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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 2.1920/​1921

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Frank, Bruno: Traum des Richters
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https://doi.org/10.11588/diglit.41961#0609

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REGINE:
Junge du, Unwissende du, Törin! Was klagst du? Wolltest du ewige Kindschaft? Dein
Leben mußte beginnen. Dank’ ihm dafür oder schweig!
DAS MÄDCHEN:
Gierig war er, mich zu beflecken, mit Wollust schuf er das Reine zum Trüben. Er ist das
Böse.
REGINE:
Er folgt seinem Blut.
DAS MÄDCHEN:
Das Blut ist das Böse.
REGINE:
Das Böse schafft Leben.
DAS MÄDCHEN:
Ich floh vor dem Leben, ich wollte es nicht.
REGINE:
Du bist nicht geboren, um rein zu verwehen. Du bist kein Frühlingswind. Du bist keine
Welle im Fluß. Du bist ein Stück Erde, das zum Schicksal geformt wird. Segne die harte
Hand, die dich preßte. Schicksal sei, Mensch sei, stöhne, lächle, verschenk’ dich und vergeh!
DAS MÄDCHEN:
Ich leide. Ich will zurück in die reinen Jahre. Ich war froh.
REGINE:
Spanne ein Seil auf und dämme das Meer zurück!
DAS MÄDCHEN:
Ich klage. Ich will meine Kindheit wieder.
REGINE:
Laß einst dein Kind eine Kindheit haben!
(Gemurmel. Kleine Stille.) Sprich du, die Geliebte.
DIE GELIEBTE:
Klage führe ich. Mir ward nicht gegeben, was er versprochen. Lügnerisch ist der Mann:
lodernd und innig, eh’ er uns gewinnt, matt und matter nach dem Besitz. Hätte er ewig ge*
schmachtet, so wäre die Glut nicht erkaltet.
REGINE:
Was klagst du? Du branntest ja auch.
DIE GELIEBTE:
Wie könnt’ ich! Unbekannte Wonne verlockt nicht.
REGINE:
Schlecht erinnerst du dich. Krank warst du, elend warst du. Beim Sonnenlicht frorst du, und
kalte Nächte waren dir schwül. Er, den du anklagst, hat dich erlöst.
DIE GELIEBTE:
Seine Lust nur hat er gesucht.
REGINE:
Lust glaubt jeder zu suchen und trügt sich. Bist du nicht reicher, seit er dich nahm, bist du
nicht weiser, seit er dich wies, bist du nicht stiller, seit du gestillt bist, bist du nicht gütiger,
seit dir dies Gute ward?

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