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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 2.1920/​1921

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Müller-Wulckow, Walter: August Babberger
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https://doi.org/10.11588/diglit.41961#0643

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unfaßbar war, dem diese allenfalls Details und Lichtstimmungen abzu?
gewinnen vermochte. Babbergers Blick umfaßt das Ineinandergreifen der
Bergmassive und Gebirgszüge, das Frostgesprengte, Sturmzersägte der Gip?
fei, das Gletschergeglättete der Pässe und hebt es mit scharfen Konturen aus
den weich in die Horizontale gleitenden Geröllfeldern und Baumhalden ab,
während die Wasserflächen der Gebirgsseen die große Orgelfuge des Hirn?
mels kontrapunktieren, in welcher die Äolsharfe des Gewölks und die
goldene Celesta der Sonne miteinander wetteifern.
An eine Landschaft Dürers aus der Apokalypse gemahnen die Strahlen?
säulen, die unter den aufziehenden Gewitterwolken an den Ufern des Vier?
waldstädtersees stehen. Und welch grandioser Rhythmus bändigt die spätere
Landschaft, in vier Wolkengebilde und Erdformationen in Bachscher Kontra?
punktik gegeneinander geführt werden. Hier ist zum ersten Male das Phä?
nomen der Gebirgsatmosphäre, welche die Luftperspektive aufhebt, dar?
stellerisch bewältigt. Alles scheint greifbar nahe und doch riesengroß und
ferne zu sein. Dies hängt wohl aufs engste mit des Künstlers Flächenstil
zusammen, der auch das körperhafte Hintereinander in die Rhythmik und
den Parallelismus der Bildebene zwingt. Wie das Bildgerüst entsteht, lehren
die Aquarelle und Pinselzeichnungen, von denen einzelne auch in Lino?
leumschnitt übertragen sind. Eine der klangvollsten Bildsymphonien in drei
Sätzen ist der Gebirgsbach, mit dem nun auch das nie rastende Element des
Wassers in eine fast hypnotische Dauererscheinung gebannt wird.
Aber auch die von Leben erfüllte Pracht der Blumen hat er sich, wohl nach
dem Vorgang seiner Gattin, zu eigen gemacht und breitet sie in berauschen?
der Fülle zu einem farbigen Teppich vor den Augen aus. Kein Wunder, daß
er auch in kunstgewerblicher Fassung Blumen und Figuren verwendet und
bei solchen Stoffapplikationen die beglückende Mitte zwischen geistiger Be?
deutsamkeit und handwerklicher Bindung inne zu halten weiß. Verwandt
sind damit wiederum seine Bilderbücher der Jahreszeiten, jene bestrickenden
Märchenfolgen, mit denen ein volkstümlich dichtendes Gemüt uns in das
Kinderland des Paradieses geleitet.
Aber der Gegenstand eigenster Gestaltung ist ihm der Mensch, losgelöst
von allen äußeren Bindungen, jedoch erfüllt von der Inbrunst eines Auf?
wärtsstrebens, zu dem ihn der göttliche Funken befähigt. Von der Erd?
gebundenheit der abschiednehmenden Paare bis zu der vielfigurigen Kom?
Position, die ich Alpensymphonie nennen möchte, in der ein Jüngling
inmitten trauernder, hoffender und erhobener Frauen in wundervoller
Steigerung auf der Stufenleiter der Empfindungen emporgeführt wird. An?
dächtiger als in dem frömmsten Kirchenbild steigt die Seele hier zu den
Müttern hinan. Ein Naturmythos scheint sich in Erinnerung germanischer
Vorzeit herauszubilden. Von den zackig verschlungenen Gliedern der

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