die geschichtliche verwandlung
über die entwicklung in baukunst und handwerk
Iq allem Alten liegt ein Stück ewiger Wahrheit.
Das gibt dem Alten, dem Bestehenden sein
Gewicht. So oft eine Zeit sich wendet und nach
wichtigen Bezügen in die »Erneuerung« geht,
erhebt sich dieser Bestandteil ewiger Wahrheit im
Alten und tritt dem Werdenden, dem Neuen
entgegen. Das Werdende erscheint dann vor
dem Richterstuhl dieser ewigen, im Alten fest-
gewordenen Wahrheit als Irrtum, als Vermessen-
heit, als Abenteuer. Schon weil es etwas »auflöst«,
was auf seine Weise recht und wahr gewesen ist.
★
Aber sofort stellt sich zu diesem Gedankengang
eine zweite, vorantreibende Erwägung. Was das
Bestehende »auflöst«, ist niemals die blanke Anar-
chie, sondern eine ne u e, ins Leben hereindrängende
Gestalt. Und das heißt: eine neue Gestalt der
ewigen Wahrheit. In der Sprache Hölderlins, des
ersten Geschichtsdenkers der modernen Welt: das
»Mögliche, welches in die Wirklichkeit tritt, indem
die Wirklichkeit sich auflöst« — dies ist es, was
stets die Veränderungen bewirkt; und dieses Mög-
liche lebt immer aus dem »Unerschöpften und Un-
erschöpflichen der Beziehungen und der Kräfte«. .
*
Das heißt: was als ewige Wahrheit im Alten
erscheint, ist ausnahmslos immer zeitgebundene
Gestaltder ewigen Wahrheit, und eben als Gestalt,
als geleistete, zeitbedingte Form ist es dem Ver-
alten ausgesetzt. Gerade das »Wahre« kann nicht
aus seiner Gestalt, d. h. aus seiner Zeit herausge-
hoben und einem Werdenden als Hemmnis entge-
gengesetzt werden: es wird bei diesem Heraus-
heben notwendig falsch, es wird zur Unwahrheit.
Auf Schritt und Tritt wird diese Erfahrung
z. B. vom Erzieher gemacht, der als festge-
wordener Mensch mit werdenden Menschen zu
tun hat. Was für ihn Wahrheit ist, Lebensgesetz,
erprobte, gewisse Norm, — das fällt beim Lernen-
den notwendigerweise in fremde Zusammenhänge
und wird dadurch fraglich in seinem Wert. . Das
Gleiche spielt sich überall da ab, wo die Zeit sich
katastrophal wendet, wo ein Altes verlassen wird
und die unerschöpflichen Beziehungen und Kräfte
eine neue Fügung eingehen wollen. Da geschieht
»Verjüngung«; und Verjüngung heißt: ein anderes
Grundgesetz, eine andere Wahrheit, eine an-
dere Seite der ewigen Wahrheit. Und einer sol-
chen Verjüngung kann man nicht alte Wahrheit
in alter, unverwandelter Gestalt entgegensetzen. .
Wir hören jetzt bei den tiefgreifenden Wand-
lungen in der Baukunst und in den Gewerben
häufig die Stimme alter, unverwandelter Wahr-
heiten sich erheben. Die Wandlung geht »gegen
die Seele«, sagen sie. Und es ist gewiß, daß die
Wandlung gegen die bisherige Seelen-Struktur
geht. Ein Stück ewiger Wahrheit liegt in dieser
Warnung: der Mensch kann nicht auf die Dauer
gegen die Seele leben. . Und doch ist diese
Warnung, weil aus alter Welt stammend, falsch.
Denn sie übersieht, daß die in Rede stehende
Wandlung auf eine neue Gestalt der Dinge zielt,
auf eine »neue Welt«, in der die Seelenkräfte an
neuem Material, auf neue Weise ihre ewigen Funk-
tionen wieder antreten wollen. . Beim Aufkommen
des modernen Flug-Sports ist die Warnung laut
geworden, die sich schon beim Auftreten der
Dampfmaschine, früher bei der Entstehung der
modernen Wissenschaft, am frühesten beim Turm-
bau zu Babel hören ließ: der Mensch überschreite
sein Maß, er begehe Vermessenes, er verlasse
endgültig die Ordnung, die ihm zu bewahren ge-
boten sei, bei Strafe am Leben. . Aber immer
haben sich diese Warnungen, — weil aus alter
Welt stammend, — als falsch erwiesen! Der
Mensch fand immer seine Stelle in der großen
Schöpfungs-Ordnung wieder.............
★
Es ist das große Geheimnis aller geschichtlichen
Verwandlungen, daß sie stets ganze Arbeit machen
und jede Veränderung immer wieder auf das ewige
menschliche Maß bringen. Sie stellen den Men-
schen niemals auf die Dauer unter spezifisch un-
menschliche Lebensbedingungen. Scheinen sie
uns im ersten Augenblick Unersetzliches und Le-
bensnotwendiges zu rauben, so finden wir uns, —
ehe wir uns dessen versehen, — selbst so weit
»umgebildet«, daß wir das Verlorene als
etwas bloß Zuständliches und höchst Mittel-
bares erkennen, an dem zu haften dem leben-
digen Menschen verboten ist. . . . wilhelm michel.
★
WIRTSCHAFT dient: Technik zu entfalten.
Wirtschaft und Technik sind in der Erschei-
nung verflochten. Doch ihr Wesen ist verschieden.
Wirtschafts-Interesse und Wirtschaftsbedarf ver-
anlassen die Technik: »Ware« zu erzeugen. . Von
ihrer eigenen Natur her ist die Technik die Freundin
des Menschengeschlechtes. Im Geist der Technik
ist Ware: dargeboteneMenschenhilf e.. Wenn
die Menschen einsehen werden, welche Flut von
Treue, Sorge, Opfer, Menschendienst auf sie ein-
strömt, dann werden sie in den »Dienern der
Technik« etwas anderes sehen als die Bereiter von
»Ware«. . Die Ahnung wird dem Einzelnen auf-
gehen, daß er nicht allein ist, daß Tausende »für
ihn schaffen«, und daß die Wirtschaft Mittel ist,
um diese Verbundenheit der Menschen im Aus-
tausch sachlicher Hilfe zu fördern, friedr. dessauer.
über die entwicklung in baukunst und handwerk
Iq allem Alten liegt ein Stück ewiger Wahrheit.
Das gibt dem Alten, dem Bestehenden sein
Gewicht. So oft eine Zeit sich wendet und nach
wichtigen Bezügen in die »Erneuerung« geht,
erhebt sich dieser Bestandteil ewiger Wahrheit im
Alten und tritt dem Werdenden, dem Neuen
entgegen. Das Werdende erscheint dann vor
dem Richterstuhl dieser ewigen, im Alten fest-
gewordenen Wahrheit als Irrtum, als Vermessen-
heit, als Abenteuer. Schon weil es etwas »auflöst«,
was auf seine Weise recht und wahr gewesen ist.
★
Aber sofort stellt sich zu diesem Gedankengang
eine zweite, vorantreibende Erwägung. Was das
Bestehende »auflöst«, ist niemals die blanke Anar-
chie, sondern eine ne u e, ins Leben hereindrängende
Gestalt. Und das heißt: eine neue Gestalt der
ewigen Wahrheit. In der Sprache Hölderlins, des
ersten Geschichtsdenkers der modernen Welt: das
»Mögliche, welches in die Wirklichkeit tritt, indem
die Wirklichkeit sich auflöst« — dies ist es, was
stets die Veränderungen bewirkt; und dieses Mög-
liche lebt immer aus dem »Unerschöpften und Un-
erschöpflichen der Beziehungen und der Kräfte«. .
*
Das heißt: was als ewige Wahrheit im Alten
erscheint, ist ausnahmslos immer zeitgebundene
Gestaltder ewigen Wahrheit, und eben als Gestalt,
als geleistete, zeitbedingte Form ist es dem Ver-
alten ausgesetzt. Gerade das »Wahre« kann nicht
aus seiner Gestalt, d. h. aus seiner Zeit herausge-
hoben und einem Werdenden als Hemmnis entge-
gengesetzt werden: es wird bei diesem Heraus-
heben notwendig falsch, es wird zur Unwahrheit.
Auf Schritt und Tritt wird diese Erfahrung
z. B. vom Erzieher gemacht, der als festge-
wordener Mensch mit werdenden Menschen zu
tun hat. Was für ihn Wahrheit ist, Lebensgesetz,
erprobte, gewisse Norm, — das fällt beim Lernen-
den notwendigerweise in fremde Zusammenhänge
und wird dadurch fraglich in seinem Wert. . Das
Gleiche spielt sich überall da ab, wo die Zeit sich
katastrophal wendet, wo ein Altes verlassen wird
und die unerschöpflichen Beziehungen und Kräfte
eine neue Fügung eingehen wollen. Da geschieht
»Verjüngung«; und Verjüngung heißt: ein anderes
Grundgesetz, eine andere Wahrheit, eine an-
dere Seite der ewigen Wahrheit. Und einer sol-
chen Verjüngung kann man nicht alte Wahrheit
in alter, unverwandelter Gestalt entgegensetzen. .
Wir hören jetzt bei den tiefgreifenden Wand-
lungen in der Baukunst und in den Gewerben
häufig die Stimme alter, unverwandelter Wahr-
heiten sich erheben. Die Wandlung geht »gegen
die Seele«, sagen sie. Und es ist gewiß, daß die
Wandlung gegen die bisherige Seelen-Struktur
geht. Ein Stück ewiger Wahrheit liegt in dieser
Warnung: der Mensch kann nicht auf die Dauer
gegen die Seele leben. . Und doch ist diese
Warnung, weil aus alter Welt stammend, falsch.
Denn sie übersieht, daß die in Rede stehende
Wandlung auf eine neue Gestalt der Dinge zielt,
auf eine »neue Welt«, in der die Seelenkräfte an
neuem Material, auf neue Weise ihre ewigen Funk-
tionen wieder antreten wollen. . Beim Aufkommen
des modernen Flug-Sports ist die Warnung laut
geworden, die sich schon beim Auftreten der
Dampfmaschine, früher bei der Entstehung der
modernen Wissenschaft, am frühesten beim Turm-
bau zu Babel hören ließ: der Mensch überschreite
sein Maß, er begehe Vermessenes, er verlasse
endgültig die Ordnung, die ihm zu bewahren ge-
boten sei, bei Strafe am Leben. . Aber immer
haben sich diese Warnungen, — weil aus alter
Welt stammend, — als falsch erwiesen! Der
Mensch fand immer seine Stelle in der großen
Schöpfungs-Ordnung wieder.............
★
Es ist das große Geheimnis aller geschichtlichen
Verwandlungen, daß sie stets ganze Arbeit machen
und jede Veränderung immer wieder auf das ewige
menschliche Maß bringen. Sie stellen den Men-
schen niemals auf die Dauer unter spezifisch un-
menschliche Lebensbedingungen. Scheinen sie
uns im ersten Augenblick Unersetzliches und Le-
bensnotwendiges zu rauben, so finden wir uns, —
ehe wir uns dessen versehen, — selbst so weit
»umgebildet«, daß wir das Verlorene als
etwas bloß Zuständliches und höchst Mittel-
bares erkennen, an dem zu haften dem leben-
digen Menschen verboten ist. . . . wilhelm michel.
★
WIRTSCHAFT dient: Technik zu entfalten.
Wirtschaft und Technik sind in der Erschei-
nung verflochten. Doch ihr Wesen ist verschieden.
Wirtschafts-Interesse und Wirtschaftsbedarf ver-
anlassen die Technik: »Ware« zu erzeugen. . Von
ihrer eigenen Natur her ist die Technik die Freundin
des Menschengeschlechtes. Im Geist der Technik
ist Ware: dargeboteneMenschenhilf e.. Wenn
die Menschen einsehen werden, welche Flut von
Treue, Sorge, Opfer, Menschendienst auf sie ein-
strömt, dann werden sie in den »Dienern der
Technik« etwas anderes sehen als die Bereiter von
»Ware«. . Die Ahnung wird dem Einzelnen auf-
gehen, daß er nicht allein ist, daß Tausende »für
ihn schaffen«, und daß die Wirtschaft Mittel ist,
um diese Verbundenheit der Menschen im Aus-
tausch sachlicher Hilfe zu fördern, friedr. dessauer.