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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 4.1913-1914

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Nummer 198/199 (Zweites Februarheft)
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Behne, Adolf: Bruno Taut
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Cendrars, Blaise: Marc Chagall
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Hoddis, Jakob van: Hymne
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https://doi.org/10.11588/diglit.27574#0186

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wie die besten Künstler unserer Tage, um eine
neue Einfachheit, um Primitivität. Das alles lag
schon im Leipziger Pavillon enthalten und hat hier
auf die Besucher, ohne daß sie sich der Ursachen
klar wurden, sehr tief gewirkt. Aber um vieles
bedeutungsvoller und nachdrücklicher spricht sich
das Streben Bruno Tauts im Hardenberghaus aus.

Eine neue Gesinnung, ein neues Lebensgefühl
liegt in dieser Architektur! Hier ist alles Aeußer-
liche, aller Putz, alle „Dekoration“ wie mit einem
eisernen Besen weggefegt! Wer einen Blick auf
die Häuser der Umgebung wirft, atmet, wenn sein
Auge zu der Fassade Bruno Tauts zurückkehrt,
aus tiefstem Grunde auf. Ein geradezu erlösendes
Gefühl der Ruhe überkommt ihn. Es ist, als ob
man nach einem vielstimmigen, unklaren, verwir-
renden Geräusch einen reinen und vollen Ton ver-
nimmt. Reinheit! Das ist vielleicht das Wort, das
am ehesten der Architektur Tauts gerecht
wird.

Ich sagte, daß Bruno Taut auf die Urelemente
alles Bauens für seine Fassade zurückgegangen ist.
Diese Urelemente sind: die Wand und die Oeff-
nung!

Wo sieht man heute an unseren Häusern etwas
von der Wand! Karyatiden, Säulen, Kartuschen,
Büsten, Reliefs decken sie zu — obwohl es gegen
früher besser geworden ist. Taut zeigt die Wand,
die doch der Sinn des ganzen Bauens ist, in aller
ungebrochenen Fülle — und Schönheit. Und er
nimmt den Fenstern den Charakter des Zufälligen,
des Unbezwungenen, den sie fast überall tragen,
nimmt sie als das zweite große Hauptmotiv, setzt
sie in ihre vollen Rechte ein! Er hat keine Furcht,
daß ihm etwa große Fenster die Fassade zerrei-
ßen, er macht sie so groß, als irgend möglich, läßt
Querholz und Fensterkreuz fallen und gewinnt aus
dem Fenster etwas Ausdrucksvolles, das nun im
Stande ist, die Wand zu gliedern! Wand und Oeff-
nung — sie haben jetzt eine bestimmte Rolle, be-
deuten etwas, wirken sich aus!

Was hier geleistet worden ist, das ist endlich
wieder einmal etwas Ganzes, etwas Persönliches,
etwas Bleibendes. Es ist eine Befreiung der Archi-
tektur von der Konvention, ein Besinnen auf das
Echte.

Zu den Urelementen des Bauens gehört freilich
noch ein Drittes: die Freude am Schmuck. Diese
Freude ist bei Bruno Taut sehr stark und lebendig
ausgeprägt. Wo es sein muß, baut er so einfach
und schlicht wie kein Zweiter (seine üartenstadt-
ärchitektur für Falkenberg beweist es), wo aber
eine gewisse Repräsentation zum Wesen der Auf-
gabe gehört, ist er nicht ängstlich! Daß für ein
teures Miethaus in der vornehmen Hardenberg-
straße ein Bedürfnis an Schmuck vorliegt, versteht
sich von selbst. Taut hat dem gebührend Rech-
nung getragen und hat auch hier etwas Kühnes und
Ungewöhnliches geschaffen, indem er seine Archi-
tektur in eine ganz freie Verbindung mit der Pla-
stik brachte! Auch hier ist der Wunsch, etwas
Echtes statt einer Mischung zu geben, leitend ge-
wesen. Das Genre der sogenannten dekorativen
Architekturplastik ist ja doch eine Mischung, in der
die Plastik die Architektur und die Architektur die
Plastik stört. Taut zog Georg Kolbe zur freien
Mitarbeit heran. Kolbe hat, nur sehr allgemein an
eine Skizze Tauts gehalten, unter dem Dach eine
Reihe von schwebenden Frauenakten, fast voll-
rund, modelliert, die, leicht und frei bewegt, dem
Hause etwas Lebendiges, Atmendes geben. Falsch
wäre es, diesen Figuren gegenüber wiederum, wie
bei der Leipziger Goldkugel, nach dem „Zweck“
zu fragen! Sie haben keinen anderen als einen in-
nerlich künstlerischen! Wären sie nicht da, so
fehlte etwas!

Das ist gerade das Schöne, daß Bruno Taut
nicht aus dem Intellekte und nicht nach dem „Ge-
schmack“ baut, sondern aus der Phantasie!

Adolf Behne

Mare Chagall

II dort

II est eveille

Tout ä coup il peint

II prend une eglise et peint avec une eglise
II prend une vache et peint avec une vache
Avec une sardine

Avec des tetes, des mains, des couteaux

II peint avec un nerf de boeuf

II peint avec toutes les sales passions d’une

petite ville juive

Avec tonte la sexualite exacerbee de la pro-

venxe russe

Pour la France

Sans sensualite

II peint avec ses cuisses

II a les yeux au cul

Et tout ä coup c’est votre portrait

C’est toi lecteur

C’est moi

C’est lui

C’est sa fiancee

C’cst l’epicier du coin

La vachere

La sage-femme

II y a des baquets de sang

On y lave les nouveaux-nes

Des ciels de folie

Bouches de modernite

La Tour en tire-bouchon

Des mains

Le Christ.

Le Christ c’est lui

II a passe sou enfance sur la Croix

II se suicide tous les jours

Tout ä coup il ne peint plus

II etait eveille

Il dort maintenant

11 s’etrangle avec sa cravate

Chagall est etonne de vivre encore.

II Atelier

La Ruche

Escaliers, Portes, escaliers
Et sa porte s’ouvre comme un journal
Couverte de cartes de visite
Puis eile se ferme.

Desordre, on est en plein desordre

Des photopraphies de Leger des photographies

De Thobeen, qu’on ne voit pas

Et au dos

Au dos

Des Oeuvres frenetiques

Esquisses, dessins, des Oeuvres frenetiques

Et des tableaux . . .

Bouteilles vides

„Nous garäntissons la purete absolue de notre

Sauce

Tomate“

Dit une etiquette
La fenetre est un almanach
Quand les grues gigantesques des eclairs vident
les peniches du ciel ä grand fracas et deversent
des bannes de tonnerre
Il en tombe

Pele-mele *

Des cosaques le Christ un soleil en decomposi-

tion

Des toits

Des somnambules des chevres
Un lycanthrope
Petrus Borei
La folie l’hiver

Un genie fendu comme une peche

Lautreamont

Chagall

Pauvre gösse aupres de ma femme

Delectation morose

Les souliers sont ecules

Une vicille marmite pleine de chocolat

Une lampe qui se dedouble

Et mon ivresse quant je lui rends visite

Des bouteilles vides

Des bouteilles

Zina

(Nous avons parle d’elle)

Chagall

Chagall.

Blaise Cendrars

Hymne

O Traum, Verdauung meiner Seele!

Elendes combination womit ich vor Frost mich

schütze!

Zerstörer aller Dinge die mir feind sind;

Aller Nachttöpfe,

Kochlöffel und Litfaßsäulen . . .

O du mein Schießgewehr.

In purpurne Finsternis tauchst du die Tage
Alle Nächte bekommen violette Horizonte
Meine Großmama Pauline erscheint als Astralleib
Und sogar ein Herr Satanitätsrat
Ein braver aber etwas zu gebildeter
Sanitätsrat

Wird mir wieder amüsant

Er taucht auf aus seiner epheuumwobenen

Ruhestätte

— War es nicht soeben ein himmelblauer Ofen-
schirm

(He Sie da!)

Und gackt: „Sogar . . .

(Frei nach Friedrich von Schiller)

O Traum, Verdauung meiner Seele
0 du mein Schießgewehr.

Gick! Gack.

Jacob van Hoddis

Empfohlene Bücher

Die Schriftleitung behält sich Besprechung der hier
genannten Bücher vor. Die Aufführung bedeutet bereits
eine Empfehlung. Verleger erhalten hier nicht erwähnte
Bücher zurück, falls Rückporto beigefügt wurde.

Handbuch der Kunstwissenschaft

Herausgegeben von Dr. Fritz Burger / Soeben
erschien Lieferung 12 / 0. Wulff: Altchristliche
und byzantinische Kunst Heft 6
Berlin-Neubabelsberg / Akademische Ver-
lagsgesellschaft Athenaion m. b. H.

Hermann Essig

Der Held vom Wald / Schauspiel
Stuttgart / Verlag J. G. Cotta

183
 
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