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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,2.1905

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Heft 20 (2. Juliheft 1905)
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Arend, Max: Paris und Helena von Gluck
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Gross, Karl: Kunstindustrie und Kunsthandwerk
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https://doi.org/10.11588/diglit.11879#0468

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schaftlichen Melismen im Finale. Jhr Empfinden hat alfo charakte-
ristische Züge eingebüßt und bewegt fich zwifchen einander viel näher
liegenden Polen. Weiter verzichtet die Bearbeitung auf die herrliche
„Aria der Athleten" im dritten Akt (diefe Kampfmufik hat Reinecke
besonders herausgegeben), ebenso auf die f5. Nummer, welche die
von Brahms für Klavier gesetzte, Klara Schumann gewidmete Gavotte
enthält. Aber ein Verdienst hat Stransky allerdings: die allgemeine
Aufmerksamkeit einem Werke gewonnen zu haben, mit dem fich
bisher fast nur ein Dutzend Historiker befaßten. Dieses Verdienst
erscheint groß genug, um die Bearbeitung zu entfchuldigen. Es
gibt nur einen Weg, Gluck zur Wirkung zu bringen: man muß
feine Mufik in ihrer Unverfehrtheit mit liebevollster Sorgfalt nach-
fchaffen. Nur wahrhafte Festaufführungen genügen ihm und führen
zu ihm. Möchten uns folche, auch von „Paris und Helena", bald
erstehen! Max Arend

Runslincluslrie uncl Runstkanclicvei'k

Die Bezeichnungen Kunstgewerbe, Kunsthandwerk und Kunst-
industrie sind heutzutage landläufige Worte, und doch find sie noch
gar nicht fo alt. Sie haben das eine gemein, daß man bei ihrer
Prägung das Wort Kunst in erster Reihe glaubt betonen zu müsfen.

Früher kannte man nur das Handwerk, und die Kunst
wuchs ganz von felbst aus dem Handwerk hervor, indem die ge-
schicktesten Handwerker ihre Tätigkeit zu hohen und höchsten Kunst-
leistungen steigerten, wie ein Albrecht Dürer, Peter Vischer, Wenzel
Jamnitzer, Dinglinger und andre mehr. So trug das alte Handwerk
eine künstlerische Spannung in fich, die ihm Triebkraft gab und
Wertschätzung einbrachte. Heute find wir im Gegenfatze dazu so weit,
daß wir die Kunst ins Handwerk hineinzutragen bestrebt sind. Ein
gründlicher Umschwung! Wie war er möglich?

Je mehr die hohen Künste, die Plastik und die Malerei sich von
der Architektur loslösten und als „freie Künste" Selbstzweck wurden,
je weniger brauchten sie sich um jene architektonischen und hand-
werklichen Notwendigkeiten zu kümmern, deren sie früher bedurften.
Für das Studium des Kunstbeflissenen schien daher der Durch-
gang durchs Handwerk nicht mehr nötig, und an Stelle der alten
Meisterlehre trat die Akademie, die öffentliche Kunstschulung. Es
ist klar, daß dadurch dem Handwerk gegen früher mehr und mehr
gerade die schöpferischen Kräfte entzogen wurden, und so geriet dieses
gegen Mitte des vorigen Jahrhunderts auf einen toten Punkt, den
es aus eigener Kraft nicht zu überwinden vermochte.

Tüchtige Männer jener Zeit erkannten wohl diese Notlage und
forderten: die Kunst muß mit dem Gewerbe wieder Hand in
Hand gehen, um es zu neuer Blüte zu bringen. Der Begriff
des „Kun st g e w e r b e s" war damit geschaffen. Es wurden Vereine,
es wurden Schulen und Museen gegründet, begeistert wurden pro-
grammgemäße Verlobungen gefeiert, aber zu wirklich guten Ehen
kam es selten, denn die beiden Gatten kannten sich gegenseitig nicht
mehr genügend.



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Runstwarl XVIII, 20
 
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