verbinden, und legte auseinander, wo es sich gerade um Zusammenfassung handelte.
Eins fehlte daher dem Erkennen: die Synthese. Zu ihr wollen die folgenden Zeilen
andeutungsweise gelangen; sie wollen die Brennpunkte suchen, unter denen sich
gleichgearteteWerke zusammenfügen, wollen diese Brennpunkte (unter Ausschaltung
aller rein musikalischen Momente) aus der Thematik und Physiognomie seiner
wesentlichen Werke ablesen und sie als Funktionen einer der größten Entwicklungen
verstehen, welche jemals ein Schaffender durchleben durfte. Es handelt sich dabei
nicht um Chronologie. Immer gibt es Frühwerke, weldie ein späteres Entwicklungs-
zentrum mit rätselhafterVollkommenheit vorwegnehmen, und Rückblicke, welche sich
einer bereits durchmessenen Atmosphäre gleichsam von einer Flöhe herab freund-
lich erinnern.
Der erste grolle Brennpunkt in Beethovens Entwicklung kann gefaxt werden unter
dem Begriff: Gesellsdiaft. Die Kulturschicht, in der er lebte, war die Wurzel
seiner menschlichen und die Basis seiner künstlerischen Entwicklung. Auf gewachsen
in dem beschwingenden Rhythmus der Rheinlandschaft hatte er die Beziehung zu
andern Menschen von jeher als Bedürfnis empfunden. Er gehört dieser Gesellsdiaft
an; sie ist ihm nicht nur vertraute Notwendigkeit, sondern Lebensbedingung. Wir
haben das Bild des unverstandenen einsamen Sdiwärmers erseht durch das des
gefeierten Virtuosen, der in den ersten Salons der Wiener Gesellschaft heimisdi
war.
Beethoven muhte auf der Bahn beginnen, die ihm das achtzehnte Jahrhundert
vorgezeichnet hatte. Das Kunstwerk des Generalbaßzeitalfers war eine gesellschaft-
liche Angelegenheit. In der Kammermusik der Graun, Benda, Schaffrath reflektierte
die gesellschaftliche Atmosphäre Friedrichs des Groben: in ihren Passagen und
Manieren Kerzenschimmer und Spißenärmel, in ihrer Thematik das Unbekümmerte
der Einmaligkeit. Die Verinnerlichung des Barock, welche zu Mozart führte, lag
abseits. Der zwanzigjährige Beethoven beginnt etwa da, wo (eine Generation vorher)
der dreißigjährige Haydn gestanden hatte. Was er auf schreibt, sind Ausschnitte
seiner abendlichen Improvisationen: die zahlreichen Variationsreihen über beliebte
Opernmelodien, über eigene und gegebene Themen (eine noch lange geübte Ge-
wohnheit) sind Zeugnis hierfür. Die beiden Sonatinen von 1792 stehen auf dem
seelischen Niveau Clemenfis und DiabelÜs und haben alle die vorwärts weisenden
Züge verloren, weldie die Es-dur und besonders die f-moll-Sonate des Dreizehn-
jährigen (Kurfürstensonaten) bereits trugen. Beethoven war einer von Sehrvielen.
Freilich waren diese Niederungen Durchgang. Aber der farbige Glanz des Salons
liegt nodi auf dem »Komplimentierquartett« seiner ersten Streichquartettreihe, nidit
216
Eins fehlte daher dem Erkennen: die Synthese. Zu ihr wollen die folgenden Zeilen
andeutungsweise gelangen; sie wollen die Brennpunkte suchen, unter denen sich
gleichgearteteWerke zusammenfügen, wollen diese Brennpunkte (unter Ausschaltung
aller rein musikalischen Momente) aus der Thematik und Physiognomie seiner
wesentlichen Werke ablesen und sie als Funktionen einer der größten Entwicklungen
verstehen, welche jemals ein Schaffender durchleben durfte. Es handelt sich dabei
nicht um Chronologie. Immer gibt es Frühwerke, weldie ein späteres Entwicklungs-
zentrum mit rätselhafterVollkommenheit vorwegnehmen, und Rückblicke, welche sich
einer bereits durchmessenen Atmosphäre gleichsam von einer Flöhe herab freund-
lich erinnern.
Der erste grolle Brennpunkt in Beethovens Entwicklung kann gefaxt werden unter
dem Begriff: Gesellsdiaft. Die Kulturschicht, in der er lebte, war die Wurzel
seiner menschlichen und die Basis seiner künstlerischen Entwicklung. Auf gewachsen
in dem beschwingenden Rhythmus der Rheinlandschaft hatte er die Beziehung zu
andern Menschen von jeher als Bedürfnis empfunden. Er gehört dieser Gesellsdiaft
an; sie ist ihm nicht nur vertraute Notwendigkeit, sondern Lebensbedingung. Wir
haben das Bild des unverstandenen einsamen Sdiwärmers erseht durch das des
gefeierten Virtuosen, der in den ersten Salons der Wiener Gesellschaft heimisdi
war.
Beethoven muhte auf der Bahn beginnen, die ihm das achtzehnte Jahrhundert
vorgezeichnet hatte. Das Kunstwerk des Generalbaßzeitalfers war eine gesellschaft-
liche Angelegenheit. In der Kammermusik der Graun, Benda, Schaffrath reflektierte
die gesellschaftliche Atmosphäre Friedrichs des Groben: in ihren Passagen und
Manieren Kerzenschimmer und Spißenärmel, in ihrer Thematik das Unbekümmerte
der Einmaligkeit. Die Verinnerlichung des Barock, welche zu Mozart führte, lag
abseits. Der zwanzigjährige Beethoven beginnt etwa da, wo (eine Generation vorher)
der dreißigjährige Haydn gestanden hatte. Was er auf schreibt, sind Ausschnitte
seiner abendlichen Improvisationen: die zahlreichen Variationsreihen über beliebte
Opernmelodien, über eigene und gegebene Themen (eine noch lange geübte Ge-
wohnheit) sind Zeugnis hierfür. Die beiden Sonatinen von 1792 stehen auf dem
seelischen Niveau Clemenfis und DiabelÜs und haben alle die vorwärts weisenden
Züge verloren, weldie die Es-dur und besonders die f-moll-Sonate des Dreizehn-
jährigen (Kurfürstensonaten) bereits trugen. Beethoven war einer von Sehrvielen.
Freilich waren diese Niederungen Durchgang. Aber der farbige Glanz des Salons
liegt nodi auf dem »Komplimentierquartett« seiner ersten Streichquartettreihe, nidit
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