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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 29.1931

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Heft 10
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Kunstausstellungen
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Bier, Justus: Riemenschneider-Ausstellung in Hannover
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https://doi.org/10.11588/diglit.7610#0432

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erfolgte freiwillige Tod des Bildhauers Franz Barwig. Was
immer den sinistren Entschluß des in bürgerlicher Gesinnung
und handwerklicher Tüchtigkeit wurzelnden dreiundsechzig-
jährigen Mannes in letzter Linie bestimmt haben mag, die
Tat eines von Erfolg und Ansehen gekrönten Künstlers
leuchtet grell in die Verzweiflung mehr noch als eines Stan-
des einer Lebensauffassung hinein, der die materiellen und
moralischen Reserven zu Ende gehen. Angesichts der all-
gemeinen Sinnlosigkeit dieser Tätigkeit erscheint es undank-
bar, Nuancen in der Tagesproduktion nachzuspüren. Es gilt
dies um so mehr, als sowohl die Sezessions- als die Hagen-
bundausstellung im Zeichen schwerer Ermüdung stehen, jene
im Kompromiß an breites Publikumsbedürfnis, diese mehr
im krampfhaften Festhalten an jugendlicher Sturm- und
Dranggesinnung ihr Heil suchend. In der ungünstigen Atmo-
sphäre dieser Zeit reift nichts natürlich aus; die vorzeitigen
Greise und die gealterten Jünglinge klagen gleichermaßen
einen ihrer Arbeit feindseligen Boden an.

In der Sezession ist ein Saal dem siebzigjährigen Carl
Moll gewidmet, der dem kultivierten Impressionismus seiner
Malerei immer wieder Anregungen seitens neuer Jugend ein-
zuverleiben versteht, im Ilagenbund ein Raum der Erinnerung
an Franziska Zach gewidmet, die vor wenigen Monaten ein
früher Tod jählings hingerafft hat. Die Kollektion, die nur
Ölbilder umfaßt und Zeichnungen wie Fresken beiseite läßt,
reicht als Kraftmesser für die künstlerische Vitalität dieser
jungen Frau nicht aus; sie zeigt immerhin ein erstaunlich
sicheres Weiterstürmen und Sichvollenden der Bauernblütigen,
die alle Anregung fremden Landes und fremder Schule zur
Nahrung ihrer menschlichen Natürlichkeit zu machen wußte.
Die Bilder von 1930 — ein Selbstporträt, eine Bauernstube,
„Der Freskomaler", das Bildnis des Bildhauers Santifaller —
verraten eine Einheit des Wollens und Könnens, die stärkste
— indessen schon wieder geknickte — Hoffnung auslöst.

Alfred Kubins Kollektivausstellung in der
Neuen Galerie fügt der Erscheinung des Zeich-
ners und Illustrators nichts hinzu als eine ge-
dankenreiche Selbstdarstellung des Künstlers
im Katalog; aktueller berührt in der Galerie
Würthle die Ausstellung Karl Fraenkels, die
vielleicht ein Fenster aufreißt. Fraenkel hat
bei der Volkskunst gelernt, die er in ihren
tausend von der Großstadt auf den ersten Blick
verschütteten Formen ausgräbt; Volksbühnen,
Siedlungshäuser, Handwerkserzeugnisse derVor-
städte — deren Charakteristischestes er in einem
bemerkenswerten Ilolzschnittbuch veröffentlicht
hat — haben ihm gewiß gemacht, daß es eine
breite Unterlage künstlerischer Tätigkeit in na-
türlichen allgemeinen Bedürfnissen auch heute
gibt. Was er macht, ist Zweckkunst: verdeut-
lichende Illustration, Unterhaltung für Kinder
und Große, ein Stück Illusion, Traum, Mär-
chen im Alltag. Daß er mit seiner Frau am
Rand der Stadt als Puppenspieler herum-
zieht, ist nicht Nebensache, sondern wesent-
lich; was er sucht, ist eine Kunst, die jeder-
mann zugänglich ist und doch ganz von
künstlerischem Gefühl gespeist wird; die alle

alte Wiener Tradition in sich aufgenommen hat und doch
ganz heutig ist. Auf Handwerk gestützt, hat Fraenkel den
Mut, ein Künstler zu sein; seine Erscheinung ist so einzig-
artig wie trostreich. I ietze

RIEMENSCHNEIDE R-AU S STE LLUN G
IN HANN OVER

Wer die Riemenschneider-Ausstellung in Hannover ge-
sehen hat, wird nicht ohne Erstaunen die Besprechung
von Habicht im Maiheft S. 332 gelesen haben- Habicht be-
zeichnet diese Ausstellung als „eine wahllose Zusammen-
kunft von Stücken, deren man gerade habhaft werden
konnte".

Nun fragt sich, was bei einer solchen Ausstellung sonst hätte
zusammengebracht werden sollen als das hier Gezeigte. Die
Steinskulpturen und großen Altarwerke scheiden als Immo-
bilien aus, ebenso der kirchliche Besitz aus der Umgegend
Würzburgs, der für die dortige Ausstellung zusammengefaßt
wurde. Da Würzburg von sich aus keinen Versuch gemacht hat,
über diese nächstliegenden Werke hinaus auch das Entlege-
nere, dem Laien oder gar dem Forscher Unbekannte für seine
Ausstellung zusammenzubringen, wäre ohne die Initiative des
Hannoverschen Museums die einmalige Gelegenheit zu einer
solchen Übersicht endgültig verpaßt worden. Die systematische,
durchaus nicht wahllose Befragung sämtlicher in- und aus-
ländischer Museen und Sammler hatte eine überraschende
Zahl von Zusagen zur Folge. Daß einzelne Besitzer absag-
ten aus Furcht, daß das Stück beim Transport leide, ist bei
der Art der Objekte selbstverständlich. Trotzdem ist es ge-
lungen, wesentliche Bereiche der Riemenschneiderschen Kunst
in dieser Ausstellung überhaupt zum erstenmal einem grö-
ßeren Kreis deutlich zu machen.

Wer wußte bisher etwas von Riemenschneiders Alabaster-
arbeiten aus den Sammlungen Roselius, Goldschmidt-Roth-

ERNST PICKARDT, PARISER LANDSCHAFT

AUSGESTELLT IN DER GALERIE J. CASPER, BERLIN

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