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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 2.1920/​1921

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Schmidt, Paul Ferdinand: Heinrich Campendonk
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https://doi.org/10.11588/diglit.41961#0503

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eine kurze, merkwürdige Episode seines Werkes anmuten (im Winter 1912/13).
Dieser reine und strenge Formalismus lag ihm nicht; und wie durch alle Anregungen
hindurch, brach auch hier, in der so wunderlichen und einseitigen Welt grauer und
brauner Abstraktion, sein eigentliches Wesen hindurch, das sich von Anfang an
niemals verleugnet hat und bis auf den heutigen Tag das gleiche geblieben ist.
Auf dieses aber und auf die Kraft, mit der sich solche Eigenart durchseht, kommt
es an in der Kunst, und nicht auf die Feststellung, woher der Mann wohl seine
Anregungen geschöpft habe. Da£> Dürer Mantegna kopiert hat, gereicht ihm so
wenig zur Unehre wie Marc der Umstand, dab ihm erst Kandinsky den Sinn für
die reine Farbe geöffnet habe; so wenig wie es Campendonks Eigenheit mindert,
dab er seine grobe Liebe, die Welt der Tiere, der sdilichten Menschen und der
reinen Farbe, im Verkehr und in Freundschaft mit Kandinsky und Marc erst in
ihrer ganzen Tiefe zu empfinden gelernt hat.
Keiner war wert und so geeignet wie Campendonk, das Erbe Franz Marcs in einem
groben Sinne anzutreten. Das Lebendige mit tiefster Liebe zu umfangen und neu
gestaltet, durch das Medium einer mystischen und romantischen Farbe, in Form
zu gieben, war ihm eingeboren. In langsamer tastender Entwicklung fand er seinen
Weg dorthin, einen Weg, der dem Rückblickenden nicht ohne Seitensprünge scheint,
doch im ganzen von wunderbarer Folgerichtigkeit ist und in gerader Linie von
dem ornamentalen Liniengewirr Thorn-Prikkers zur metaphysischen Ruhe und
Farbigkeit Altindiens führt. Wenn man seine mannigfachen Versuche sieht, auf
der einen Seife sich der reinen Farbe zu bemächtigen, ihrem Vibrieren auf kunst-
voll verschlungenen Pfaden nachzugehen und es rhythmisch zu zerlegen; auf der
anderen Seite das ruhige Glück des Animalischen darzustellen und in sein Rauschen,
das eintönig und herrlich ist wie das Brausen desMeeres, das Mitschwingen gläubiger
Seelen zu verlegen, so wird man bekennen, dab Campendonks lebte Bilder darin
auf einer gewissen Stufe der Vollendung angelangf sind. In früheren Jahren wirkten
kubisfische Theorien auch hierbei noch vielfältig nach. Seine Bilder, vor allem aber
seine bezaubernden Aquarelle, waren wie auskrisfallisierfe Farbe, in deren verwir-
rendem Nebwerk sich das Gegenständliche, Mensch und Tiere vor allem, in un-
löslicherVerflechfung gefangen hatte. Dann wieder gibt es ganz schlichte Motive, voll
harmonischer Silbe wie ein Allegro Mozarts, die aus der Raumlosigkeit emportauchen
und wie unwirklich in hingehauchten Farben Wölkchen versinken; hart umrissene
und fast mosaikartig bestimmte Farbenbänder; ausgebreifete und durch magische
Schlangen, Punkte, Felderchen gebundene und aufgelöste blächen; immer aber
che Sehnsucht nadi der Traumtiefe des absoluten Farbenreichs und nach der unend-
lichen Einfalt paradiesischer Existenz.
Und dieses Bild bieten die Werke der lebten Jahre, Ölbilder und Aquarelle wett-
eifernd in der Leuchtkraft der Farben und der Naivität der Idee. Kandinskys Theorie
der psychischen Farbwirkung erscheint in eine lebendige Darstellungswelt aufgelöst.
Der Gesamteindruck ist der einer wunderbar fröhlichen und blumenhaften Farben-
fülle; einer gebändigten Buntheit von schillerndem Märchenglanz, wie er vielleicht

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