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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 40.1929

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Fischer, Theodor: Neue Form-Werdung
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https://doi.org/10.11588/diglit.10701#0079

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INNEN-DEKO RATION

57

NEUE FORM-WERDUNG

Die Maschine als Sinnbild der Zeit zu sehen,
sind wir mit Widerstreben gewöhnt worden.
Das ist aber eine üble Einstellung, denn die Ma-
schine kann immer nur Mittel, nie ein Ziel
sein. Wie? Oder soll kein Unterschied mehr sein
zwischen dem Blasebalg-Treter und dem
Manne am Orgel-Spieltisch, Johann Sebastian?

Was ist denn die »technische Form«, wie ent-
steht sie? Lange ist sie gleichgültig, heute noch
den meisten. Ein hohes Maß an Zweckerfüllung
und Wirtschaftlichkeit kann in jedem Fall erreicht
werden, — es ist noch nicht das Letzte. . Eine
Maschine naht sich in ihrer Entwicklung der wis-
senschaftlich festgelegten Höchstleistung, und siehe
diese letzten Handgriffe ergeben plötzlich eine
»Form«, die als Form für sich empfunden wird, und
man begreift, daß die gute Form nicht möglich
war ohne die technische Vollendung. . Zu diesen
Zielen treibt den Menschen eine Kraft, die außer
seinem Willen liegt, ähnlich der Kraft, die der
Pflanze, dem Kristall und ihm selbst die Form
gibt. Wir haben uns in Ehrfurcht vor ihr zu beugen.

Es ist zweiundvierzig Jahre her, daß ich als
junger Mensch in Berlin Du Bois Reymond in der
Vorlesung sagen hörte: wir seien in ein »tech-
nisch-intuitives Zeitalter« eingetreten. Das
überraschte uns damals; wir wehrten uns als Ab-
kömmlinge eines geistigen, humanistischen Zeit-
alters dagegen. Heute sind wir, täusche ich mich
nicht, so weit, daß wir zu dem technischen Zeit-
alter ja sagen können, — heute, wo dies Zeitalter
beginnt, seine Form zu bilden.........

Die Meinung, daß der »Form-Wille« das
wesentlich Treibende in der Stilbildung sei, scheint
mir ein Irrtum zu sein. Wenn der Formwille führt,
handelt es sich nicht um Stil, sondern um »Mode«.
Das scheint mir der Unterschied zwischen den
beiden zu sein, — wonach man allerdings mit dem
Worte »Stil« sehr viel sparsamer werden müßte.

Stil wird immer nur aus der Notwendigkeit
geboren, getrieben von der Technik, der Wirt-
schaft. Und dann ist es wohl die Art des Menschen,
daß er die Unterordnung unter den Zwang der
Dinge gern seinen »Willen« nennt.. theodor fischer.

1929. l 7.
 
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