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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 2.1920/​1921

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Beyer, Oskar: Eine neue Monumental-Architektur
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https://doi.org/10.11588/diglit.41961#0129

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EINE NEUE
MONUMENTAL - ARCHITEKTUR
DR OSKAR BEYER

Im Bauwerk soll sidr der Stolz, der Sieg über die Schwere, der Wille zur Macht ver-
sichtbaren; Architektur ist eine Art Macht-Beredsamkeit in Formen, bald überredend,
selbst schmeichelnd, bald blolj befehlend. Nietzsche, »Götjendämmerung«.
Es gibt Verleumder unserer Zeit, die in ihr nichts anderes wahrzunehmen imstande sind,
als Niedergang, Krankheit, Hoffnungslosigkeit, es gibt Trübsalsunken und Pessimisten
nidit minder dem künstlerischen Wollen dieser Jahre gegenüber, die mit riditerhafter oder
pädagogischer Gebärde feststellen zu müssen glauben: überall Dekadenz, überall Auflösungs-,
ja Wahnsinnssymptome, harren und hoffen wir auf eine bessere Zukunft, falls wir das trübe Dasein
noch ertragen wollen! Es ist nun wirklich etwas Sdiönes um den „Stil der Zukunft“, der alles
einmal in strahlender Stärke zusammenfassen soll, aber wir wissen auch, dab die Zielidee einer
lückenlosen Kulturvollkommenheit (und das bedeutet dodi eben jede grobe Stilepoche) zu den groben
Regulativen unserer geistigen Konstitution gehört und dab eine absolute Zielerreichung als end-
gültige Kulturvollendung in Anbetradit des Bewegungscharakters unserer Daseinsform undenkbar
wäre, denn immer wieder haben neue Stile frühere abgelöst, verdrängt. Viel, unendlich viel wichtiger
als das Spintisieren über den (wer weib wann und wie) sich verwirklichenden Stil der Zukunft aus
subjektiven Bedürfnissen und Erwartungen heraus sdieint mir die positive Aufgabe der Bejahung:
im Gegebenen, tatsächlich Erreichten und Bestehenden die wichtigen Linien zu erkennen suchen,
die ins Unendliche ragen, Gegenwärtiges ins Auge fassen, soweit es Ausdruck groben Wollens
und Könnens ist, mit Gegebenheiten redmen als mit positiven Faktoren, sic in ihrem Wesenhaften
und Eigentümlichen zu erfassen und voll freudigen Stolzes für ihre vorurteilslose Wertung zu wirken
bestrebt sein.
Die zu Anfang genannten Generalurteile, die als Bausch- und Bogen-Meinungen schon immer
an sidi vercläditig sind, da sie das Leben in seiner unübersehbaren Fülle einseitig schematisieren,
könnte man ohne Mühe ihres bedenklichen Charakters überführen durch einen Hinweis auf die
Architektur unserer Zeit. Uber die Wege der bildenden Kunst, vor allem der Malerei, wird sich
nur unter Schwierigkeiten eine allgemeine Einstimmigkeit erzielen lassen; von einem musikalischen
Stil des neuen Zeitalters läbt sich nodi nidit sprechen, da es höchstens Ansätze festzustellen gibt,
über deren Lebensfähigkeit noch nichts mit Sicherheit ausgemadit werden könnte, — der architek-
tonisdic Wille einer neuen weltgeschichtlichen Epoche kündet sidi frei und unangreifbar, er weist
heute bereits Resultate auf, mehr: Komplexe von Resultaten, die wahrhaftig Erfüllung sind und
nicht erst auf eine solche zu vertrösten brauchen. Es sind Anzeichen da für eine ganz enorme und
fast beispiellose Vormachtstellung der Architektur unter allen anderen Künsten (es sei nur an die
Gründung des Weimarer „Bauhauses“, jenes tief symbolische Ereignis, erinnert), die Schopen-
hauersche Parallele: Musik und Baukunst steht heute in voller, iiberrasdiend und neu bestätigter
Geltung, die Malerei hat sich in einem nie geahnten Mabc architektonisdi orientiert, und fast könnte man

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