Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 40.1929
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https://doi.org/10.11588/diglit.10701#0057
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Ritter, Heinrich: Der neue Wohnraum und die Kunst
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INNEN-DEKORATION
35
ARCHITEKT AUGUST KEUNE-HALLE KAMINWAND IN EINEM WOHNRAUM
DER NEUE WOHNRAUM UND DIE KUNST
Die ersten Programme der »sachlichen« Bau- das ihr nicht günstig ist. Freilich müßte dies hin-
weise grenzten sich gegen die Welt der Kunst genommen werden, wenn die Meinung von der
mit einer unterstrichenen Vorsicht ab. Und was wir Kunstfeindlichkeit des neuen Innenraums zu Recht
mittlerweile an praktischen Verwirklichungen des bestünde. Aber gerade das ist nicht der Fall, und
sachlichen Wohnraumes gesehen haben, verhielt darum scheint ein aufklärendes Wort angebracht,
sich tatsächlich zur Kunst mit betonter Kühle. Nicht *
nur wurde — wie sich von selbst versteht — der Wie liegen denn die Dinge? — Die neue Bau-
ornamentale Schmuck an Mobiliar und Innenarchi- weise sucht aus Gründen, die wahrlich nichts mit
tektur abgelehnt, sondern es wurde auch das Kunst- Willkür und privatem Belieben zu tun haben, einen
werk als Mitbewohner des Raumes gemieden. Die Weg zur Haus- und Raumform, der weitgehend
Wände zeigten fast nie ein Gemälde oder einen mit dem der rein technischen Gestaltung zusam-
Stich; auch Werke der Plastik fanden in diese menfällt. Unausbleiblich entwickelt sie dabei den
Räume keinen Einlaß. Und schon hat dies dazu- Eindruck einer gewissen Kälte gegen die Kunst,
geführt, daß mancherorts dem neuen Wohnraum Sie sucht ja gerade ein Feld zu gewinnen, welches
eine grundsätzliche und ganz generelle »Kunst- bisher der Kunst (oder was man dafür hielt) ge-
feindlichkeit« nachgesagt wird. So erhebt sich die hörte. Sie hat den Auftrag, festzustellen, ob nicht
Gefahr, daß eine gute, mindestens hochwichtige auf dem Gebiet der Haus- und Raumform heute
Sache in den Schatten eines Vorurteils gerät, die technische Gestaltungsweise ein wichtigeres
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ARCHITEKT AUGUST KEUNE-HALLE KAMINWAND IN EINEM WOHNRAUM
DER NEUE WOHNRAUM UND DIE KUNST
Die ersten Programme der »sachlichen« Bau- das ihr nicht günstig ist. Freilich müßte dies hin-
weise grenzten sich gegen die Welt der Kunst genommen werden, wenn die Meinung von der
mit einer unterstrichenen Vorsicht ab. Und was wir Kunstfeindlichkeit des neuen Innenraums zu Recht
mittlerweile an praktischen Verwirklichungen des bestünde. Aber gerade das ist nicht der Fall, und
sachlichen Wohnraumes gesehen haben, verhielt darum scheint ein aufklärendes Wort angebracht,
sich tatsächlich zur Kunst mit betonter Kühle. Nicht *
nur wurde — wie sich von selbst versteht — der Wie liegen denn die Dinge? — Die neue Bau-
ornamentale Schmuck an Mobiliar und Innenarchi- weise sucht aus Gründen, die wahrlich nichts mit
tektur abgelehnt, sondern es wurde auch das Kunst- Willkür und privatem Belieben zu tun haben, einen
werk als Mitbewohner des Raumes gemieden. Die Weg zur Haus- und Raumform, der weitgehend
Wände zeigten fast nie ein Gemälde oder einen mit dem der rein technischen Gestaltung zusam-
Stich; auch Werke der Plastik fanden in diese menfällt. Unausbleiblich entwickelt sie dabei den
Räume keinen Einlaß. Und schon hat dies dazu- Eindruck einer gewissen Kälte gegen die Kunst,
geführt, daß mancherorts dem neuen Wohnraum Sie sucht ja gerade ein Feld zu gewinnen, welches
eine grundsätzliche und ganz generelle »Kunst- bisher der Kunst (oder was man dafür hielt) ge-
feindlichkeit« nachgesagt wird. So erhebt sich die hörte. Sie hat den Auftrag, festzustellen, ob nicht
Gefahr, daß eine gute, mindestens hochwichtige auf dem Gebiet der Haus- und Raumform heute
Sache in den Schatten eines Vorurteils gerät, die technische Gestaltungsweise ein wichtigeres