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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 40.1929

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Kozma, Lajos: Der freiere Geist in der Wohnung: das neue Bauen folgt dem Ruf des Lebens
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https://doi.org/10.11588/diglit.10701#0173

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XL. JAHRGANG.

DARMSTADT.

APRIL 1929.

DER FREIERE GEIST IN DER WOHNUNG

DAS NEUE BAUEN FOLGT DEM RUF DES LEBENS

Wir bringen unseren Dingen Liebe dar. Der
Kreis der gewohnten Gegenstände, der uns
umgibt, wächst immerfort mit der differenzier-
teren Entfaltung des Lebens. Vom Jagdgerät der
Vorfahren bis zu den Kraftwagen des modernen
Menschen —: welcher Reichtum der Einfälle,
dienstbar der Erleichterung und Verschönerung
des Daseins! . Obwohl der Mensch von heute
mit gleicher Liebe an der ihn umgebenden Man-
nigfaltigkeit hängt, wie einst sein Ahne an seinen
paar Geräten? . Es will mir scheinen, als erhielten
die Dinge Leben aus der innerlichen Gemein-
schaft, die sie mit ihrem Herrn und Schöpfer ver-
bindet, — als entwickle sich, im Austausch dazu,
höheres Menschentum erst in der Beziehung zu
seinem kulturellen Apparat.. Die Entwicklung der
Geräte — das Wohngerät als »Gerät höherer
Ordnung« betrachtet — bildet eines der eigen-
artigsten Sondergebiete der Kulturgeschichte. Zu-
mal in den Experimenten der letzten Jahrzehnte
zeigten sich die absonderlichsten Launen des
Formtriebes. Erst die repräsentativen Überbleib-
sel historischer Wohnungs-Formung, dann der
Jugendstil, dann die Romantik mißverstandener
Volkskunst, dann der kunstgewerbliche Ornamen-

tenhagel, dann das Asketentum eines gesinnungs-
tüchtigen Konstruktivismus: das waren Stufen
dieses großen Experimentierens, bis — heute —
der »neue Mensch« auftritt mit neuen Bedürfnissen
und klarer gefaßten Problemen. Und wo die Prob-
leme sich klären, dort kann die Lösung nicht allzu
fern sein. . Der Baukunst des Ostens ist es nicht
neu und unerhört, das Haus nicht »auf ewig« zu
bauen; eine elementarere Beziehung zur Natur
läßt Fassaden und Wände offen; keine naturfeind-
liche Tradition hindert Gartenfarben, Blumen-
düfte, Sonnenschein am vollen Einströmen. Erst
Licht, Luft, Natur, — dann Architektur! . Aber
bei uns verhinderte die Baumeisterschaft, — kon-
servativer und geheimtuender als je Alchimie es
war, — den Durchbruch der Natürlichkeit, Ein-
fachheit, Hygiene noch zu einer Zeit, da in an-
deren Künsten eine neue Naturbeziehung schon
längst ihre Anregungen gespendet hatte.. So blieb
der Eisenbeton — seit Jahrzehnten schon der un-
entbehrliche Baustoff — ebensolange hinter tradi-
tionellen Fassaden versteckt. . Aber es kommt
eben nicht bloß auf neue technische Möglichkeiten
an, nicht nur auf neue Stoffe, sondern vor allem:
auf andere Lebensformen, auf einen neuen Geist.

1929. 17. I.
 
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