dernd — und er beugte mit einem Ruck den Kopf
vornüber, qualumfaßt —:
„Und nun die Künstler selbst,“ — murmelte
er, fast unhörbar, als rede er, mit einer letzten,
alles aufbietenden Anspannung, ausschließlich zu
diesem Verborgenen und Gehässigen tief drinnen
in ihm selber — „haben denn nicht diese Reich-
bedachten dafür auch ungeheure Verpflichtungen?!
Haben nicht diese von allem Begünstigten —
gerade so übermäßige und unerhörte Pflichten,
denen sie sich nie entziehen können?
Ist das nicht gerade die tiefe und gute Gerech-
tigkeit in den Forderungen, die alle die andern, zu
allen Zeiten, an das lichte Ich des Künstlers stellen,
daß er, allein von allen, in allem, was ihm auch
geschehen mag, unverändert fortfahren soll, einer
von diesen Brennenden und Reinen zu bleiben!
von diesen mit der stets unbefleckten Hand! von
diesen, aus deren bejahendem Wesen das Motiv
der All-Brüderlichkeit ungeschwächt ausströmt.
Tag für Tag, immer purpurfarbig schöner — der
ganzen Welt entgegen??!“ — Er schwieg, plötz-
lich schaudernd, in allen Fibern durchbebt von
einem Grauen und einer Sehnsucht, von ;einem
verzehrenden Schwindel — wandte sich darauf im
nächsten Augenblick mit einem Ruck der Tür
zu —:
„Sehen Sie da!“ — sagte er mit Anstrengung,
wiederum einem unerklärlichen Willen gehor-
chend, dort aus dem allertiefsten Innern, ein Lä-
cheln um seinen Mund zwingend, mit seinem ge-
schärften Sinnen Frau Brügges leisen Schritt schon
von weitem hörend —:
„Da kommt meine Haushälterin und sagt, daß
der Tee angerichtet ist!
Sagen Sie mir, Herr Professor —: wollen Sie
mir nicht die Freude machen, eine Tasse mit mir
zu trinken?“
_ IV
Morton hatte den Professor zum Tore hinaus-
begleitet, hatte ihm den Weg nach der nächsten
Haltestelle der Straßenbahn gezeigt und Abschied
von ihm genommen; er zog jetzt seine Uhr aus
der Westentasche, sah einen Augenblick grübelnd
darauf nieder und schritt dann schnell den breiten,
kiesbedeckten Gang entlang — der mit einem
Bogen an dem weißen Giebel der Villa vorüber-
ging und nach dem großen Garten dahinter führte.
Es war still, sternenklar und lau.
In der Durchsichtigkeit der Sommjernacht
standen die Bäume wunderbar weich in ihren Um-
rissen da, unbeweglich mit ihrem Laub in die Luft
aufragend, lautlos, schwarz. Hier und da wie in
feinen, unsichtbaren Streifen spürte man den
dünnen, kühlen Duft von frühen Rosen; zwischen
den Gebüschen schimmerten ihre blassen Kronen.
Vom Strande herauf hörte man, gleitend, rieselnd,
hin und wieder mit einem leisen Plätschern, die
kleinen, langsamen Wellen, die gegen das Ufer
schlugen.
Nun ja, dachte Glaß; er war mitten auf dem
tiefen Rasenplatz stehen geblieben, der sich, all-
mählich abfallend, von dem Hause nach dem
Wasser hinunter erstreckte — und starrte mit son-
derbar gelabten Blicken hinaus auf die mächtige,
unendlich schwach phosphoreszierende Fläche da
draußen, die fern, in weiter Ferne dem Saum des
dunklen Himmels begegnete. Nun ja, dachte er,
wie schön ist es doch hier draußen; Nacht, es ist
Sommer, kein Wind rührt sich, in allen meinen
Poren kann ich spüren, wie gut es hier ist!
Fortsetzung folgt
..... hihihi———
Reflexionen eines
Armen im Geiste
Das Schönste ist mein Fenster. Ein weißes
Kreuz, das blendend gegen einen roten Himmel
steht. Ich erträume mir eine Stunde — eine selige
Gewißheit. — Meinen gelben Körper an diesem
weißen Kreuz, hoch getaucht in glühende Sonne.
Und Frieden um mich.
Und aus den roten Häusermassen unter mir
und über den gelben in der Ferne erhebt sich stolz
die Burg eines Glaubens — meines Glaubens. Den
Dunst betete ich an, wie ein Licht von DIR und
war doch längst erblindet vor dem Licht. Den
Frieden wünschte ich mir als eine Ruhe vor DIR,
die die Ruhe ist, Alles, was ich tat war irr —
nun ist ein irres Vergessen in mir.
Irgendwo wirft man Musik aus Fenstern, die
Noten wimmern durch meines Mondes Lied. Sie
springen in mich, — Hunde im Frühling, die auf
den Straßen Liebesspiele jagen. Ich fühle das an
der Glut, die in meinen Füßen ohnmächtig betteln
geht.
Klaviere stöhnen und Menschen prostituieren
sich.
Ich habe Hunger. Ich habe schon lange nichts
mehr gegessen. Aber ich entbehre nicht. Geld
könnte ich bald bekommen —■ mich prostituieren
und ich würde reich. Ich muß das lernen.
In einer halben Stunde ist „die Andere“ da.
DU brauchst nicht zu denken, daß sie DICH in mir
getötet hat. DU lebst in mir auch nach meinem
Tode und bist am größten in ihm. Wie Nacht-
violen stürzt dann DEINE Süße in mich. Der
Samowar summt. Er singt sein Liebeslied — das
jeden Abend gleich ist. — Wenn „Die Andere“
kommt — wir knien am Fenster, sie legt ihren
schwarzen Kurzkopf an meine gelbe Fieberbrust.
Wir singen dasselbe Lied von gestern, wir den-
ken dasselbe — husten zusammen und spucken
den gleichen Schleim. Wir sind uns ähnlich und
doch — fremd. Aber wenn DU jemals wieder-
kämest — der Samowar würde in Fisteltönen sin-
gen und sein gepreßtes Summlied totlegen. Die
WELT würde wieder und Blut gebären.
Li ist kein Name nur — durch meine Wünsche
bist DU Wesen. —
Wie Blei fällt das Ticken einer Zeit in mich, wie
spitze Silbernadeln in mein Hirn. Ihr lacht über
mich — ihr alle, ihr verachtet mich — weil ich
mein Alleinsein trage. Ich trage mein Alleinsein,
wie eine Mutter ihr Kind trägt, das sie gebären
wird, wenn die Zeit es für gut hält, so — so werde
auch ICH einst aus der Einsamkeit in mir geboren
werden.
— Es schellt.
Nun kommen Menschen. Die meinen mein
Alleinsein mitzutragen. Es ist „Die Andere“, DU.
Ich sehe ihre russische Stimme hart gegen die
Glasscheiben meiner Tür fallen.
Aber sie ist nicht allein. Was sollen die —
die Tür geht auf — „Menschen denn“, sage ich
laut.
„Menschen?“ fragt sie und wirft einen Strom
schmieriger Lachen aus ihrem Mund. „Men-
schen? — Wir sind keine Menschen! — Das sind
in der Entwicklung rückwärts schreitende Wesen,
wir aber sind . . . .“
Und nun sterbe ich in Stimmen!
Kurt Striepe
Die Neue Kunst im
Norden
Das Problem die Neue Kunst beschäftigt auefe
den Norden. Es wird viel darüber gesprochen und
geschrieben. In Kopenhagen sind bereits drei
Ausstellungen gezeigt. In Norwegen, in Kri-
stiania und Trondhjem, sind moderne deutsch©
Künstler gezeigt. Auch in Helsingfors (Finn-
land). In Schweden hingegen wurde bis
jetzt nur eine Graphikausstellung vom Schwedi-
schen Holzschnittverein in Stockholm angeordnet,
wo auch deutsche moderne Künstler beteiligt sind,
aber das ist alles. Umso merkwürdiger scheint
es, daß in Schweden über die moderne Kunst am
meisten geschrieben wird. Wer Schweden kennt,
wird nichts Eigentümliches darin finden: ma*
spricht und schreibt ganz gern über Sachen, die
man wenig kennt, man beurteilt gründlich ohne
gründliche Kenntnisse.
Der Kritiker August Brunius tritt stark für die
neue Kunst in verschiedenen Zeitungsaufsätzen ein.
Er hat jetzt ein Buch herausgegeben, in dem er
Stellung zu den modernen Richtungen nimmt.
Im großen ganzen ist das Buch gut.
Nur schade, daß August Brunius nicht ge*
nügend orientiert ist. In diesem Buch wird wissen-
schaftlich bewiesen, daß die neue Kunst eine un-
bedingte Notwendigkeit war. Dies ist durchaus
richtig. August Brunius bringt in seinem Buche
manche gute Ideen über das Prinzipielle, aber
wenn er zu den Beispielen kommt, stockt er wie
viele und man wundert sich über die Wider-
sprüche zwischen Gedanken und Beispielen. Aber
der größte Fehler dieses Buches über die neue
Kunst ist, daß August Brunius Deutschland voll-
ständig ausschaltet. Dafür wird Frankreich reich-
lich behandelt. Gewiß hat Frankreich außer-
ordentliche Maler, aber es ist ein gewaltiger Irr-
tum, wenn Brunius glaubt, daß Deutschland über-
gangen werden kann. Es war in Schweden immer
Usus, die Maler in Frankreich zu finden, alle
schwedischen Maler sollen in Frankreich „ausge-
bildet“ sein. In Schweden findet ein Maler, der
nicht in Paris studiert hat, schwer Anerkennung.
Ich glaubte diese Kindlichkeiten schon längst über-
wunden, jedenfalls von August Brunius. Ueber
Frankreich ist er sehr gut orientiert, über die
ganze Entwicklung von Cezanne bis Picasso.
Von Deutschland wird nur behauptet, daß die
Malerei nicht nach Deutschland gehört. Zum Bei-
spiel: „Auch in unsrer Zeit sind die besten Ar-
tisten Deutschlands die Bildhauer und die Zeich-
ner.“ Oder: „Die Formengeschwülste des Ba-
rocks scheinen der natürliche Ausdruck für deut-
sches Wesen.“ Oder: „Man denke an die unper-
sönliche schmierige Technik (Beispiel Corinth), die
die neuen deutschen Maler sich angeeignet haben.“
Ja, wenn man Corinth als einen der Neuen be-
trachtet, ist es verzeihlich, daß man nichts Ueber-
wältigendes in der neuen Kunst Deutschlands fin-
det. Aber unverzeihlich ist es, nicht besser zu
wissen, was sich hier regt, wenn man ein Buch
über die neue Kunst schreibt. Es ist wirklich nicht
so weit von Stockholm nach Deutschland. Und
Literatur über die wirklich große deutsche mo-
derne Bewegung gibt es genug, wenn man es nicht
für nötig hält, sich persönlich im Lande zu orien-
tieren. Wer über die neue Malerei schreibt, kann
nicht über Kandinsky, Marc, Macke, Mense, Ko-
koschka und viele andere hinwegsehen!
Außerdem finde ich es eine höchst eigentüm-
liche Behauptung, daß es in Deutschland nur
gute Bildhauer gibt. Ich kenne sie nicht. Gerade
das fehlt. So wird in Schweden gearbeitet. Man
206
vornüber, qualumfaßt —:
„Und nun die Künstler selbst,“ — murmelte
er, fast unhörbar, als rede er, mit einer letzten,
alles aufbietenden Anspannung, ausschließlich zu
diesem Verborgenen und Gehässigen tief drinnen
in ihm selber — „haben denn nicht diese Reich-
bedachten dafür auch ungeheure Verpflichtungen?!
Haben nicht diese von allem Begünstigten —
gerade so übermäßige und unerhörte Pflichten,
denen sie sich nie entziehen können?
Ist das nicht gerade die tiefe und gute Gerech-
tigkeit in den Forderungen, die alle die andern, zu
allen Zeiten, an das lichte Ich des Künstlers stellen,
daß er, allein von allen, in allem, was ihm auch
geschehen mag, unverändert fortfahren soll, einer
von diesen Brennenden und Reinen zu bleiben!
von diesen mit der stets unbefleckten Hand! von
diesen, aus deren bejahendem Wesen das Motiv
der All-Brüderlichkeit ungeschwächt ausströmt.
Tag für Tag, immer purpurfarbig schöner — der
ganzen Welt entgegen??!“ — Er schwieg, plötz-
lich schaudernd, in allen Fibern durchbebt von
einem Grauen und einer Sehnsucht, von ;einem
verzehrenden Schwindel — wandte sich darauf im
nächsten Augenblick mit einem Ruck der Tür
zu —:
„Sehen Sie da!“ — sagte er mit Anstrengung,
wiederum einem unerklärlichen Willen gehor-
chend, dort aus dem allertiefsten Innern, ein Lä-
cheln um seinen Mund zwingend, mit seinem ge-
schärften Sinnen Frau Brügges leisen Schritt schon
von weitem hörend —:
„Da kommt meine Haushälterin und sagt, daß
der Tee angerichtet ist!
Sagen Sie mir, Herr Professor —: wollen Sie
mir nicht die Freude machen, eine Tasse mit mir
zu trinken?“
_ IV
Morton hatte den Professor zum Tore hinaus-
begleitet, hatte ihm den Weg nach der nächsten
Haltestelle der Straßenbahn gezeigt und Abschied
von ihm genommen; er zog jetzt seine Uhr aus
der Westentasche, sah einen Augenblick grübelnd
darauf nieder und schritt dann schnell den breiten,
kiesbedeckten Gang entlang — der mit einem
Bogen an dem weißen Giebel der Villa vorüber-
ging und nach dem großen Garten dahinter führte.
Es war still, sternenklar und lau.
In der Durchsichtigkeit der Sommjernacht
standen die Bäume wunderbar weich in ihren Um-
rissen da, unbeweglich mit ihrem Laub in die Luft
aufragend, lautlos, schwarz. Hier und da wie in
feinen, unsichtbaren Streifen spürte man den
dünnen, kühlen Duft von frühen Rosen; zwischen
den Gebüschen schimmerten ihre blassen Kronen.
Vom Strande herauf hörte man, gleitend, rieselnd,
hin und wieder mit einem leisen Plätschern, die
kleinen, langsamen Wellen, die gegen das Ufer
schlugen.
Nun ja, dachte Glaß; er war mitten auf dem
tiefen Rasenplatz stehen geblieben, der sich, all-
mählich abfallend, von dem Hause nach dem
Wasser hinunter erstreckte — und starrte mit son-
derbar gelabten Blicken hinaus auf die mächtige,
unendlich schwach phosphoreszierende Fläche da
draußen, die fern, in weiter Ferne dem Saum des
dunklen Himmels begegnete. Nun ja, dachte er,
wie schön ist es doch hier draußen; Nacht, es ist
Sommer, kein Wind rührt sich, in allen meinen
Poren kann ich spüren, wie gut es hier ist!
Fortsetzung folgt
..... hihihi———
Reflexionen eines
Armen im Geiste
Das Schönste ist mein Fenster. Ein weißes
Kreuz, das blendend gegen einen roten Himmel
steht. Ich erträume mir eine Stunde — eine selige
Gewißheit. — Meinen gelben Körper an diesem
weißen Kreuz, hoch getaucht in glühende Sonne.
Und Frieden um mich.
Und aus den roten Häusermassen unter mir
und über den gelben in der Ferne erhebt sich stolz
die Burg eines Glaubens — meines Glaubens. Den
Dunst betete ich an, wie ein Licht von DIR und
war doch längst erblindet vor dem Licht. Den
Frieden wünschte ich mir als eine Ruhe vor DIR,
die die Ruhe ist, Alles, was ich tat war irr —
nun ist ein irres Vergessen in mir.
Irgendwo wirft man Musik aus Fenstern, die
Noten wimmern durch meines Mondes Lied. Sie
springen in mich, — Hunde im Frühling, die auf
den Straßen Liebesspiele jagen. Ich fühle das an
der Glut, die in meinen Füßen ohnmächtig betteln
geht.
Klaviere stöhnen und Menschen prostituieren
sich.
Ich habe Hunger. Ich habe schon lange nichts
mehr gegessen. Aber ich entbehre nicht. Geld
könnte ich bald bekommen —■ mich prostituieren
und ich würde reich. Ich muß das lernen.
In einer halben Stunde ist „die Andere“ da.
DU brauchst nicht zu denken, daß sie DICH in mir
getötet hat. DU lebst in mir auch nach meinem
Tode und bist am größten in ihm. Wie Nacht-
violen stürzt dann DEINE Süße in mich. Der
Samowar summt. Er singt sein Liebeslied — das
jeden Abend gleich ist. — Wenn „Die Andere“
kommt — wir knien am Fenster, sie legt ihren
schwarzen Kurzkopf an meine gelbe Fieberbrust.
Wir singen dasselbe Lied von gestern, wir den-
ken dasselbe — husten zusammen und spucken
den gleichen Schleim. Wir sind uns ähnlich und
doch — fremd. Aber wenn DU jemals wieder-
kämest — der Samowar würde in Fisteltönen sin-
gen und sein gepreßtes Summlied totlegen. Die
WELT würde wieder und Blut gebären.
Li ist kein Name nur — durch meine Wünsche
bist DU Wesen. —
Wie Blei fällt das Ticken einer Zeit in mich, wie
spitze Silbernadeln in mein Hirn. Ihr lacht über
mich — ihr alle, ihr verachtet mich — weil ich
mein Alleinsein trage. Ich trage mein Alleinsein,
wie eine Mutter ihr Kind trägt, das sie gebären
wird, wenn die Zeit es für gut hält, so — so werde
auch ICH einst aus der Einsamkeit in mir geboren
werden.
— Es schellt.
Nun kommen Menschen. Die meinen mein
Alleinsein mitzutragen. Es ist „Die Andere“, DU.
Ich sehe ihre russische Stimme hart gegen die
Glasscheiben meiner Tür fallen.
Aber sie ist nicht allein. Was sollen die —
die Tür geht auf — „Menschen denn“, sage ich
laut.
„Menschen?“ fragt sie und wirft einen Strom
schmieriger Lachen aus ihrem Mund. „Men-
schen? — Wir sind keine Menschen! — Das sind
in der Entwicklung rückwärts schreitende Wesen,
wir aber sind . . . .“
Und nun sterbe ich in Stimmen!
Kurt Striepe
Die Neue Kunst im
Norden
Das Problem die Neue Kunst beschäftigt auefe
den Norden. Es wird viel darüber gesprochen und
geschrieben. In Kopenhagen sind bereits drei
Ausstellungen gezeigt. In Norwegen, in Kri-
stiania und Trondhjem, sind moderne deutsch©
Künstler gezeigt. Auch in Helsingfors (Finn-
land). In Schweden hingegen wurde bis
jetzt nur eine Graphikausstellung vom Schwedi-
schen Holzschnittverein in Stockholm angeordnet,
wo auch deutsche moderne Künstler beteiligt sind,
aber das ist alles. Umso merkwürdiger scheint
es, daß in Schweden über die moderne Kunst am
meisten geschrieben wird. Wer Schweden kennt,
wird nichts Eigentümliches darin finden: ma*
spricht und schreibt ganz gern über Sachen, die
man wenig kennt, man beurteilt gründlich ohne
gründliche Kenntnisse.
Der Kritiker August Brunius tritt stark für die
neue Kunst in verschiedenen Zeitungsaufsätzen ein.
Er hat jetzt ein Buch herausgegeben, in dem er
Stellung zu den modernen Richtungen nimmt.
Im großen ganzen ist das Buch gut.
Nur schade, daß August Brunius nicht ge*
nügend orientiert ist. In diesem Buch wird wissen-
schaftlich bewiesen, daß die neue Kunst eine un-
bedingte Notwendigkeit war. Dies ist durchaus
richtig. August Brunius bringt in seinem Buche
manche gute Ideen über das Prinzipielle, aber
wenn er zu den Beispielen kommt, stockt er wie
viele und man wundert sich über die Wider-
sprüche zwischen Gedanken und Beispielen. Aber
der größte Fehler dieses Buches über die neue
Kunst ist, daß August Brunius Deutschland voll-
ständig ausschaltet. Dafür wird Frankreich reich-
lich behandelt. Gewiß hat Frankreich außer-
ordentliche Maler, aber es ist ein gewaltiger Irr-
tum, wenn Brunius glaubt, daß Deutschland über-
gangen werden kann. Es war in Schweden immer
Usus, die Maler in Frankreich zu finden, alle
schwedischen Maler sollen in Frankreich „ausge-
bildet“ sein. In Schweden findet ein Maler, der
nicht in Paris studiert hat, schwer Anerkennung.
Ich glaubte diese Kindlichkeiten schon längst über-
wunden, jedenfalls von August Brunius. Ueber
Frankreich ist er sehr gut orientiert, über die
ganze Entwicklung von Cezanne bis Picasso.
Von Deutschland wird nur behauptet, daß die
Malerei nicht nach Deutschland gehört. Zum Bei-
spiel: „Auch in unsrer Zeit sind die besten Ar-
tisten Deutschlands die Bildhauer und die Zeich-
ner.“ Oder: „Die Formengeschwülste des Ba-
rocks scheinen der natürliche Ausdruck für deut-
sches Wesen.“ Oder: „Man denke an die unper-
sönliche schmierige Technik (Beispiel Corinth), die
die neuen deutschen Maler sich angeeignet haben.“
Ja, wenn man Corinth als einen der Neuen be-
trachtet, ist es verzeihlich, daß man nichts Ueber-
wältigendes in der neuen Kunst Deutschlands fin-
det. Aber unverzeihlich ist es, nicht besser zu
wissen, was sich hier regt, wenn man ein Buch
über die neue Kunst schreibt. Es ist wirklich nicht
so weit von Stockholm nach Deutschland. Und
Literatur über die wirklich große deutsche mo-
derne Bewegung gibt es genug, wenn man es nicht
für nötig hält, sich persönlich im Lande zu orien-
tieren. Wer über die neue Malerei schreibt, kann
nicht über Kandinsky, Marc, Macke, Mense, Ko-
koschka und viele andere hinwegsehen!
Außerdem finde ich es eine höchst eigentüm-
liche Behauptung, daß es in Deutschland nur
gute Bildhauer gibt. Ich kenne sie nicht. Gerade
das fehlt. So wird in Schweden gearbeitet. Man
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