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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 40.1929

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Vloten, Willem van: Gedanken über den Geschmack
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https://doi.org/10.11588/diglit.10701#0121

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INNEN-DEKO RATION

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prof. e. fahrenkamp - düsseldorf sofa wand in einem wohnraum

GEDANKEN ÜBER DEN GESCHMACK

Das Genie ist das Aktivste vom Aktiven; der letzte Verfeinerung des Mitgefühls. . Freilich auch

Geschmack dagegen ist passiver Natur, ein Mensch von Geschmack nimmt Rücksicht auf

sein Urteil ist die Rückwirkung auf einen äußeren fremdes Empfinden. Er ist taktvoll aus ästhe-

Reiz. . Besonders begabte Nerven jedoch sagen tischen Gründen, — aus Geschmack........

nicht bloß ah! oder au! vor einem Stück Zivili- Napoleon mag wohl Recht haben: die allge-

sations-Welt, die fühlen auch heraus, warum ihnen meine Pflege des Geschmackes liegt weniger im

etwas gefällt oder nicht gefällt. Dieser schöp- Interesse der »Wölfe« als der »Lämmer«. Besser

ferisch gewordene Sinn für das ästhetisch Zusam- als die Starken fahren die Schwachen, wenn nur

mengehörige ist dem produktiven Zweckmäßig- das »Gefällige« erlaubt ist. . Noch immer, seit die

keits-Sinn nahe verwandt. . Das Geschmack- Erde rund ist, hatte der Starke unabhängig und

volle ist das ästhetisch Zweckmäßige. . . selbstbewußt sein eigenes Urteil. Der Schwache

Auch die »Kaprize« ist ein Stück Leben, auch aber, ohne festen Stand und inneren Halt, der

sie gehört zu den gegebenen Umständen, denen hatte das Urteil der Anderen............

sich das Geschmackvolle anzupassen hat. Das Die Frau hat alles Interesse daran, das Ansehen
Geschmackvolle von Heute ist das Geschmacklose des Geschmackes möglichst gesteigert und ver-
von Morgen. Es gibt wohl im Künstlerischen ein allgemeinert zu sehen; sein höherer Kurs kommt
Klassisch-Schönes und im Praktischen ein Klas- ja lediglich ihr zugute. . Der gute Geschmack ge-
sisch- Nützliches, — jedoch im Mondänen ein hört zur Ausstattung der Frau. Er ist ein Toilette-
Klassisch-Geschmackvolles gibt es nicht...... Mittelgroßen Stils. Als solches hat er seinen Platz

»Taktlos« und »geschmacklos« werden oft mit im Kultur-Haushalt...................

einander verwechselt, obschon sie sich im Inner- Der ursprünglich bloß anempfundene gute Ge-
sten fernstehen. Der Geschmack hat es mit dem schmack wird persönlich erweitert und ver-
teuren Ich zu tun, er ist ein verfeinerter Egoismus edelt. . Zu immer höheren Ansprüchen sich
der Sinne. Aus jedem Zusammenklang von Ich steigernd, wächst er vielleicht über sich selbst
und Welt sucht er ein Höchstes vun Nervenbehagen hinaus, — wird er sich für die gereinigte künst-
oder wohliger Nervenanregung zu erbeuten. Der lerische Qualität interessieren. . willem van vloten.

Takt dagegen bezieht Sich aufs Du. Er ist die (aus willem van vloten: »vom geschmack«. dklphin-vhrlag — München 1928.)
 
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