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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 40.1929

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Schürer, Oskar: Der Zustand des Gleichgewichts
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https://doi.org/10.11588/diglit.10701#0405

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I

architekt walther sobotka-wien schreibtisch im wohnzimmer j. f.-wien

DER ZUSTAND DES GLEICHGEWICHTS

n »Wilhelm Meisters Wanderjahren« berichtet heute unter den Schlagwörtern: »Kunst und Tech-
Goethe einmal von der sozialen Katastrophe, nik«, »Kunst und Handwerk«, »Technik und Hand-
die das erste Aufkommen der Maschine für die werk« so aktuell geworden sind, finden in diesen
Manufaktur einer gewerbefleißigen Gegend be- wohlüberlegten Worten eine Antwort, d. h. ein
deutet. Unter seiner Schilderung sieht man eine möglicher »Balance-Zustand« zwischen den
Kluft sich öffnen, die keine Bemühung, der Ent- in Frage stehenden Polen wird angedeutet, der
wicklung entgegen, zu schließen im Stande sein nach beiden Seiten hin fruchtbar werden kann,
wird. Aber im gleichen Buche finden wir auch Grundlage dieses Ausgleichs ist: die vorzüg-
Worte, die wir aus größerem Zusammenhang hier- liehe Arbeit. Von ihr aus, — sei sie nun »tech-
her setzen wollen: ». . . wie Kunst und Tech- nisch«, d. h. hier industriell gefertigt, oder
nik sich immer gleichsam die Wage halten »handwerksmäßig« hergestellt, — zielen die
und so nah verwandt immer eine zu der andern freien Formkräfte naturnotwendig in die künst-
sich hinneigt, so daß die Kunst nicht sinken kann, lerische Gestalt. . Und umgekehrt: ist Küest-
öhne in löbliches Handwerk überzugehen, das lerisches erstrebt, aber nicht erreicht, so verbleibt
Handwerk sich nicht steigern kann, ohne auf dieser Grundlage immer noch der arbeitstech-
Kunstwerk zu werden. . . .« Das klingt wie nische Leistungswert, der für erneutes künst-
ein Hinweis auf die mögliche Lösung jenes lerisches Streben den Humus abzugeben vermag,
bedeutsamen Problems, — wenigstens soweit es Wir können den von Goethe gemeinten Wort-
dessen formale Seite anbelangt, — dessen Droh- sinn des Begriffs Technik also ruhig in den heute
ungen der Dichter selbst damals ankündigte. . . . üblichen übertragen: die Folgerung bleibt zu recht
Heute, nach einer hundertjährigen, teils schrek- bestehen. Auch wo man noch viel tiefer, als dies
kensvollen Entwicklung dürfen wir dieser Worte hier geschehen sollte, in das gegenseitige Verhältnis
wieder eingedenk sein. Die gesamten Fragen, die der beiden Begriffe hinunterlotet. Dr. oskar schürer.

1929. x. 3.
 
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