bondisse, magnifiquement,
dans un remue-menage d’images et de sourdes
menaces qui eveilleraient les plus profonds echos
du fleuve. La vie, pour lui, n’est qu’un pipi; — il
a honte d’y tremper, — et il a peur de l’avoir fait.

Stendhal et Pascal, Suarez et Baudelaire ont
abondamment demontre la peinurie de la sensibilite
frangaise. Et jusqu’ä present, le Frangais a ete le
critique d’art par excellence! Diderot Taine et
Paul de St. Victor, Sainte-Beuve, Monsieur Faguet,
Doumic; Cousin, Thiers —. eux tous papillonnent
et folichonnent autour de l’art; se meuvent, tels
que des eventails. La; gräce frangaise! C’est ä eile
que nous devons cet enervant affichage de sensi —
tives evaporees et doucätres dans l’art decoratif,
l’introduction du feminisme dans l’art moderne. Il
est temps d’ecarter ces bergeronnades pämorsons
erubannees de cris de flute et de montrer l’homme
nu interieur.

Ou’ importe le sujet d’une oeuvre d’art, Geor-
ges Polti a fixe 36 situations dramatiques, qui,
elles-memes, se resument ä trois fondamentales.
Et pourtant, le critique se complait toujours ä
l’anecdote. Il ne se lasse pas de raconter la tou-
jours meme histoire. Il cancanne. II cancanne.

Au fond, il n’y a que la technique qui importe.
Mais eile aussi n’est pas du ressort de la critique.
Les analyses erudites, indigestes et balourdes des
privatdocent allemands le prouvent. En poesie, la
technique est enfin personnelle, eile a conqui tous
ses droits. Aujourd’hui, chaque poete fabrique lui-
meme son instrument. Avec beaucoup d’amour, les
artisans d’autrefois fogonnaient leurs outils de
leurs propres mains. Toute dissertation sur la
technique est vaine. Il n’y a pas une Science de
l’homme; donc il n’y a pas une Science de l’Art. En
ouvrant la premiere academie ä Milan. Leonard
da Vinci a commi une funeste erreur. Il a intro-
duit le canop dans l’art. Et c’est peut etre ä cause
de lui que nous souffrons comme dans un höpital.
„La Philosophie de la composition
de Poe, cette mere ironie, en est un memorable
exemple.

On aime ou on n’aime pas. On sent ou on ne
sent pas. On vit ou on ne vit pas. Le röle du
critique est excessivement simple. Il doit etre
emu et nous traduire son emotion. La critique est
oeuvre de createur. C’est dans ce sens que la
comprennait Walter Pater. La critique, c’est la
nature dans l’art vue par un temperament humain.

Il n’y a qu’une seule critique: la musique, dit
l’oeuvre pathetique du douanier Henri Rousseau.

Blaise Cendrars

Gedichte

Von Josef Tress
Ich zerstampfe

Meine Seele wächst leis wie die Blumen,
Doch ihr Odem wird von den Wölfen besudelt
Und vom nordischen Wind über Nacht.

Meine Seele wächst unter der Schneedecke.
Und wird in ein schreiendes Land verkauft,
Zermalmt von Flüchen und Felsblöcken.

Ich zerstampfe meiner Ahnungen Saat.

Meine Seele blüht in den blausten Blumen,
Wann die Sterne den letzten Traum träumen.
Ich zertrete meine Gartenbeete.

Bauern

Wann die Bauern die Fäuste zur Arbeit falten.
Die Helden der Herzlosigkeit,

Und mit traumenterbten Pestaugen
Das kornschwangere Ackerreich spalten,

Dann zertreten sie meinen spielenden Traum.

Doch manche fleischwarme Bauernbrust
Besetzen abends weichfingrige Nachtfalter,

Und in den Tiefen pflügt ein Pilgersmann
Daß der Sohn vom harten Tag
Das Knie der schwarzen Stunde scheu um-
klammern mag.

Elezagal, die gelbe Maus

Von Hugo Engelbert Schwarz

Es war eine Maus in Florenz. Die hatte ein
gelbes Kleid, das sie nie ablegte. Sie hieß Eleza-
gal und wohnte im Palazzo Pitti. Sie war eine
auffallende Person, auch war sie jung und trug
ihr gelbes Kleid so schick, wie irgend eine Pa-
riser Mondaine. Es war kein Wunder, daß ihr alle
Männer nachliefen, und da sie alles Glück vom
irdischen Leben erhoffte, führte sie ein Leben,
über das alle Philister nicht mehr sagten, als hem,
hem . . Aber der Augenaufschlag dabei! — So
ein Leben führte also die Maus Elezagal. Und es
ist nicht zuviel gesagt, daß sie an einem Tage ein
Dutzend Herren an ihren Busen drückte. Da-
mals war Diskretion nicht modern. Im Gegenteil,
Elezagal legte Wert darauf, berühmt zu werden.
Ganz Florenz war verrückt geworden und in der
Welt gab es keine größere Schande, als bei Ele-
zagal kein Glück gehabt zu haben. Der Papst war
selbst aus Rom gekommen und die Christenheit
konnte beruhigt aufatmen, als er ex cathedra ver-
kündigte, daß Elezagal liebenswürdig war und
daß das gelbe Kleid einen herrlichen Anblick bot,
wenn .... Aber die letzten Silben dieser Er-
klärung mußte sich jeder denken. So erfreute
sich Elezagal eines großen Zuspruchs. Die Welt
versammelte sich in ihrem Schloß. Sie aber ward
reich und mächtig, ganz so, wie es noch heute
zu geschehen pflegt. Aber es war nicht das dicke
Scheckbuch, es war auch nicht das 70-HP-Auto-
mobil, noch war es die Anzahl der Liebhaber,
die Aergernis erregten. Es war das gelbe Kleid,
einzig und allein die gelben Dessous und die gel-
ben Dinge im allgemeinen, die Elezagal verhaßt,
machten bei ihren Mitbürgerinnen. Da es sich
einmal gehörte, machten sie Besuch bei ihr.
Denn ihr Salon war voll von interessanten Män-
nern. Aber sie mochten ihre grauen Toiletten
tragen, wie sie wollten, es gab nichts, was her-
anreichte an Elezagal und an ihr gelbes Kleid.

Da konnte nur Organisation helfen. Und die
Freundinnen waren die ersten, die sich zusammen-,
taten. Man war sich darüber klar, daß etwas ge-
schehen müsse. Ganz im Geheimen war ein Ko-
mitee tätig und binnen kurzem war alles, was
Florenz an mannbaren Mäusen zählte, unter einem
Hut.

Die Generalversammlung tagte und eine Prä-'
sidentin wurde gewählt. Sie hieß Bibi und stand
im gefährlichen Alter. Auch hatte sie Bücher ge-
schrieben, die Männer nicht lesen konnten, ohne-
rot zu werden. Es meldeten sich zum Wort ära-
rische Weiber, denen die Subalternoffiziere weg-
geschnappt waren, öffentliche Dirnen und Steuer-
zahlerinnen, deren Erwerb bedroht war, Pfarrers-
köchinnen, die keiner Predigt mehr teilhaftig wer-
den konnten. Schöne und Häßliche, Lüsterne und

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