Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 29.1931
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https://doi.org/10.11588/diglit.7610#0310
DOI Heft:
Heft 7
DOI Artikel:Dormoy, Marie: Georges Rouault
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GEORGES ROUAL'LT, LANDSCHAFT
AUSGESTELLT BEI C.W.KRAUSHAAR, NEW YORK. MIT ERLAUBNIS DER U.V.A.
GEORGES ROUAULT
VON
MARIE DORMOY
Zum ersten Mal erblickte ich Georges Rouault
auf dem Bankett, das Vollard zu Ehren seines
Pere Ubu veranstaltete. Er aß tüchtig, trank und
machte einer entzückenden Blondine, die neben
ihm saß, den Hof. Die äußere Erscheinung des
breitschultrigen Mannes mit dem bartlosen Gesicht,
der stark gewölbten Stirn und den tiefliegenden
wasserblauen Augen ließ kaum darauf schließen,
daß er ein von Gesichtern heimgesuchter Visionär
des Schreckens ist, als den seine Bilder ihn ver-
raten.
Nach den Reden und Toasten und schließlich
dem unvermeidlichen Gedränge an der Garderobe
sah ich ihn vor der Haustür wieder mit einem
dunklen Mantel und einem Hut von zeitlosem
Wesen. Er war im Lichte der Bogenlampen eine
seltame Silhouette. Verehrer boten ihm an, ihn in
ihren Y\*agen heimzufahren. Er wehrte mit großer
Geste ab, stieg die Stufen zur Straße hinab und
verschwand einsam in dem nächtlichen Nebel. Nun
war er wieder die sagenhafte Gestalt, die nach einer
geheimnisvollen Behausung strebte, von der selbst
sein Verleger nichts weiß.
In dem Leben Rouaults ist alles geheimnisvoll
und widersprechend. Er ist in Paris geboren und
sieht kräftig aus wie ein Landmann. Er erblickte
das Licht der Welt in der Schreckenszeit der Kom-
mune und liebt nichts mehr als Ordnung und Recht-
mäßigkeit. Er ist gläubig und seine Malerei ist
das Abbild der Lebensangst, ist einzig dem Schmerz
geweiht, ohne Hoffnung auf Erlösung. Vielleicht
läßt sich das alles daraus erklären, daß jeder Pa-
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AUSGESTELLT BEI C.W.KRAUSHAAR, NEW YORK. MIT ERLAUBNIS DER U.V.A.
GEORGES ROUAULT
VON
MARIE DORMOY
Zum ersten Mal erblickte ich Georges Rouault
auf dem Bankett, das Vollard zu Ehren seines
Pere Ubu veranstaltete. Er aß tüchtig, trank und
machte einer entzückenden Blondine, die neben
ihm saß, den Hof. Die äußere Erscheinung des
breitschultrigen Mannes mit dem bartlosen Gesicht,
der stark gewölbten Stirn und den tiefliegenden
wasserblauen Augen ließ kaum darauf schließen,
daß er ein von Gesichtern heimgesuchter Visionär
des Schreckens ist, als den seine Bilder ihn ver-
raten.
Nach den Reden und Toasten und schließlich
dem unvermeidlichen Gedränge an der Garderobe
sah ich ihn vor der Haustür wieder mit einem
dunklen Mantel und einem Hut von zeitlosem
Wesen. Er war im Lichte der Bogenlampen eine
seltame Silhouette. Verehrer boten ihm an, ihn in
ihren Y\*agen heimzufahren. Er wehrte mit großer
Geste ab, stieg die Stufen zur Straße hinab und
verschwand einsam in dem nächtlichen Nebel. Nun
war er wieder die sagenhafte Gestalt, die nach einer
geheimnisvollen Behausung strebte, von der selbst
sein Verleger nichts weiß.
In dem Leben Rouaults ist alles geheimnisvoll
und widersprechend. Er ist in Paris geboren und
sieht kräftig aus wie ein Landmann. Er erblickte
das Licht der Welt in der Schreckenszeit der Kom-
mune und liebt nichts mehr als Ordnung und Recht-
mäßigkeit. Er ist gläubig und seine Malerei ist
das Abbild der Lebensangst, ist einzig dem Schmerz
geweiht, ohne Hoffnung auf Erlösung. Vielleicht
läßt sich das alles daraus erklären, daß jeder Pa-
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