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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 4.1913-1914

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Nummer 194/195 (Zweites Januarheft)
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Babillotte, Arthur: Die Schwermut des Genießers, [18]: Roman
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Delaunay, Robert: Lettre Ouverte au Sturm
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Walden, Herwarth: Künstlerbekenntnisse
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https://doi.org/10.11588/diglit.27574#0170

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'vom Schauen; er hatte sie geschlossen und, da er
sie wieder Öffnete, waren sie erblindet; jetzt staun-
ten sie alle Herrlichkeiten seiner innern Welt an und
waren rein und hell und groß wie Kinderaugen.
Der Hochmut war die Kraft, die alles in ihm schuf
—: er war die Toteninsel und die Wüste, war der
Irrweg, war Anfang und Ende seines Schöpfer-
tums. Aber auch er hatte seinen Ursprung — dies
erkannte der Künstler. Er entsproß der unendlichen
Schwermut, die seine Genießernatur vertiefte und
veredelte.

... In dieser Erkenntnis stieg er die Stufen zur
Wohnung Mias hinan. Er fieberte dieser Stunde
entgegen. Er wußte, daß jetzt seine Kinderträume
"Wahrheit wurden; er wußte, daß jetzt die Mutter
vor ihm sitzen würde in der weichen Dämmerung
eines großen Saales. Er sah den alten Ebenholz-
flügel; sah die weitoffenen Fenster und hörte
draußen die verhallende Unruhe des Lebens. Und
als er eingelassen wurde, schlug ihm der weiche,
seltsame Duft eines Zimmers entgegen, durch das
viele Schicksale gewandelt waren.

Er hörte milde Töne aus einem Zimmer. Die
Zeit, da er gläubig und schlicht gewesen war,
nahm ihn wieder auf. Nach Monaten der Ruhe-
losigkeit, der suchenden Qual, des trostlosen
Irrens glaubte er wieder. Weich lag die Dämme-
rung in dem großen Zimmer. Ihm war, als müsse
er zu dem alten Flügel eilen, müsse den Ebenholz-
deckel öffnen und dann die Mutter an beiden Hän-
den durch das große Zimmer zu dem Instrument
geleiten. Jetzt spielt die Mutter schon; ihre alten
schwermütigen Weisen. Ihre weißen feinen Hände
schwebten in aristokratisch ruhiger Bewegung
über die Tasten, ihr weicher Mund lächelte in
seliger Müdigkeit, ihre Brust atmete langsam und
ruhig. Er war wieder Kind, glaubendes Kind.
Jetzt erlebte er die blaue Stunde wieder. In wun-
derbarer Reinheit lag sie um ihn her gebreitet,
umschmeichelte ihn, nahm ihn ganz in sich auf.
Alle Not war zuende, alle Häuslichkeit zerweht,
hoch und fröhlich blühte sein allliebender Egois-
mus. Das leise Sausen tiefer Wälder kam in das
Zimmer herein, alle Nähen und alle Fernen ver-
einigten sich und hoben zu tönen an: Und er wußte
wieder, daß alles Musik ist, daß er selbst nur Mu-
sik war ... Er ist wieder Kind und doch zugleich
wissender als alle Grübler und Weisen.

Die zarte Frau am Flügel spielte.

Ueberwältigt sank er in die Knie und schluchzte
:iw seliger Schwermut.

Ende des Romans

< Ml ..

Lettre Ou verte au Sturm

17 decembre 13

Mon eher Waiden!

Quant ä ecrire conune vous me le proposez
eti reponsc airx theories subversives dans le
Sturm 2me cahier de decembre je trouve cela en
dehors de mon art. J’ai un parfait mepris pour
ces sortes de querelles sur les mots et cet article
trop puerileracnt arrange.

Si ou le compare au texte d’Apollinaire dans
les Soirees de Paris N. 18 ou llt:

Delaunay qui par sou talent ct insistance a

>fait sien le terme de simultane qu 11 a emprunte
au vocabulaire des futuristes, merite qu’on i’ap-
peüe desormäis ainsl qu’il sigue: .Je Simultane“.

*) 4 ce propos des ccrits aux dates du 20 et 27 »o-
vembre 13 dlseot que le mot simultane mot tres anclee
fautqais n'a de quatttö pour mol qu’ea torme de rutHier
$es cootrasies stervyitaoa pti formt.

ler presentation des prismes sculpture Simul-
tane dont il expose 3 exemples

Cheval prisme

Soleil lune

Parisienne prisme electrique

Oiseau prisme du matin

L'idee 2) due a l’auteur avait ete communiquee
a Delaunay Gleizes Leger Duchamp Villon Mar-
cel Duchamp quelques mois avant l’exposition
Boccioni. II s’agissait d’organis une exposition de
sculpture nouvelle avant tout le monde. L’auteur
est heureux que quelqu'un l’ait enfin compris.

Parcontre dans l’article du Sturm date Milan
25 novembre 13 on lit:

Pour ma sculpture aussi Guillaume Apollinaire
constate dans le meine article (Soirdes de Paris)
la priorite de la simultaneite sculpturale.

Nous voyons avec plaisir se propager partout
l’influence de nos puissantes decouvertes surtout
en France.

Nous sornmes heureux de constater que notre
grand ami et allie Apollinaire l’audacieux poete
d’alcools nous rend entierement justice dans sa
belle revue dans le N. 19 Soirees de Paris Salon
d’automne. Suit on lit:

„II n’y a pas en France de peintre futuriste au
sens des manifestes publies a Milan.

J’en ai publie un qui n’etait pas specialement
futuriste exaltant differentes tentatives nouvelles et,
en le publiant, les futuristes ont simplement mon-
tre qu’ils tenaient a n’etre pas mis a l’ecart de
l’effort general de modernite, qui s’est manifeste
dans le monde entier, mais plus particulierement
en France.

Le futurisme n’est pas sans importance et ses
manifestes rediges en francais n’ont pas ete sans
influence sur la terminologie qu’on emploie au-
jourd’hui parmi les peintres les plus nouveatix.

Au point de vue artistique il est un temoignage
de l’action exercee dans le monde entier par la
peinture franqaise de l’impressionnisme au cu-
bisme inclusivement.

M*ais les futuristes n’ont trouve ici personne
pour les suivre et cette peinture du motivement
rapide est demeuree stationnaire ou eile est nee.“

La lecture de ces citations textuelles est si
suggestive que je laisse la parole a ceux qui par
des interets que j’ignore les ont ma! enterpretees.
Je n’ai rien ä repondre. Apollinaire a demande
a Cendrars une semäine avant !e Salon d’automne
de Paris les dates cles Oeuvres ayant rapport
avec le Siniultanisme en genüral pour les publier
a Paris comme eiles le seront a Berlin.

Recevez mon eher mes amitiees simultanees.

r delaunay

Diese Antwort konnte aus technischen Gründen erst
in dem vorliegenden Heft veröffentlicht werden. H. W.

2) dans les meines ecrits je rappelais ä Apollinaire
nos consultations qu’il eite plus haut ä propos de ses
idöes qui n’ont rien de commun avec ma sculpture
qu’il n'a pas encore vu.

Künstlerbekenntnisse

Herr Fritz Stahl wurde vom Berliner Tageblatt
dazu berufen, Maler und Dichter auszuwählen, die
vor den Lesern des Berliner Tageblatts etwas zu
bekennen hatten. Das liebe Weihnachtsfest ver-
setzt die Künstler in die rechte Stimmung, „Bei-
träge zur Psychologie der Kunst“ zu verschenken.

Namentlich dem guten Fritz Stahl, dieser mytholo-
gischen Figur, haben die Künstler recht aus der
Psyche gesprochen. Er fühlt sich ganz Amor: „Es
wäre wider den Takt, wenn sich jemand als Dol-
metsch oder gar als kritischer Erklärer zwischen
die sprechenden Künstler und die Leser stellen
wollte. Aber es mag erlaubt . . .“ Was ihm ge-
fällt. Jemand stellt sich sonst zwischen die bilden-
den Künstler und die Beschauer. Als Dolmetsch
oder gar als kritischer Erklärer. Sprechen macht
eben Spaß. Und sobald die Herren Künstler mit
Worten sprechen, wirkt es verständlicher, als
wenn Farben ihm nichts sagen. Herr Stahl fragt
also die Maler, welche „Dichter auf ihre Kunst ein-
gewirkt haben“ und die Dichter, „mit welchem
Maler sie sich in ihrem Schaffen verbunden füh-
len.“ Nun kann man ei!nen guten literarischen
Geschmack haben, wie Herr Baluschek, der nicht
weiß, was Malen heißt, oder einen ziemlich guten
malerischen Geschmack haben wie Herbert Eulen-
berg, der hinwiederum nicht dichten kann. Und
dieser jämmerliche Herr Georg Engel, der natur-
gemäß auch befragt wurde, hat „in den Werken
von ein paar hervorragenden zeitgenössi-
schen Malern gewissermaßen eine körper-
liche Erlösung aus Traumgefilden gefunden.“ Die
übrigen Zeitgenossen haben noch nie die englischen
Traumgefilde gefunden. Körperlich erlöst haben
ihn Böcklin „dieser bunteste Phantast“, die Brust-
wehr Liebermann und der Schutzwall Israels. An
diese Letzteren glaubt er. „Ich glaube, ge-
rade diese Letzteren werden allmählich für
jüngere Poeten Brustwehr und Schutzwall abge-
ben gegen eine verschwommene dunsthafte Ro-
mantik, die . , , kranken Marklosigkeit , , , zer-
brechlichen Fratzengestaltungen nicht mehr . . .
Beziehungen zu deutschen Volkstum aufweist.
Denn unser Volk arbeitet und ist dennoch und
trotz alledem gesund!“ Herr Engel hat sich hier
offenbar verschwommen. Wie gesund müßte die-
ser ältere Poet mit Hilfe von Brustwehr und
Schutzwall werden, wenn er das Arbeiten aufgäbe.
Faulheit stärkt die Glieder. Solche markigen
Aeußerungen dringen selbst einem Stahl in den
Busen und er bekennt: „So dient, was diese

Persönlichkeiten bekennen, unzweifelhaft
dazu, auf die eigentliche Wirkung der Kunst hin-
zuführen und gegenüber allem doktrinären Gerede
den Wert des Gefühles zu betonen.“ Wider den
Takt verdolmetscht er also. Stille, Kinder, die
Dichters reden. H. W.

Empfohlene Bücher

Die Schriftleitung behält sich Besprechung der hier
genannten Bücher vor. Die Aufführung bedeutet bereits
eine Empfehlung. Verleger erhalten hier nicht erwähnte
Bücher zurück, falls Rückporto beigefügt wurde.

Neu« Französische Malerei

Ausgewählt von H a n s A r p / Eingeleitet von
L. H. Neitzel

Verlag der Weißen Bücher / Leipzig

Herbert von Garvens-Garvensburg

James Ensor / Ein Hinweis mit dem vollständi-
gen Katalog seiner radierten Werke als Anhang
Hannover / Verlag Ludwig Ey

Handbuch der Kunstwissenschaft

Herausgegebeu von Dr. Fritz Burger / Soeben
erschienen: Lieferung 10 und 11 Burger:

Deutsche Malerei

Berlin-Neubabelsberg / Akademische Ver-
lagsgeseöschaft Athenaion MBH

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