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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 2.1920/​1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.41961#0255

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der Museumsdirekfor, der 1914 das Museum zur
Waise machte, war katholisch. Das Museum, dessen
Bilder vor ihm gut katholisch waren, da sie direkt
den Kirchen entnommen waren, verjiidelte jetzt z. 1.
mit Liebermann Ankäufen, teils wurde es irreligiös
mit Renoir, Picasso, heidnisch mit Gauguin, prote-
stantisch mit van Gogh. Demgegenüber war es nodr
gleidigiiltig, dab Hagelslange im Museum, seine Sturm-
und Drangperiode erlebte und das Museum zunächst
voll wertloser Sadren hängte. Als sein Gesdrmack sidr
läuterte, starb er leider.
Seit 6 Jahren, dem Tode Hagelstanges, versdiimmelt
dies Institut. Untersudit man den Geisteszustand der
Kölner, so stellt man fest: kein Kölner, audi nicfF,
die in Erwartung von Braten und stirer Speise sich
Sonntags mittags dort treffen, ist irgendwie von -diesen
Zuständen betroffen. Sie fühlen mit starkem Instinkt,
dalj hier Gleidrgiilfigkeifen rosten. Darin ist an sidr
die erfreulidre Vitalität der Bevölkerung zu sehen,
die im Gegensab zu literarisierten Sdiidrten gebildeter
Städte so elementar nodr Wichtiges und überflüssiges
abwäget. Audr die Stadtverwaltung hat sidr in diesem
Punkt bewährt, indem sie die Museunrsverwaltung in
einem Dezernat mit Schladrthof und Müllabfuhr
unterbradrfe. Ganz im Sinne der neuen Entwicklung
Kölns.
Die Stadtverwaltung in Köln hätte beinahe als erste
durch die Tat die prinzipielle Verwerflidrkeit allen
Museumswesens bewiesen. Diese Verwaltung hätte so,
zunächst destruktiv, eine neue Ära einleiten können,
neue Grundsätze festlegen, die die Bilder den Kirchen
zurückgäbe, Plunder an Private verkaufte und in
einzelnen Fällen die größten Begabungen an ein er-
stelle zusanrnrenbezöge, also das Volk nicht mehr mit
kostspieligen, es in keiner Weise mehr angehenden
Dingen langweilte. Das wäre eine grolle Geste
gewesen, konsequent, entsprechend der Gleidrsebung
von Museum und Müll.
Dodr diese Gleidrsebung nidrt durchzuführen, dazu nodr
bei jeder Präsentierung automatisch nadr dem Bekennt-
nis fragen, ist inkonsequent und das Gegenteil.
Als das Hm und Her ins 6. Jahr hinein ging, begann
plöblidr der kölnisdre Kunstverein aufzumucken. Jetzt
wurde das Sdiauspiet zum Satyrspiel. Dieser Verein,
der als Faktor im Kölner Kunstlebcn nodr den lebten
Stammtisdi in Ehrenfeld an llnlebendigkeif übertrifft,
in weitesten Kreisen bekannt durdr draraktervollc
Ausstellungen, die vom seligen Ferdinand Avenarius
angefangen bis zu Herwarfh Waiden-Jenseits gehen,
stand plöblidr auf und wahrte kulturelle Güter. Wenn
kragen, die im Grund eminent einfadr sind und

eindeutig, künstlidr kompliziert werden, — die beiden
Parteien gehen mit leisen Tiillen am hellen Tage um
einander herum, Auge in Auge, aber ohne sich zu
sehen und zu erraten, was der Eine dem Anderen
eigentlidr vorwirft und jeder haut sdrarfzielend vorbei, —
dann eben widmet man sidr diesem Spiel, und des
Gegenstands Bedeutung erlisdrt. Der Oberbürger-
meister sagte dem kleinen Verein mit Redrf, er sei
nidrt der berufene Vertreter weiter Kreise. Das
stimmt mehr als zu viel, denn die Kölner sind erheblich
bunter gestreift, sind die liebenswerteste Gro^stadt-
bevölkerung überhaupt, und es ist so gut wie sidrer,
dalj ein Wagen dieses skurrilen, aber nidrt allgenrein-
gültig jecken Vereins nidrt begriffen würde.
So ein leichter Federangriff dieses Fremdkörpers war
noch nicht ein Nadelstidr. Wollte man, wie der
kölnische Kunstvercin, weiter bohren und aggressiv sein,
würde man audr nidrts erreichen, nidrt einmal eine
Antwort. Man nru| also, da man eine Antwort gar
nidrt will, nidrt drängen und fragen, sondern nur
fesfsfetlen. Man stellt also fest, dalj seit dem lebten
(irreligiösen) Picassoankauf durdr Hagelsfange, 1914
etwa, nidrts von Belang gekauft ist. Was gekauft war,
wieder in die sichere Hand des Händlers zuriiekgegeben
wurde. Der neugotisdre Bau, angenehm versteckt,
steht innerlidr wie äußerlich unverändert da.
Kein Präsentieren für den Direkforposfen hat etwas
genübt. Jeht soll es immer noch Kunsthistoriker
geben, die sidr vorzusfellen wiinsdren. Die Anwärter
wurden früher von der Stadtverwaltung überhört. Sie
sollten sich u. a. ausweisen, ob sie audr populär werden
könnten. Dalj sie einmal rudelweise zu gleidrer Zeit
anwesend waren, und nodr dazu im selben Gebäude,
sodab sie frob allen Geschicks und Zuspredrens nidrt
vo? einander verborgen gehalten werden konnten, war
lustige Unferhredrung dieser grauen Geschichte der
Besetzung des Watlraf-Ridrarb-Museunrs.
Im Interesse der Würde der Kunsthistoriker wäre ein
Boykott auf weitere 6 Jahre vorzusdrlagen. Man
könnte dann einmal sehen, was die Stadtverwaltung
an positiven Dingen, sidr selbst überlassen und die
Bahn für das Austoben frei, kaufen würde. Heinrlidrc
Liebe zu Eifellandsdraffen, Rheinufer und Dom-
ansichfen, zur Fcslhalfung von Männergesangvereins-
und Karnevalsvorsitzenden inr Bilde würden sidr dann
hervor wagen. Dann käme nadr Ende des Boykotts
die Besidrfigung der Neuerwerbungen.
Nur in Köln sind diese Hemmungen nröglidr. Aktive
Städte harten Willens wie Düsseldorf, würden längst
sidr entschlossen haben. Aber Köln ist kein Objekt,
an dem herunroperiert wird. Es hat nodr immer

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