Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 40.1929
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Wenzel, Alfred: Die feinen Unterschiede: eine Erwiderung
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INNEN-DEKORATION 385
ARCHITEKTIN LIANE Z1MBLER IN WIEN WOHN- U. SCHLAFZIMMER. ZWEIZIMMER-WOHNUNG
»DIE FEINEN UNTERSCHIEDE«
EINE ERWIDERUNG
Im Grunde genommen ist es eigentlich nicht so »Verschiedenheiten« ergab, — die freilich nur ein
verwunderlich, wenn Sie, verehrte gnädige Frau, »Gewand«, eine Hülle betrafen, die indessen so
von den heutigen Innenräumen und besonders von sehr als Hauptsache wirkte, daß man darüber das
ihren Möbeln sagen, daß sie Ihnen »gleichförmig« »Antlitz« vergaß.. Und darum haben Sie, gnädige
erscheinen. Vielleicht wollten Sie sogar »eintönig« Frau, heute auch noch nicht den »Blick« für die
sagen und hegen irgendwo im innersten Herzen »Physiognomie« der neuen Möbel, die ohne das
ein leises Bedauern, daß es so sei? . Mir kommen Gewand der Ornamentierung vor Ihnen stehen,
in solchem Falle immer jene Reisende in den Wenn ich »Blick« und »Physiognomie« sage, so
Sinn, die, wenn sie zum ersten Male eine größere dürfen Sie diese Worte ganz buchstäblich nehmen:
Menge Chinesen erblicken, von ihnen sagen, daß es handelt sich um eine erst wieder zu verfei-
sie »alle gleich« aussehen. . Sie lächeln?, es ver- nernde Sinnes-Empfindlichkeit auf Ihrer
hält sich bei Ihnen ganz ähnlich: Sie übersehen Seite, vermöge deren Sie die feinen Unterschiede
die feinen Unterschiede! Das ist kein Vor- entdecken werden; Sie werden sich ihrer dann
wurf, nur die Konstatierung einer Tatsache, der auch als einer Ihnen jetzt unbekannten sinn-
allerdings von unserer Seite der Wunsch hinzu- liehen »Wirkung« erfreuen. Die »Physiognomie«
gefügt werden muß, daß es anders werden möge, des guten neuen Möbels ist ja auch nicht aus dem
Es ist leicht erklärlich, daß der Allgemeinheit, reinen Intellekt entstanden, sondern von einem
auch in der kulturtragenden Schicht, der Blick für produktiven Formsinn geprägt worden, der unter
die differenzierte Form gerade des Möbels neuen Bedingungen eine »Regenerierung« erfuhr,
getrübt worden ist; hat doch Jahre hindurch das Es wird auf Ihrer Seite, der Seite des rezep-
Möbel als solches nur den Vorwand abgegeben tiven Menschen, nicht allzulange dauern, das Ge-
für ein ornamental-dekoratives Spiel der Fantasie, fühl im gleichen Sinne zu differenzieren, wenn Sie
das immer sehr deutlich in die Augen springende beim Ansehen des guten neuen Möbels, eines Ses-
ARCHITEKTIN LIANE Z1MBLER IN WIEN WOHN- U. SCHLAFZIMMER. ZWEIZIMMER-WOHNUNG
»DIE FEINEN UNTERSCHIEDE«
EINE ERWIDERUNG
Im Grunde genommen ist es eigentlich nicht so »Verschiedenheiten« ergab, — die freilich nur ein
verwunderlich, wenn Sie, verehrte gnädige Frau, »Gewand«, eine Hülle betrafen, die indessen so
von den heutigen Innenräumen und besonders von sehr als Hauptsache wirkte, daß man darüber das
ihren Möbeln sagen, daß sie Ihnen »gleichförmig« »Antlitz« vergaß.. Und darum haben Sie, gnädige
erscheinen. Vielleicht wollten Sie sogar »eintönig« Frau, heute auch noch nicht den »Blick« für die
sagen und hegen irgendwo im innersten Herzen »Physiognomie« der neuen Möbel, die ohne das
ein leises Bedauern, daß es so sei? . Mir kommen Gewand der Ornamentierung vor Ihnen stehen,
in solchem Falle immer jene Reisende in den Wenn ich »Blick« und »Physiognomie« sage, so
Sinn, die, wenn sie zum ersten Male eine größere dürfen Sie diese Worte ganz buchstäblich nehmen:
Menge Chinesen erblicken, von ihnen sagen, daß es handelt sich um eine erst wieder zu verfei-
sie »alle gleich« aussehen. . Sie lächeln?, es ver- nernde Sinnes-Empfindlichkeit auf Ihrer
hält sich bei Ihnen ganz ähnlich: Sie übersehen Seite, vermöge deren Sie die feinen Unterschiede
die feinen Unterschiede! Das ist kein Vor- entdecken werden; Sie werden sich ihrer dann
wurf, nur die Konstatierung einer Tatsache, der auch als einer Ihnen jetzt unbekannten sinn-
allerdings von unserer Seite der Wunsch hinzu- liehen »Wirkung« erfreuen. Die »Physiognomie«
gefügt werden muß, daß es anders werden möge, des guten neuen Möbels ist ja auch nicht aus dem
Es ist leicht erklärlich, daß der Allgemeinheit, reinen Intellekt entstanden, sondern von einem
auch in der kulturtragenden Schicht, der Blick für produktiven Formsinn geprägt worden, der unter
die differenzierte Form gerade des Möbels neuen Bedingungen eine »Regenerierung« erfuhr,
getrübt worden ist; hat doch Jahre hindurch das Es wird auf Ihrer Seite, der Seite des rezep-
Möbel als solches nur den Vorwand abgegeben tiven Menschen, nicht allzulange dauern, das Ge-
für ein ornamental-dekoratives Spiel der Fantasie, fühl im gleichen Sinne zu differenzieren, wenn Sie
das immer sehr deutlich in die Augen springende beim Ansehen des guten neuen Möbels, eines Ses-