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Heidelberger Zeitung (46) — 1904 (Juli bis Dezember)

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Nr. 151 - 176 (1. Juli 1904 - 30. Juli 1904)
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Mittmch, 13. zvli 1804.

Grftes BLatt.

46. ZchMS» " ^ 161.

Erscheint täglich. Sonntags auSgenommen. PreiS mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. tn's HauS gebracht, bei der Expedition und dm Zweigstationen abgeholt 40 Pf-, D«rch tt»

bezogen vierteljähiltch 1,35 Mk, auSschlteßlich Zustellgebühr.

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an bestimmten Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Pla tattafeln der Heidelberger Zeitung und den städtischen Anschlagstelle«. Fernsprecher

Der Besuch des deutschen Geschwaders in
Plymouth.

Die Ankunst des deutschen 'Geschwaders unter dem
^fehle des Admtral Korster hat mcht nur in Plymouth,
londern in ganz England das lebhasteste Jnteresse erregt,
^er den Einwohnern von PIymouth mutz mit Dank
stlittiert werden, daß sie in liebenswürdigster und echt see-
^annischer Weise Gastsreundschaft auszuüben verstehen.
Dausende von Schaulustigen hatten sich im Hafen ein-
Iesunden und als die' Flotte langsam und majestästsch
^usuhr, gewann mancher eine ganz andere Meinung von
deutschen Kriegsmarine als er früher aus den Dar-
ftellungen der Presse zu schöpfen imstande gewesen war.

Um 1 Uhr nachmittags tauchten aus dem Perlmutter-
^rbenen Nebelschleier, der den Sund von Plymouth be-
^ckte, in der Richtung des romantischen Leuchtturmes
^on -Eddystone, phantomgleich die Umrisse der schwimmen-
°on Festungsn aus, die sich in Divisionskolonnen sormiert,
zwei britischen Marineosfizieren und einer Anzahl
^ootsen bugsiert, langsam dem Hafeneingang näherten.
^n der Entfernung etwa einer deutschen Meile wurden
ose einzelnen! Fahrzeuge in ihrem graueu, von dem gelb-
^chen der englischen Kriegsschiffe verschiedenen Anstrich
^utlich erkennbar, voran die Schlachtschiffe „Kaiser Wil-
II.", „Kaiser Friedrich III.", „Kaiser Wilhelm der
^wße", „Kaiser Karl der Große", „Wittelsbach", „Zäh-
^ugen", „Mecklenburg" und „Westin"; hinterher die
^reuzer „Prinz Heinrich", „Frauenlob", „Arcona",
"^Mazone", „Ariadne", „Medusa" und „Niobe". Die
^sufahrt i>n den Hafen vollzog sich mit fehlerloser Prä°
^siion, die Zuschauer, namentlich auch die Fachkundigen,
^gingen sich in Ausdriicken der Bewunderung für die
^enauigkeit, mit der die einzelnen Schiffe ihre Position
?Uhielten. Die erste Schlachtschiffdivision unter der
^egide des „Kaiser Wilhelm II.", des Flaggschiffs des
^dinirals v. Köster, lief durch den westlick/en Sundeingang
die zweite unter Führung der „Wittelsbach", Flagg-
Mffs des Mzeadmirals Brüsing, ebenfalls, während die

ff^uzerdchision mit dem „Prinzen Heinrich", Flaggschiff
Konteradmirals Schmidt an der Spitze, durch den
mlichxn Sund einfuhr. Als alle ihre Ankerplätze erreicht
?^ten, hißte das Admiralschiff die englische Flagge, und
7^ Luft erzitterte unter einem Salut von 21 Schüssen,
- n die Batterien der Hafenzitadelle alsbald erwidertevl.


grotzer Teil der deutschen Mannschaften ging abends
Urlaub an Land und wurde von der englischen Be-
°lkerung aufs wärmste empfangen. Ueberall konnte
!/Uu Szemen herzlichen Einvernehmens beobachten. Die
^uugreichen Sonderberichte der Londoner Blätter sprs-
^u sich Mbr den Eindrnck, den die deutschen Schiffe und
^uunschaften auf die englischen Beobachter machten,
^uso sympathisch wie anerkeunend aus. Wenn dis
^fly Mail" ihr Lob der evidenten Leistungssähigkeit der
^sffchen Auslandsflotte dadurch verbittert, dah sie auf
^ b von König Eduard in Kiel bereits äbgetane Thema,
^Uach ber Ausbau der deutschen Marine eine Gefahr

für England bilden soll, zurückkommt, so ist das eine
ganz vereiiuzelte Äsharmonierendel Stimme. ^n den
Kommentaren der übrigen Presse feh'Ien alle Gehässig-
keiten, und der den leitenden Kreisen besonders nahe-
stehende Daily Telegraph, der noch unlängst recht schlecht
auf Deutschland zu sprechsn war, schreibt: „Die Deutschen
haben alle klrsache, aus ihre sunge Flotte stdlz zu sein.
Heil den genügsamen/geistig und körperlich gleich arbeits-
tüchttgen schneidigen Offizieren und Mannschaften des
deutschen Geschwaders im Hafen von Plymouth!"

Von besonderem Jnteresse mutz es für detttsche Leser
sein, zu hören, was der Marinesachverständige
jenes Blattes, das mit so großer Besorgnis die
kunft des deutschen Geschwaders in Plymouth betrachtet,
über die deutschen Kriegsschifse selbst zu sagen hat. Wir
geben den Artikel des'halb so auZführlich wieder, wie dies
der Rauni hier gestattet. Es heitzt da: „Was man auch
von der deutschen Flotte sagen oder dsnken mag, so kann
doch die Tatsache nicht bestritten werden, daß die Proben,
die man nach Plyniouth gesandt hat, in erster Linie und
aus'schließlich für die offene Schlacht gebaut und ttaimert
wovden stnd. Die Art und Weise, wie sie in den Hafen
einliefen, und Linie und Abstand mit mechanischer Ge-
nauigkeit innehielten, war an und für sich eine Osfen-
barung teutonischer Schlagfertigkeit.

Diese grotzen grausn Schiffskörper sttotzen förmlich
von Geschützen und Geschütztürmen; unsere Batterien auf
den Schiffen von 14 900 Tonnen sind nicht stärker als
die Batterien der Deutschen auf den Schiffen von 11100
Tonmen, während die beutschen Geschütze neueren Mo-
dells und die Kruppschen Stah'Ipanzerplatten besser sind
als die auf den britischen Schiffen.

Was zunächst auf den 'Kriegsschiffen ins Auge fällt,
ist die Verachtung alles unnützen Prunkes. Blank ge-
putztes Mesfing ist fast gar nicht zu sehen. Holz und
alles andere verbrennbare Diaterial ist auch nur selten
vorhanden. Die Einrichtungen sind bedeutend moderner,
als die auf bsttischen Schiffen derselben Periode.

Alles in allem genommen sind die acht deutschen
Kriegsschiffe an Kriegstüchtigkeit denen unserer Kanal-
flotte und der Küstenvertstdigungsflotte unzwstfelhaft
überlegen, und fie könnten einer BereinigunH "der beiden
in estiheimischen Gewässern sehr wohl begegnen, um so
mehr, als sie von stner mächtigen Torpedoflostille be-
glsttet sstn würden, die bst diesem Besuche nicht in die
Erscheinung tritt und auch bst der Kieler Regatta im
Hintergrunde gehalten wurde.

Was die deutschen Osfiziere und Manuschasten anbe-
tstfft, so machen sie einen sehr günstigen Ei'ndruck. Die
Msziplin auf den Kriegsschiffen ist vollkommen, und ob-
woh'l die Leute nur eine kurze Dienstzstt haben, schstnen
sie doch vorzüglich trainiert und durchaus fähig zu sstn.
Es ist in der Tat scksiviestg, sie von brittschen Blaujacttn
zu luiterschstden.

Je genauer man die deutsche Flotte beobachtet, je
klarer wird es, daß die bstttsche Flotte hier einen bedeu-
teu'den Rivalen hat. Die französische Flotte hat stne
mangelhaste Organisatton, die Mannschaften der russischen

sind schlecht ttainiert, die deutsche Floüe hat stne vor-
zügliche Organisatiom- und erstklassige Mannschasten..."

Deutsches Reich.

Baden.

Freiburg, 12. Juli. Während sich^ der frühere
Abgeordnete und nominelle Fraktionschef des Zentrumch
Kaufmann Wilhelm Fischer, vou seiner schweren Er-
krankung berstts vollständig erho'It haüe, verlautet jetzt,
IHß der nunmehrige Führer der badischen Zenttums-
Pastei, Wg. Rechtsanwalt Fehrenbach, an stnem
Nierenleiden so schwer erkrankt sst, datz ihm der Arzt nahe-
gelegt haben soll, der parlamentarischen Tätigkstt zu ent-
sugen.

Bayern.

München, 11. Juli. Ku'ltusmiinister Dr. von
Wehner führte in der heuttgen Sitzung der Abgeord-
netenkammer unter anderem folgendes aus: „Was haben
Schule und Behrer vom neuen Kultusminister zu er-
warten?" Diese Frage hat der Mgeordnste Segitz vor-
gestevn aufgeworfen. Jch möchte heute an die Aeutzerun-
gen erinnern, die ich am 9. Mai im Ansschusse gettm
habe. Jch habe gesagt: Fch erachte es als mstne Auf-
gabe, datz die Jugend in religiösen Sitten, aber auch zur
Einfachheit und Nüchternheit erzogen wird. Jch werde
darüber wachen, daß die chststlichbn Grundsätze aus der
Schule nicht verdrängt werden und werde dafür sorgen^
daß der christliche Gstst unserer Volksschulen erhalten
bleibt, wie ich auch als konservativer Milnister weiter
dafür sorge, daß uicht Mtes unnötigerweise über Bord
geworfen werde und neues Minderes an seine Stelle
gesetzt wird. Jch habe zu erklären, daß ich das sozia -
listische (!) Schulprogramm uicht durchführen
werde; daß bie Kinder ohne Unterschied d»r
Religionin derSchulebeisammem- sitzen,
werde ich nie und nimmer zugeben. Nun, nach dem Mi-
nister Wehner werden andere Lente kommen, die weniger
engherzig sind.

Vadischer Landtapi.

125. Sitzung der 'Zweiten Kammer.

Karlsruhe, 12. Juli. Präsident Dr. Gönner
erösfnet die Sitzung um 9^ Uhr. IZur Beratung steht der
Bericht der Budgetkommission über die Rheinregu -
lierung, den Hergt (Ztr.) erstattst. Die Kom-
mission beantragt:

An Stelle der Voraussehungen, von deren Erfüllung nach-
dem Beschlusse der 2. Kammer vom 24. Juni 1802 die Bewil-
ligung der 1. Rate für die Rheinregulierung zwischen Sondern-
heim und Stratzburg mit 600 000 Mk. abhängig gemacht worderr
ist, wird beschlossen:

1. Die Grotzh. Regierung wolle noch vor Ratifikation der
Vereinbarung über die Rheinregulierung durch weitere Ver-
handlungen mit dcr Regierung von Elsatz-Lothringen darauf
hinwirken, datz der Anteil des Grotzherzogtums an den Ge-
samtkosten tunlichst auf 30 Prozent herabgesetzt wcrde, wobei
insbesondere die Uebernahme von 10 Prozent der Kosten oder
einer diesem Betrage gleichkommenden, oder sich annähernden
Bauschfumme, mindestens in der Höhe von 1 Million Mark

Kleine Zeitnng.

z ^ Mngen, 11. Jutt. Wie üblich, schlotz das Ver -
^^dsschietzen mit stnem Volksfeft ab. Der Be-
n>ar ziemlich bebeutend. Jm allgemstnen hat das
s^?6tidsschietzen die Hoffnungen, welche man darauf ge-
batte, erfüllt. Jn Bezug auf die Hebung des Frem-
^?stkehrs ist jedenfalls das Schützenfest von allerhöchfter
gdv^ckwng für die ganze Gegend bis in wsttem Umkrstse
h^sen. Den Durst der Festbesucher und der Binger
^tvn stwas überschätzt. Auch die Eintrittsgelder,
Summe fchr hoch ist, hatte man vorhtzr höher an-
Dageg-en hat, für Wasserfstnde die erfchrecklichste
llen ber' Berbrauch an kohlensäurchaltigen, wässest-
^ Flüssigkstten jeden Voranschlag überschstttm. Ganz
ä 8 waren die Einnahmen abvr an Schietzgeldern. Sie
als je auf stnem Verbainbsfchießen. Ein
lliig-^ Defizit wird wahstchstnlich, ttotz fchöner Witter-
in ^.^chättnisse usw. entstchen, doch dürfte dessen Deckung
^chk>stracht der infolge des Verbandsschietzens guten
sp^^ichverhältnisse in -der Bürgerschast kstnem Wider-
^ begegnen.

!>iy ^ Münchcn, 12. Juli. Der Magisttat beschloß heute
dx ^sdehnung des Münchener Trambahn-
^ ^ ^ dts 12 11 h r n- achts , vorbchaltlich der

^8vng des neuen Trambahntastfs durch die Re-
ung. '

^ten

Ferner beschloß er, gemäß dem erstaüeten Gut-
nicht den Abbruch der neuen Maximilians-

^ 'Ee von der Ilnternchnierfirma zu verlangen, sondern

ihr nur entsprechende Pslichten betteffs Reparatur aus-
zuerlegen.

— Schlettstadt, 12. Jutt. Zur Dorgeschichte deis
Raubmordes erhält das hist'ige „Tageblaü" folgende aus-
schenerregende Mitteilung: Der Mörder Böhm, welcher
verheiratst ist, untsthiett sstt stwa 3 Monaten ein Lie -
besverhältnis mit einer noch jungen Dame, die sich
bst ihrem Bruder in Grube bst Wstler (Unterelsatz) aus-
hielt. Jn der letzten Zstt hat er sie nachwstslich mchstach
besucht. Sicherlich hat er ihr vorgeschwindst, er sst un--
vecheiratet. Für den Tag des Mordes muß er ihr zu
irgend einem Zweck stn 'Zusammentreffen hier oder an°
derswo vorgeschlagan haben, um dann mit chr wstter
zu flüchten, denn die junge Dame ist am Samstag- Mor-
gen niit dem estten Zuge von Wstler abgsgangen, und
ihre Verwandten in Grube haben von ihr seither nicht
die geringste Nachricht echalten. Das nöüg« Geld zu
der beabsichtigten Flucht hat Böhm sich zweifellos durch
die Mordtat verschafsen wollen. Die Ehefrau des Ver-
brechers soll sich übstgens vostge Woche auf hiosigem
Bahinhofe erkuudigt haben, ob ihr Mann, der sie sstt
enilger Zeit verlassen hat, hier nicht gesehen worden sst.
Wie das Blatt wstter meldet, ist das Messer des Mörders
bis heute Morgen trotz allen Suchens noch nicht gesunden
worden. Bst der Obduktton der Lstche Ehrsts hvt sich
ergeben, daß Ehret autzer einstn tötlichen Stich in die
Lunge noch stnen wstteren Süch in den Rücken, eineu
Sttch in den- Oberarm und Mst Sttche bezw. Schnitte
in die rechte Hand erhatten hat. Mer wsttere Sttche

w-stsen seine Klstdst aus. Diese haben aber den Körper
selbst nicht gstroffen. Das Kämpfen des unglücklichen
Ehret mit feineni Mörder nmtz hiernach wirklich fürchter-
lich gewesen sstn.

-— Aus der Pfalz, 12. Juli. Zwei Wstnpansch-
Prozesse wurdsn wieder vor der Strafkammer des Land-
gerichts Landau verhandelt. Zunächst nahm der Winzer
Geiler aus Flbesheim aus der Anklagebank Platz. Er
wird beschuldigt, in den Jahren 1903 und 1904 untev
Verwendung von Rosinen, Znckerlösung und Weinststn-
säure Wstn hergestellt und in den Handel gebracht zu
habsn. Es ist ermittelt worden, daß der Angeklagte im
Dezember 1904 an stnen Wstnkommissionär in Arzhstm
Wein zum Psstse von 146 Mk. sür das Fuder verkaust
hat, der auch nichteineSpurNaturwein auf-
wies. Entgegen dem Antrage des Staatsanwalts auf
vier Wochen Gefängnis, 1000 Mk. Geldsttafe imd Ein-
ziehung des Weines erkannte das' Gestcht aus 6 Dage Ge-
fängnis, 300 Mk. Geldstrafe und Einziehung des Wstnes.
—- Jm zweiten Falle erschisnen als Aygeklagts die Guts-
besitzerswitwe Katharina ZiegIer ünd deren 19 Jcchre
alter Sohn Chststian, bstde von Maikammer. Die An-
geklagten werden beschuldigt, von der Firma Ferdiuand
Müllers Erben in Stuttgart Myzestn und Weinexttakt
bezogen und damit große Mengen „analysenfesten" Wstns
hergestellt zu haben. Auch sollsn sie im Jahre 1903 ihren
geherbsteten Most, etwa 26 Fuder, durch Zusatz wässeriger
Zuckerlösung übesttteckt haben, sodatz aus 26 Fuder 48fH'
Fuder wurden. Der Staatsanwalt beantragte gegen Mut-

Die hevtige Nummer umfaßt drei Blätter, zusammeu 12 Seiten.
 
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