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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 2.1920/​1921

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Homburger, Otto: Das badische Landesmuseum im Karlsruher Schloss
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https://doi.org/10.11588/diglit.41961#0713

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zugleich im Schnittpunkt der von hier allseitig ausstrahlenden Straßen und Waldwege steht
der achteckige Schloßturm, der Überrest aus dem ersten Schloßbau von 1715. In der Mittel*
achse verbindet ihn ein zweistöckiger Saalbau mit dem rechtwinklig dazu verlaufenden
Corps de Logis, dessen Mitte nach der Stadt zu durch den wappengeschmückten Giebel und
den auf 4 Säulen ruhenden Balkon hervorgehoben wird. Zwei Reihen von Fenstern gliedern
in ruhigem Rhythmus die Schauseiten der Flügel, hinter denen eine gerade Flucht in der
Größe wechselnder Räume entlang läuft. Nach vorn dehnt sich der Schloßplatz aus mit
seinen Beeten und den im XIX. Jahrhundert gewachsenen Baumreihen; nach rückwärts fällt
der Blick auf die weite Fläche der Parkwiese und die sie einfassenden Anlagen im englischen
Stil. Die dekorative Ausstattung im Innern hält sich in den Grenzen zwischen einem ins Vege*
tabile aufgelösten Roccaillewerk der sechziger Jahre und dem frühen Klassizismus; vorherr*
sehend ist der ruhige Stil des Louis seize.
Diese Tatsache mag als ein Argument allen denen entgegengehalten werden, die sich da*
gegen ausgesprochen haben, Sammlungen in Schlössern des XVIII. Jahrhunderts unterzu*
bringen; sie bangten einmal um die reine Erhaltung des Baudenkmals, zum andern fürch*
teten sie, daß die Objekte der mittelalterlichen und früheren Epochen nicht zur Geltung
kämen gegenüber dem Prunk des Barock, daß stilwidriges Vermengen nicht zu vermeiden
wäre. Ein Urteil über die Berechtigung dieser Beschwerden kann erst dann gefällt werden,
wenn die Arbeit in den verschiedenen Schloßmuseen Deutschlands beendet sein wird. Die
museumstechnischen Fortschritte, die wir seit dem Kriege trotz wachsender Schwierigkeiten
gemacht haben, sind in erster Linie dieser in jedem Fall neuartigen Aufgabe zuzuschreiben.
Bei der Einrichtung des Karlsruher Residenzschlosses sind bauliche Veränderungen im
eigentlichen Sinn kaum erforderlich gewesen, dagegen ist in einigen Fällen durch Entfernen
späterer Zutaten das Alte umso reiner zum Ausdruck gebracht worden. Eine große Zahl von
Zimmern, die dauernd bewohnt wurden, sind im XIX. Jahrhundert in ihrer Innenausstattung
derart verändert worden, daß sie stilgeschichtlich als neutrale Räume anzusprechen sind: es
lag nahe, in diesen Sälen die vorgeschichtlichen und mittelalterlichen Sammlungen unterzu*
bringen, während große Teile der Antike sich bei entsprechender Aufstellung mit der Deko*
ration des ausgehenden XVIII. Jahrhunderts sehr wohl vertragen.
Um den Charakter der höfischen Raumkunst verschiedener Zeiten wiederzugeben, sind im
Corps de Logis die Säle des Erdgeschosses zur rechten Hand als »Historische Schloß*
zimmer« — im wesentlichen unverändert — geöffnet worden. Gegenüber, links vom Vestibül,
ist der Eingang zur Sammlung der Antiken. Vor allem sind es Werke der Kleinkunst, die
in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts vom badischen Geschäftsträger am päpst*
liehen Hof, dem kunstsinnigen Rittmeister Mahler, im Auftrag des Großherzogs Leopold
in Süditalien erworben wurden; andere kleinere Sammlungen und spätere Erwerbungen ver*
vollständigen das Material, indem sie auch den archaischen Stil zu Wort kommen lassen.
Um das Interesse der Beschauer nicht durch allzuviel des Gleichartigen und künstlerisch
Mittelmäßigen zu lähmen, wurde ein Teil der Vasen, Terrakotten und Bronzen ausgeschieden
und als »Studiensammlung« übersichtlich in einer Flucht rückwärts anstoßender Zimmer
untergebracht. Die »Schausammlung« dagegen zeigt in lockerer Aufstellung, mit Be*
tonung der schönsten Stücke, die künstlerische Entwickelung auf den drei Gebieten. Im
ersten Saal wird ein Überblick über die Geschichte der griechischen Vasenmalerei vom
Mykenischen bis zum Ausklingen im Campanischen Spätstil gegeben, während der zweite,
um 1810 von dem Klassizisten Friedrich Weinbrenner dekorierte Saal mit seinen strengen
Pilastern und flachen Nischen den Hintergrund bildet für eine Auswahl von Prachtstücken
der klassischen Periode. Die — nicht eben zahlreichen — Werke antiker Bildhauerei, die in
der Hauptsache in einem Raume vereint sind, zum Teil, um die Folge der Schaukästen zu
unterbrechen, in die übrigen Zimmer verteilt wurden, sind fast ausschließlich erst in den
letzten Jahrzehnten des XIX. Jahrhunderts erworben worden. Unter den Bronzen fällt die
große Zahl etruskischer Werke auf; kunstvoll gearbeitete Gegenstände der italienischen Früh*
zeit geben dieser Abteilung ihr Gepräge. Noch einmal kommt das Griechische zu Wort im

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