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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 40.1929

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Hardenberg, Kuno Ferdinand von: Gedanken über Tradition
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https://doi.org/10.11588/diglit.10701#0221

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INNEN-DEKORATION

199

PROFESSOR Dr. HEINRICH STRAUMER-BERLIN BÜCHEREI IM HERRENZIMMER. HAUS SZ.

GEDANKEN ÜBER TRADITION

Es ist etwas Schönes um den unsichtbaren Gei-
stesschatz guter, bewährter Traditionen.
Sie bilden gewissermaßen den Canevas, auf den
das Leben seine bunten Bilder sticken kann. Sie
sind zweckmäßig und ganz gewiß nicht ohne
Grund der Schöpfung eingereiht. Wie angenehm
sind die Traditionen über richtige Kleidung, über
Lebens-Einteilung; wie bedeutsam die wissen-
schaftlichen, künstlerischen und handwerklichen
Traditionen! . Wie zeitraubend, wie verkehrs-
störend dagegen wirkt jeder traditionslose Kaspar
Hauser, der die Kulturgeschichte in jedem Augen-
blick »von vorne anzufangen« genötigt ist. .

*

Der Unterschied zwischen deutschen und angel-
sächsischen Traditions-Charakteren liegt vielleicht
in Folgendem: Wenn der Engländer sagt: man
tut das nicht oder man tut das, — so ist das ein
»Sela«, dem nichts hinzuzufügen ist. . Wenn der
Deutsche sagt: man tut das nicht, so fühlt er sich
nach seiner gründlicheren, schwereren Lebensart
wohl verpflichtet, zum mindesten hinzuzusetzen:
»Mein Vater hätte das auch nicht getan«, oder

»Es entspricht nicht unserer Sitte oder es ent-
spricht nicht unserem Stande«. Eine für uns charak-
teristische Autoritäts-Anrufung als Begründung. .
Der verkehrstechnische Vorzug der angelsäch-
sischen Tradition liegt darin, daß sie alle weiteren
Diskussionen ausschließt. Der Nachteil der deut-
schen ist, daß sie mit der Motivierung der überall
wachen Skepsis Gelegenheit zum Einhaken ge-
währt. Es entwickelt sich daraus naturgemäß leicht
das alte deutsche Spiel zwischen dem Impuls-Men-
schen Faust und dem Zweifelteufel Mephisto. .
In dem englisch-amerikanischen Traditions-Begriff
liegt ferner auch noch eine Verpflichtung zum Hu-
mor, die sehr schätzenswert ist. Ein Vorzug der
deutschen Artung ist, daß sie das Leben reicher
und vielgestaltiger bedingt, indem sie der unbe-
wußten Tradition das Leben schwerer macht, sie
dadurch stärkt und schließlich aus dem Unbe-
wußten zur vollen Sinnes-Erfassung bringt. . . .



Auf meinen Reisen in den verschiedenen euro-
päischen Kultur-Ländern und in Indien, China,
Japan, Amerika lernte ich die Wohn - Tradition

im. v. i.
 
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