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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 43,2.1930

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Heft 8 (Maiheft 1930)
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Alverdes, Paul: Bemerkungen zu einer Novelle von Hans Grimm
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https://doi.org/10.11588/diglit.8888#0147

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Kelchgläser, und wie verschieden in sich: wie aus dem kleinen, knappen Knanf die
Hauptform fchwillt, sich verjüngt und wiederum öffnet, frei und stolz schwellig ruhend
über dem brciten Fuß. Der kugelige Griff des anderen Gefäßes wirkt geballt und
treibt aus sciner Gedrängtheit eine Art Knospe, aus der straff und zügig wie ein
Wasserstrahl die Kelchform emporsteigk. Der becherartige Typ geht wohlig in die
Hand, behäbig wirkt die Schüsselform, noch mehr das bauchige Gefäß.
Gesponnene Dasen, Blnmenteller und Kompottschale — 8 bis
20 M. Für den phantasievollen Künstler ist in einer farbenfrohen Zeit wie der Gegen-
wart die wirksame Verbindung von GlaS und Farbe eine willkommene Gelegenheit,
seiner Spielfreudigkeit die Zügel schießen zu lassen. Wir sollen uns derartigen
Stücken gegenüber verhalten wie zu reichen, überreichen, bizarren Naturformen, etwa
zu einem Dogelgefieder, Schmetterlingsflügel, dem Linien- und Tonspiel des bunten
Marmors u. dgl. Voraussetznng in der Kunst ist nur, daß ein derartiges Ornament-
werk in seinen Formwerten der Grundform angepaßt ist, nicht zu schwer und nicht
zu leicht, vielmehr jeweils dessen Charakter noch mehr betonend. Das ist hier durch-
aus geglückt: in den schwereren und gedrungeneren Gefäßen wirkt daS Ornament
fülliger, in dem Spiralig-Bewegten ist es wie fröhliches Rankenwerk.

Das Gravieren oder Schneiden geschieht mittelst feiner Kupferrädchen; die zunächst
matt erscheinenden Stellen können nachträglich poliert werdcn. Die Vielseitigkeit die-
ser Tcchnik zeigt das Prunkgefäß. Der Fuß bietet Facettenschlisf wie beim
Brillanten, wodurch ein lebhaftes Helldunkelspiel erzeugt wird, das in seiner geome-
trischen Art auSgczeichnet zur sockelhaften Struktur paßt. Die spannige Schräg-
führung der Wand ist darin kräftig versteift, oben entspricht ihr ein dunkclbändigcr
Rand. Überaus reizvoll ist daS tänzerische Gegaukel der beiden Figuren, die Blumen
und Blätter auf ihre Weise umranken. Man beachte den wohlberechneten Wechsel
der verschiedenen Gravurarten: ganz geschlossene Stellen gegen schraffierte oder rein
lineare und dazwischen das dünnwandige, blanke Glas, dessen Geflimmer am Bodcn
ein lebhaftes Funkeln und Strahlen erzeugt. — Jn Entwurf und Ausführung ein
Meisterwerk, das sich edeln Stücken der Vergangenheit würdig zur Seite stellen
kann und die hohc Leistnngsfähigkeit der Rattenberger Glashütte im strahlenden
Glanze seiner vielseitigen Wirkungen bezeugt.

Ein Beispicl einfachster Gravur bietet das Weinservice; die Flächen erhalten
sich trotz dcs bewegten Rankenornamentes in ihrer durchsichtig schwebigen Forni, auf
dem farbigen Hintergrund des Weines entfaltet die Zeichnung ihr freies allsoiti'ges
Spiel. Die Likörgarnitur und Kirschwasserflaschen sind köstliche Bci-
spiele bester Tiroler Bauernmalerei, die geschlifffenen Vasen und die Bon -
bonniere haben in ihrer Dickwandigkeit etwas sehr eindrucksvolles; jedes einzelne
Stück schon repräsentiert. Einen weiteren Reiz bildet ihre Farbigkeit: helleS Blau, heil
Amethyst, Smaragdgrün, Topas, Seegrün, Rauchamethyst. I. Pp.

Bemerkungen zu einer Novelle von Hans Grimm*

(^ie Zeiten sind ernst und beklommen für die Deutschen, vielleicht stehen dnnkle
.^^Jahre vor der Tür. Vor hundert Jahren waren auch die Jahre dunkel, und
doch waren die Deutschen innerlich nie so reich wie im ersten Jahrzehnt deS neun-
zehnten Jahrhundertes, und vielleicht sind für dies geheimnisvolle Volk die Jahre
der Heünsuchung gesegnete Jahre." Diese Sätze stehen in der Einleitung der Samm-
lung „Der deutsche Erzähler", die Hugo von Hofmannsthal >m ^ahre 1912 für
den Jnsel-Verlag herauögegeben hat. Jnzwischen sind die vorauSgesagten Iahre
der Heimsuchung gekommen, aber sie währen noch fort, und es wäre vermessen,
heute schon sagen zu wollen, ob sie die Deutschen i'nnerlich reicher oder ärmer ge-

Hans Gcimm: Oec Richlec in dec Kacu. <Albect Langen, München)

HZ
 
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