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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 2.1920/​1921

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Hildebrandt, Hans: Die Bedeutung des Stuttgarter Lindenmuseums für die Kunstgestaltung von heute
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https://doi.org/10.11588/diglit.41961#0568

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HOLZMODELL FÜR TSAMBA(Gebäck für Kultzwecke).TS, AIDAM=MONGOLEN,TIBET

DIEBEDEUTUNG DES STUTTGARTER
LINDENMUSEUMS FÜR DIE KUNST*
GESTALTUNG VON HEUTE
HANS HILDEBRANDT

Die Kunst des Westens ist in gemessenen Zeitabschnitten immer wie*
der durch die Kunst des Ostens befruchtet worden. Strzygowski hat
uns die Augen dafür geöffnet, wieviel das frühe christliche und auch
noch das romanische Schaffen dem strengen, formal gesinnten Stile verdankte,
der sich nach der Teilung des römischen Weltreichs und erst recht nach der
Überflutung Italiens und der westlichen Provinzen in Byzanz entwickelte.
Das Ergebnis der Kreuzzüge war nicht die ursprünglich erstrebte Wieder*
eroberung Jerusalems, wohl aber ein Austausch kultureller Güter, bei dem
das Abendland gewiß nicht weniger empfing, als es schenkte. Der Handel,
den Venedig und die reichen Handelsstädte der Niederlande mit dem Reiche
des Sultans betrieben, war schon dank der Einfuhr der Perserteppiche von hoher
Wichtigkeit für die Ausbildung des Farbensinns. Das 18. Jahrhundert be*
geisterte sich für die chinesische Kunst. Die zierlichen Wunder der Porzellan*
manufakturen, aber auch manch andere reizvolle Erzeugnisse angewandter
Kunst hat diese Schwärmerei gezeitigt. Als der Sinn für die Bedeutung der
Form in der Malerei unter der Herrschaft eines extremen Naturalismus eben
zu erlahmen drohte, gewann er neue Kraft aus dem Vorbild der japanischen
Holzschnitte, die, von Pariser Künstlern wie Degas neu entdeckt, ihren Sieges*
zug durch Europa antraten. Seit jenen Tagen ist das Verständnis für die Kunst
Ostasiens ständig im Steigen. Man lernte unterscheiden und werten, erkannte
das Überragende der chinesischen Kunst im Verhältnis zu der von ihr ab*
hängigen japanischen und blickt heute mit Bewunderung zu der geisterfüllten
Phantastik altindischen Schaffens empor. Nicht mehr wie zu Ende des vorigen
Jahrhunderts faßt man die Gestaltungen des fernsten Ostens nur als inter*

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