bei einer Frau als anerkannte Seligkeit genossen, müsse im Pluralverhältnis zur
Niedrigkeit herabsinken. Mag die Gesellsdraft mit ihrem Vernunftseinwand auch
immerhin von niederen und gemeinen Instinkten sprechen, in Faust bleibt der
Fall gegeben, daß auch durch das Mittel der Sinne die innere Vollendung gesucht
werden kann, was vielleidit gemeinhin nicht begriffen wird, weil man aller Natur
zuwider den Leib in Gegensah zur Seele brachte. Aber die Verdammnis der
Gesellschaft kann den Prozeß in Faust nicht auf halten, sich an mannigfacher
Schönheit orientieren zu müssen, um so die verschiedensten Gefühls- und Glück-
stufen innerhalb des Gefühls, das uns alle mehr oder minder beherrscht, zu erleben,
um sich endlich zu sammeln in Helena, der schönsten Frau der Welt. In ihr findet
er, o hohes Glück, gebunden zur Einheit, was er bis dahin in der Vielheit suchen
mußte, wollte er nicht verdorren glühenden Herzens. Und wieder wirft er sein
ganzes Leben als Preis hin um diesen Besitz und will sich, als kluge Zurede ihn
zurückhalten möchte, nicht heilen lassen von diesem mächtigen Sinn, um nicht
niederträchtig zu werden gleich den anderen in solchem Falle. Wo wir nach Faustens
eigenem Bekenntnis am farbigen Abglanz nur das Leben haben, mag ein jeder
selbst das Gleichnis deuten von Faustens wundersamen Freiersfahrt zu
Helena und den Wirklichkeitssinn zu finden suchen; denn es ist ja nur Symbol
für Faustens Inbrunst, daß er zu dem raumlosen Reich der Mütter nieder-
steigt und das Unmögliche begehrt, ihm die abgeschiedene Helena zum Weibe zu
geben. Und seine in allen sinnlichen Genüssen uneingebüßte Sehnsucht, deren jede
eben Sehnsucht war, bittet Helena wahrhaft so mächtig los, daß ob seiner Rede
selbst Proserpina zu Tränen gerührt wird, und so geschieht es, daß er mit der Er-
sehnten, Begehrten in Arkadien ein klassisches Glück von harmonischem Ausgleich
und Wechselbezug finden darf.
Wohl hatte er zu Beginn seiner Helenaleidenschaft empfunden, daß die Wohl-
gestalt, die ihn voreinst entzückte, nur ein Schaumbild solcher Schöne sei, und des
Liebenden schwurbereite Hand war emporgereckt gewesen, sie, Helena, als die
Regung aller seiner Kräfte, als den Inbegriff seiner Leidenschaft, seiner Anbetung
und seines Wahnsinns zu feiern; verschwinden solle ihm, so hatte er zur Stunde
gewünscht, seines Lebens Atemkraft, wenn er sich je von ihr zurückgewöhne. Aber
als ihm dann nach Jahr und Tag von Euphorion, dem lichten, kurzlebigen Sohn
ihres arkadischen Glückes, Helena entzogen, fortgezogen wird in das dunkle Jenseits
menschlicher Begreifbarkeit, wird er im Hochgebirge durch ein Wolkengebild nur
vorübergehend an die soeben Verlorene erinnert; dagegen will in einem zarten,
lichten Nebelstreif er Greichcn erkennen und sie nennt er nun sein „längst ent-
behrtes hödistes Gut“ und das Beste seines Inneren fühlt er hingezogen zu ihr.
Es wird ihm gewiß, dal? ihr erster Blick, schnellempfunden und kaumverstanden,
in ihm, sich selbst lange nicht bewußt, festgehalten wurde als ein Schah, der alle
andern Schüße überglänzt. Durch die Vielen, unter denen Helene eben auch nur
eine war, hat er sich, den Prozeß beschließend, in den er gestellt war, zu der
Einzigen, zu der Schicksalsverbundenen heimgefunden. Nur, daß nun die holde
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Niedrigkeit herabsinken. Mag die Gesellsdraft mit ihrem Vernunftseinwand auch
immerhin von niederen und gemeinen Instinkten sprechen, in Faust bleibt der
Fall gegeben, daß auch durch das Mittel der Sinne die innere Vollendung gesucht
werden kann, was vielleidit gemeinhin nicht begriffen wird, weil man aller Natur
zuwider den Leib in Gegensah zur Seele brachte. Aber die Verdammnis der
Gesellschaft kann den Prozeß in Faust nicht auf halten, sich an mannigfacher
Schönheit orientieren zu müssen, um so die verschiedensten Gefühls- und Glück-
stufen innerhalb des Gefühls, das uns alle mehr oder minder beherrscht, zu erleben,
um sich endlich zu sammeln in Helena, der schönsten Frau der Welt. In ihr findet
er, o hohes Glück, gebunden zur Einheit, was er bis dahin in der Vielheit suchen
mußte, wollte er nicht verdorren glühenden Herzens. Und wieder wirft er sein
ganzes Leben als Preis hin um diesen Besitz und will sich, als kluge Zurede ihn
zurückhalten möchte, nicht heilen lassen von diesem mächtigen Sinn, um nicht
niederträchtig zu werden gleich den anderen in solchem Falle. Wo wir nach Faustens
eigenem Bekenntnis am farbigen Abglanz nur das Leben haben, mag ein jeder
selbst das Gleichnis deuten von Faustens wundersamen Freiersfahrt zu
Helena und den Wirklichkeitssinn zu finden suchen; denn es ist ja nur Symbol
für Faustens Inbrunst, daß er zu dem raumlosen Reich der Mütter nieder-
steigt und das Unmögliche begehrt, ihm die abgeschiedene Helena zum Weibe zu
geben. Und seine in allen sinnlichen Genüssen uneingebüßte Sehnsucht, deren jede
eben Sehnsucht war, bittet Helena wahrhaft so mächtig los, daß ob seiner Rede
selbst Proserpina zu Tränen gerührt wird, und so geschieht es, daß er mit der Er-
sehnten, Begehrten in Arkadien ein klassisches Glück von harmonischem Ausgleich
und Wechselbezug finden darf.
Wohl hatte er zu Beginn seiner Helenaleidenschaft empfunden, daß die Wohl-
gestalt, die ihn voreinst entzückte, nur ein Schaumbild solcher Schöne sei, und des
Liebenden schwurbereite Hand war emporgereckt gewesen, sie, Helena, als die
Regung aller seiner Kräfte, als den Inbegriff seiner Leidenschaft, seiner Anbetung
und seines Wahnsinns zu feiern; verschwinden solle ihm, so hatte er zur Stunde
gewünscht, seines Lebens Atemkraft, wenn er sich je von ihr zurückgewöhne. Aber
als ihm dann nach Jahr und Tag von Euphorion, dem lichten, kurzlebigen Sohn
ihres arkadischen Glückes, Helena entzogen, fortgezogen wird in das dunkle Jenseits
menschlicher Begreifbarkeit, wird er im Hochgebirge durch ein Wolkengebild nur
vorübergehend an die soeben Verlorene erinnert; dagegen will in einem zarten,
lichten Nebelstreif er Greichcn erkennen und sie nennt er nun sein „längst ent-
behrtes hödistes Gut“ und das Beste seines Inneren fühlt er hingezogen zu ihr.
Es wird ihm gewiß, dal? ihr erster Blick, schnellempfunden und kaumverstanden,
in ihm, sich selbst lange nicht bewußt, festgehalten wurde als ein Schah, der alle
andern Schüße überglänzt. Durch die Vielen, unter denen Helene eben auch nur
eine war, hat er sich, den Prozeß beschließend, in den er gestellt war, zu der
Einzigen, zu der Schicksalsverbundenen heimgefunden. Nur, daß nun die holde
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