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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 40.1929

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Ewald, Oskar: Das Streben nach Synthese
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https://doi.org/10.11588/diglit.10701#0373

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INNEN-DEKORATION

351

otto kerzen-
f1rle— wand-
berlin leuchter

DAS STREBEN NACH SYNTHESE

Der Europäer ist der Mensch der Synthese.
Jedenfalls der zur Synthese Berufene, der
diese Berufung nicht allein schicksalshaft oder als
geistige Sendung empfängt, sondern sie gewisser-
maßen schon im Blute trägt. Er ist nicht so ganz
an den beweglichen Augenblick hingegeben, wie
der traditionslose Amerikaner, dieser reine
Aktivist und Gegenwartsmensch; aber er erstarrt
auch nicht in der Tradition oder versinkt zeitlos in
den Urgrund der Ewigkeit, wie der Orientale.

*

Der Europäer hat vielmehr die Bestimmung,
das Gewesene mit dem Werdenden, die Vergangen-
heit mit der Zukunft, das Alte mit dem Neuen,
die Ewigkeit mit der Zeit sinnvoll und leben-
dig zu verbinden. Darum ist er in beson-
derem Maße Träger der Weltgeschichte. Denn
Geschichte als ein geschichtetes, gestaltetes, sinn-
durchwirktes Geschehen entsteht weder dort, wo
die Last der Überlieferung, noch wo die Kraft der
Erneuerung die alleinherrschende ist. Sie ist ein
Phänomen des »Gleichgewichtes« zwischen
den Mächten der Beharrung und der Schöpfung,

zwischen den konservierenden und revolutionie-
renden Energien; sie setzt ein tiefes Durchdringen
des Zeitlichen und zugleich auch die Erhebung
über dasselbe, die Befreiung von ihm voraus. .



Wie zur Zeit, so verhält sich der Europäer
auch zum Räume und dem ihn erfüllenden Stoffe.
Das befähigtihn zuseiner außerordentlichen Natur-
erkenntnis und -beherrschung, zu seinen Entdeck-
ungen und Erfindungen, zur Wissenschaft und
Technik, zum Aufbau seiner ganzen materiellen
Zivilisation und seiner Kultur. So ringt der euro-
päische Mensch in seinen mannigfachen Gestal-
ten auch nach der Synthese des Schaffens und des
Schauens, der Arbeit und der Muße, des Dyna-
mismus und des Quietismus; nach der Synthese
des individuellen und des persönlichen Lebens. .



Der Europäer ist der Anlage nach befähigt und
genötigt, den charakterhaften u. den gemüthaften
Typus, die scharfkantige Prägung des amerikani-
schen u. die Gelöstheit des orientalischen Menschen
in sich zu verbinden. . . oskar ewald (m »paneuropa«)-
 
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