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Zeitschrift für christliche Kunst — 2.1889

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Beissel, Stephan: Der Taufbrunnen des Domes zu Hildesheim
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https://doi.org/10.11588/diglit.3570#0222

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385

1800.

ZEITSCHRIFT KÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 12.

38G

Der Taufbrunnen des Domes zu Hildesheim.

Mit Abbildung.
ildesheini isl zwar reich an aller Art i) + Os mutans
von Kunstgegenständen, aber der j
Nähe des Harzes, worin der Berg- ]
bau seit dem X. Jahrhundert reiche

est • |i prudentt

Schätze zu Tage fördert, verdankt es doch den
Vorzug, so viele und so schöne Erzwerke des
Mittelalters zu besitzen, wie keine andere deutsche
Stadt. Die unter der Leitung des hl. Bernward
gegossenen Thürflügel des Domes, dessen eherne
Säule, die bald in den genannten Dom über-
tragen wird, dessen Leuchter sind bekannte
Beweise der hohen technischen Fertigkeit, zu
der sich die Giefskunst dort früh erhoben hatte.
Weitere wichtige Beweise liefern im benach-
barten Goslar der räthselhafte „Crodoaltar" und
der Kaiserstuhl zu Goslar, der 1166 errichtete
eherne Löwe auf dem Burgplatz zu Braunschweig
und die leider zerstörten, um das Jahr 1000 in
Korvei bei Höxter von einem Gottfried gefer-
tigten Gufswerke. Wohl das schönste Werk
dieser Art und Gegend ist der Taufbrunnen
der Hildesheimer Kathedrale. Er ist von Kratz
(„Der Dom zu Hildesheim", Hildesheim 1840,
S. 195 f.), im „Organ für christl. Kunst" 1862,
(S. 280 f.), bei Mithof („Kunstdenkmale im Han-
noverschen", Bd. 111 S. 105 f.) und bei Förster
(„Denkmale deutscher Bildnerei und Malerei",
Bd. IV Theil 2 S. 17 f.) freilich eingehend be-
schrieben worden. Trotzdem ist der Zusammen-

Phison

simulaius • (A)
+ Temperiem . Gcon • \\ terre • desi-

gnal • Malus . (B)
+ Est - velox . Tigris • || quo • fortis •

significatur . (C)
+ Brugifer . Eufrates • \\ est . justi-

tia ■ que • notaius ■ (D)

2) + Quatuor • irrorant ■ paradisi • flu-

mina • mundum . ■
+ Virtutes ■ que • rigant • totidem ■ cor ■

crimine • mundum .
+ Ora • prophetarum ■ quac • vaiici-

nata ■ fucrunt .
+ Hec • rata ■ scriptores • ewangelii ■

cecinerunt ■

3) + Mundaniur ■ inmunda • sacri . baptis-

matis ( • } unda ■ (I)
Sic . juste • /usus ■ sanguis . lajia-

chri . tenel • usus ■ (II)
Tost • lavat • attracta • lacrimis •

confessio • facta . (III)
Crimine • fcdatis • lavachrum • fit •
opus • pietatis • (IV)
Der Sinn dieser Inschriften und ihre Be-
ziehung zu den Bildwerken erhellt, sobald man
den Taufbrunnen betrachtet. Er ruht auf vier
männlichen Gestalten, von denen jede eine
Urne hält, aus der Wasser fliefst. Sie stellen die
vier Paradiesesflüsse dar, welche die Erde
befruchteten. Schon durch Gestalt und Kleidung

hang der einzelnen Gruppen und Figuren noch

nicht klar erkannt oder wenigstens nicht deutlich I sind sie als Sinnbilder der vier Haupttugenden

dargelegt worden. Derselbe ist aber so geistreich

und inhaltsvoll, dafs es sich der Mühe lohnt, ihn
nachzuweisen und der Nachahmung dringend
zu empfehlen.

Was die Gröfsenverhältnisse betrifft, so hat
a. das Fufsgestell. . . .0,40

1,05

0,75

1,80 m,

/>. das Becken .....0,65

c. der Deckel.....0,46

d. der Knauf......0,30

e. unterer Durchmesser 0,90 m,

f. oberer Durchmesser des Beckens 1,0:) m.
Es verhält sich also ungefähr a: b — 2:3; c: d
= 3 :2; b: e = 2:8 und [a + b): (c + d) = 4:3.

Drei Inschriften laufen um den unternti nd
obern Rand des Beckens und den Anfang des
Deckels. Jede besteht aus je vier Versen, die
Gesammtzahl derselben bietet die Grundidee zur
Erklärung aller Bildwerke. Sie lauten:

bezeichnet. A Phison ist eine kluge, bärtige,
gelockte Gestalt; B Geon unbärtig, fast nackt,
denn er trägt nur Schurz undHalstuch; CTigris
ist als tapferer Ritter in einen Kettenpanzer ge-
kleidet und hält sein blankes Schwert empor
D Euphrat erscheint unbärtig aber bekleidet.
Hinter den Köpfen der personificirten Flüsse
sind in kleinen Kreisen vier, durch sie charak-
terisirte Tugenden in Brustbildern angebracht.
Hinter A zeigt die durch eine Inschrift bezeich-
nete „Prudentia" mit der Rechten das offene
Buch, aus dem sie schöpfte; eine Schlange in
ihrer Linken, mahnt an Christi Worte: „Seid
klug wie die Schlangen", die auf dem sie um-
gebenden Schriftband stehen: Estole . pru-
dentes - sicul ■ scrpcntcs . (Matth. 10. 16.)
Ueber B bezeichnet das Wort „Temperantia"
..Mäfsigkeit" die Bedeutung der im Brustbilde
 
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