Mittwoch, 2. November 1904.
Erstes Blatt.
46. Jahrgang. — Nr. 257.
Pfg-
^kcheint täglich, Sonntags ausgcnommen. Preis mit Familicnblätterir monatlich 50 Hfg. in's Haus gebracht, bei ber Expedition und den Zweigstationen abgeiholt 40
^ Durch die Post bezogen vierteljährlich 1,35 Mk. ausschlietzlich Zustellgebühr.
" 3 c i g x ^ p x o i s- Zy Pfg sgx dic Ispaltige Petitzeile odcr deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- u. Privatanzeigen ermätzigt. — Für die Aufnahme don Anzeigen
^estinnnten Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung u. den ftädt. Anfchlagstellen. Fernfpr. 82.
Die Angriffe auf das franzöfische'
Ministerium.
die MögKchk-eit rückt, Äaß dü's Kckbi-nett
^ie Trennirng' von Kirche und Staat in Franckreich
f^^ührt, desto heftiger werden die Bersuche der kleri-
konfervativen Opposition, dieses gefährliche
.S/
^?Herium noch in letzter Stunde zu stürzen. Als An-
skhüik^ntt haben die Geguer sich wohlweislich die
Stelle des KÄbinetts ausgesucht, nünilich den
2sn,inister Andrd, dessen GeschöstsführunV iü der
'st
Moncherlei Ausstellungen Anlaß giebt. Neulich
r>vp ^ bisgierun'g nur mit der ganz knappen Mehcheit
^ Stiminen einer Niederlage entgangen.
gegtz. ^orwurs, dsn die Klerikalen an jenem Freitag
^stden Kriegsminister erhoben, ging dcch-iu:
E>er rE Angebereien in 'der Armee vorgekommen und
3iva^r>nnangoffi-zier des Kriegsministers, Hauptmann
^steg"' ^ den Freimaurern Ofsiziers-Führungs-
^i«s ^^egengenommen. Non der ersteren Beschuldigung
Kriegsminister noch, daß sie auf leerem Klatsch
^tzte von- ^ zweiten, die sich auf Dokumente
er, er hiabe von ihnen nicht die geringste
nrs. -Ex bei, HZ sti die Pflicht des Jnter-
Nkxp, En gewesen, ihm vor der Knterpellation die Doku-
^ su zeigen, damit er sie auf ihre Echtheit Prüfen und
Müßregeln an-ordnen konnte. Da dies nicht
?r an d ^ ^i, st müsfe er seine Vorbehalte machen, olbgleich
Er ^"^ur guten Glauben des Jnterpellanten nicht zweifle.
^er ir ^ fiht die Sache prüferi unid je nach dsm Ergebnis
^utersuchung seine Entschlüsse fasssn. Die Prüfung,
Kriegsminister seither angestellt hat, evgab- die
HstE, ^ it der D -okument e und bereits ist auch eine
stdd v brsblgt: der Ovdonnanzoffizier isr errtl a s s e n
^ 'b sveimaurerifchen Listen- sind verbrannt wor-
fasf^ilüllend ift es ja besonders für die deutsche Auf-
'üri^ ?' dvß von den Logen Auskünfte über die Gesin-
n . Dex
^nd Führurrg von Öffizieren- erteilt wevden.
^ j^tionalistrsche Abgeordnete Güyot de Villeneuve
8reitag> eiue lange Reihe von Papieren vor, aus
Ney ^ ^rdorgiug, daß -mehrere Offiziere aus dem Kabi-
^tiegsnrinisters, welche die Avancements-Tabellen
rer^7^ieu- hatten, sich an -den Zentralrat der Freimau-
wvndten, um Auskunst über das Leben und die
der in Frage kommenden Offiziere zu er-
' Die ,jFrkf. Ztg." sucht dies Vorgehen iolgeoderma-
^ fiklären: Es ist bekannt datz der klerikale franz.
gps 1871 Kwar die Republik ächtete, sich aber doch
KerK«"^^^n Roms herbsiließ, seine Söhne in die Offi-
^nges eintreten- zu lassen, in der Hofftrung, eiues
fbifter E>ilse -der Avmee die Republrk zu stürzen. Die
Niigd^ ^neiguisse ^ha-ben den Erfolg dieser Taktrk ge-
in wps^°^^E>art und mvrr- weiß ous der Dreyftrs-Affäre
?br«lü^r Abhäugigkeit der Kriegsmimster und der Ge-
noch> ^ Jahüe 1900 zum Obersten der
^Nchsn Jesuiten standen. Seitdem ist der Umschwung
gekommen; ^der General Andre arbeitet nanientlich an
der Entfernung der -alten reakstonären Elemente und
ihrem Ersatz durch junge zuverlässig republ-ikanische Ofsi-
ziere. Aber w-er soll ihn über den Eharakter diesev jungen
Ofsiziere belchren? Jhrs Vovgesetzten sind znm gr-oßen
Teil der alten Schüle treu und haben keine Ne'i-gnng, einen
Nachwüchs zu empfchlen-, d-er> mit den Traditione-n der
Kaste bvechen will. Der Kriegsminffter ist also ost ge-
Zwnngen-, den Weg der militärischen Jnstanz zu verlasstzn
und sich- an- die Präsekten zu weNden, dre als Vertreter der
Regierung die Aufficht Mer alle Beamten zu führen haben.
Daß di-e Präfekten der Repub-'Iik in -den Freimaurer-Logeir
rhre chrlichsten und zuverlässigsten Mitarbefter finden, ist
eine altb-ekannte Tatsache, in- der' kein Franzose etwas
Ucherraschen-des oder Verletzendes erblickt, ^denu die Frei-
maurerei ist in Frankreich -der bürgerliche Gegensüßlcr
des aristokratischen- 'Jesuitismus gchlieben. Jn den oon
Guyot de Mlleneuve vorgöführten Fällen bestünde dem-
nach die Unregelmäßigkeit vor allem in- der Tatsache, daß
die Kabinettsoffiziere des Generals Andre rhre Auskünfie
nicht ordnungsmäßtg auf dem administrativen Umweg
ü-ber den- Präfekten zu er'Iangen, suchten, sondern sich direkt
an den Gen-eralsekretär des Zentralrats der Jr-eimaurcr-
'logen Badecar wandten. Der eine der beschuldigten Offi-
ziere, Hanptmanrt Mollin, ein Schwisgersohn von Anatole
France, -hat berefts seine Entlassung genommen; er hnt
damit seine Unkorrektheit eingestanden urrd zugleich bestä-
tigt, daß dre in der Karnmer gemachten Enthüllungen
authenfi'sch waren. Jü der Tat weih mon heute, daß ein
ungetrener Beanfter des Grand Orient etwa 800 Dokn-
mente entwendet hat und idaß et si-e um den Prcrs von
60 000 Frvnks veräußert haben soll; die von Guyot de
Villenenvs nnd vom „Figaro" veröffentlichten P-apiere
stellen den intevessantesten Teil dieser Dokumente dar.
Eine nicht rmwichfige Frage ist nun, ob der KriegS-
minister Kenntnis von dem unkorrekten Vorgehen seiner
Offrzrere gehäbt hat. Er behauptet nein, aber der uus
dem Dreyfnftprozeß bekannte Oberstleutnant a. D. H a r t-
mann, einer der wenigen mlilitärischen E-ntlastnngszen-
gen, L-ie für' die Unschu'ld Dreysus eintraten, veröffentlicht
ein Schrei-ben, worin- er behaupt-et, der Kriegsminister habe
wohl persönlich um das Vorhandensein d-er -Berickste über
politisch verdächtige Offiziere gewußt, sich aber, wie er
selbst erklärt habe, mit der Sache nicht befassen wollsn,
um es ni-cht mit dem Einflusse der Freimanrerloge „Gcand
Orierft" zu verderben. Kriegsminister Genentl Andre
erklärte dem Vertreter eines Pariser Blottes jed-och von
neuem das Gegerrteil. Wahvscheinlich wer'den die Natio-
nalfften versuchen, die Behanptungen- Hartmarrns, der für
ihre Richtigkeft Ohrenzeugen jener Erklärung des Kriegs-
ministers -ansührt, gegen- letzteren nochnrals ausznschlach-
ten.
Jnzwischen hat der Sekretär der Großloge „Gran-d
Orient", Vadeca-rd, gegen den Deputierten Guyot de
Villenneuve Klage we g e n D i e b st a h I s erhoben.
Andererseits sagt -der „Figaro", welcher die Veröffent-
lichung der Auskunstszettel Wer die -ÖsfiN-ere fortsetzt.
die Verhrennnng dieser Zettel, welche im Kriegs-
minffterium vorgenommen worden sei, könne nur als ein
schlechter Scherz angesehen wevden, da die Originüle dieser
Auskunstszettel in der Loge „Grand Orierft" aufbewahrt
wüvden. Der sozialistische Deputierte Iaurtzs spricht
in seiner „Humanits" seftre Befriedigun-g darüber aus,
daß der Depntierte Guyot de Villenenve dre Angelegenheit
nochmals in der Kammer zur Sprache brin-gen wolle. Die
Repuhlikaner würden dann, wie er meint, Gelegenheit
haben, di-eunheilvo'Ile klerikale Protek-
t r o n s w i r t s ch a f t zu enthüllen, welche lange Jahre
hirrdurch die A r m e e v e r g i f t e t hab-e. Die Majorität
werde dann den repnblikanischen Offizieren, die stch scit
eimgen Tagen im Stiche gelassen glaubten, die Zrwersicht
un-d das Vertrauen wiedergeben können.
Man darf älso neugierig sein, wie die Sache srch
weiter entwickeln wird.
Deutsches Reich.
Ba-e».
Karlsruhe, 1. Nov. „Der Justizbeamte
soll r echt s ku n d i g e n Beteiligten hils-
reich e n t g eg e nko m-men." Dieses ist kurzgefaßt
der Jnhalt eines ErIasses -des Badischen Justizmini-
sterrums an die Großh. Notare, der kürzlich in der
„Badischen Rechts'praris verösfeirtlicht worden ist. Da
aber die genannte Zeitschrist doch nur in juristischen- Krei-
sen gelesen wird, und der Erlaß, von -dem wir mit Frende
Kenntnis genommen haben, doch auch das Puh'liküm, und
zwar in hohem Maße interessiert, möchten wir die Haupt-
gesichtspunkte dieser trefflichen Nerfügung weiteren Krei-
sen zugünglich machen .Den Anlaß zu der minifteriellen
Kinrdgebung b-ot eine Erbschastsverhandtnng, bei der eiriE
auswärtige Frauensperson trotz mehrfacher, sorinell kor-
rekter Frffffetzung eineni von ihr zu erwarteniden Anrrag
aus Rechtsnnkenntnis zu stellen uifteffließ. Dem- betref-
fenden Notariat bemerkte nun das Justizministerium:
Das Notariat durfte sich nicht aus den von ihm einge-
nommenen formalistischen un-d wenig entgegenkoinmenden
Standpuntt stellen. Jn solchcn -Fällen hat das Notariat, zu-
mal wenn es sich, wie vorliegend, um offenbar in Ge-
schästen unbewanderte Personen handelt, Lie nicht mtt der
Feder umzugehen wissen, die Pflicht, den Leuten, die es um
Beistand angehen, mit den ihm zu Gebote stehenüen Mitteln
an die Hand zu gehen und ihnen zur Durchsetzung ihrer
Ansprüche behilslich zu sein.
Nachdem der Evlatz sich noch darüber ausgesprochen,
was im vorwürftgen Fall -häüe geschehen 'sollen, schließt
er wie folgt:
Nur bei einer derartigen, den Jnteressen der Beteiligten
in verständiger Weise Rechnung tragenden Auslegung und
Anwendung der Formvorschrtften können die letzteren ihren
Zweck ersüllen, während sie bei einer fornralisftschen unb
engherztgen Handhabung die Beteiligten schädigen und un->
zuffriefin machen wcrden.
Sachsen-Wcimar.
Iena, 1. Nov. Jn> Zre -genhaiir »vurde ein
Sozialdemokrat znm- B ü r g e r m e r st e r ge-
wählt.
Kleine Zeitung.
^of°^ck>Ul"achrichten. Die „Nordd. Allgem Ztg-"
O. Lummer, Direktor der optpchen Abteilung
?-s O^^dhsikalisch-Technischen Reichsanstalt rn B e r lr n , 'st
stitufl^^rius der Physik und Dircktor des physrkalrschen ^n-
d r> r g die Univcrsrtät Breslau berufen — Aus M a r -
dersiL?v'rd ge-schrieben: An Stelle des an dre Wrener Unr-
H dD^rustnen Geh- ivred.-Rats Prof. Dr. Hans M e Y e r
Ä t ^^^^dozcnt an der Univcrsität Leipzig , Walter
an die hiesiae Untversität bernfen worden.
tzes. Koblenz, 1. Nov. Vor der Strastmnmer erMeuen
^l^rn vrcr gefährliche Einbrecher, der Kellner
^ ciris Plcft^dorf, die Schlossev Kläser von hier, Kcß-
iEerffw-dt und Lndwin -aus EILing. welche den
^eriill?^' der Villa HumPerdinck in- Boppard
stvhl ^ "nd dort für 4000 Mk. SikbergegeifftÜnde ge-
lmtten. Es ergab sich hieffbei, daß nicht Humper-
^onldern eine Fran v. Kalinow-ski die Bestohlene
Siff Koblcu-zer Krrminalpolizei hat das gestohlene
Lrrd^ größten Terl wieder zur Stelle geschafft.
berii rrhiett 4. Jahre Auchthaus und 10 Jahre Ehr-
-^Bt Eltze 11/2 Jahr-e, Kläser 6 Monate und Kchler 1
Gesängnis.
Brüderchcn nnd Schwcstcrchcn. Vor einigen
lrerschwan-den aus väffelhaste Weise die berden
d^r // Tischlers Baumgarten in Steglitz,
finp ^^drige Hans und die 8iäbrige Else. Da der Knabe
Kl " st^teren Scknftweg hat, so verlich er ain Montag
Teir mix gewöhnlrch die elterlrche Wohnung eine Dier-
telstun-de srüher als das Mädchen. Beide Kinder wa-ren
aber in ihren- Schulen- nickst eirrgefiaffen und- wuffden!
seitdem vennißt. Jhre Schulmappen wnrden einen Tag
später von Arbeftern unweit des Bahrchofes Südende im
Chausseegraben- aufgesun-den, von den Kiridern selbst
fchüe aber jede Spur. Einige Dage später -sind sie nnn in
völlig erschöpstem und 'verkonftnen-em Zustande aus der
Wilmersdo-rser Feldmärk in Steglitz auffgeftmden und
zur PMZei gebracht worden. Rus den- beiden Geschwistsrn
war nicht viel über -die Motive heranszubringen, wes-
halb sie aus dom Elternhvufe verschwunden sind. Sie
berichteten, datz sie zur Tageszeit herunivagaborrdiert
waren. Zumeist -hätten sie sich an Bcchnhöfen aufgehaltsn,
um dort durch Tragen- der Pakete van- Reisenden e-iuige
Pfennige zu verdienen. Die Nächte veffbrachten sie auf
Neubauten. Eine Ifircht ffanden sie -bei dem Kaufmann
Kleist in Steglitz, Brandenburgstraße, lknterkunft, dem
sie erzMten, ste hätten ihre Großmutter öesucht, sich
dabei verspätet und künnten nicht mehr den W-eg nach
Haus-e finden. Den beiden Kindern- scheint ein aben-
teuerlicher Hang eigen zu seiu. Sie hatten sich an jenem
Montag verabredet, gemeinsam die Schule zu schw-änzen,
und das frei-e Leben gefiel chnen so außerordentlich, datz
sie an ein Nachhausegchen nicht mehr -dachten.
— Meiningen, 1. Nov. Gvgen zwei Rechtsanwalte
nnd einen Gerichts-Assessor fft v-on Sesten der Militär-
Bchörde -das eh r e n g e r 'i ch t l i ch e Veffahren eröffnet
wor-den, weil ste in ein-em hiestgen Lokal mit bem
als So-zialdemokraten bekaunten Berliner Rechts-
anwalt Dr. Karl Liebkne ch t an ernem Tische
gesessen -hafien.
— Landan, 1. Nov. Wegen- W e i n-fä l s ch u ng
verurteilte die hiesige Strcffkammev den 60 Jcchre alten
Weirrhändler Josef Jung von hier zu einer WockM Ge-
fängnis und 3000 Mk. Geldstwfi, den 58 Jähre alten
Weinhändler August Rohr von hier zu 2000 L>Ä. Geld-
strafe. 24 000 Liter Wein -des Weirchändlers Rohr ließ
man auslaufen.
Ein kaltes Herz kann nimmer glücklich sein,
Ein kaltes Herz ist wahrhaft arnr zu nennen,
Wer mag ein warines Herz von seiner Liebe trennen?
Wer nennt es arm? — Wer liebt, nennt etwas sein.
Unbek. Dichter.
Literarisches-
—» Hebbel-Kalender für 1905. Ein Jahrbuch, herausge-
gcben von Richard Maria Werner und Walther Bloch. B. Behr's
Verlag, Berlin. Preis Mk. 2. Endlich ein Jahrbuch für Heb-
bel, den lange Verkannten, das der Mittelpnnkt für die immer
mehr anwachsende Hcbbelgemeinde zu wcrden veffpricht. Die
HerausMber betonen zwar in ihrer Bescheidenheit den kleincn
Matzstab, den man an das Buch legen solle. Ueberreich aber ist
das Gebotene. Kalenbarium, eine kurze Biographie -des Dich«
ters, Erzählungen, Gedichte, LehrLrief wechseln in bunter Folge
miteinanüer ab unü machen das Buch antzerordentlich anziehend.
Ein Stich Hebbels von Gehser schmückt das Jahrbnch. Möge
dassclbe noch recht oft wiederkehren und ein lieber Gefährte
werden. -
Die heutige Nummer «mfaßt drei Mätter, zvsammeu 14 Seite«
Erstes Blatt.
46. Jahrgang. — Nr. 257.
Pfg-
^kcheint täglich, Sonntags ausgcnommen. Preis mit Familicnblätterir monatlich 50 Hfg. in's Haus gebracht, bei ber Expedition und den Zweigstationen abgeiholt 40
^ Durch die Post bezogen vierteljährlich 1,35 Mk. ausschlietzlich Zustellgebühr.
" 3 c i g x ^ p x o i s- Zy Pfg sgx dic Ispaltige Petitzeile odcr deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- u. Privatanzeigen ermätzigt. — Für die Aufnahme don Anzeigen
^estinnnten Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung u. den ftädt. Anfchlagstellen. Fernfpr. 82.
Die Angriffe auf das franzöfische'
Ministerium.
die MögKchk-eit rückt, Äaß dü's Kckbi-nett
^ie Trennirng' von Kirche und Staat in Franckreich
f^^ührt, desto heftiger werden die Bersuche der kleri-
konfervativen Opposition, dieses gefährliche
.S/
^?Herium noch in letzter Stunde zu stürzen. Als An-
skhüik^ntt haben die Geguer sich wohlweislich die
Stelle des KÄbinetts ausgesucht, nünilich den
2sn,inister Andrd, dessen GeschöstsführunV iü der
'st
Moncherlei Ausstellungen Anlaß giebt. Neulich
r>vp ^ bisgierun'g nur mit der ganz knappen Mehcheit
^ Stiminen einer Niederlage entgangen.
gegtz. ^orwurs, dsn die Klerikalen an jenem Freitag
^stden Kriegsminister erhoben, ging dcch-iu:
E>er rE Angebereien in 'der Armee vorgekommen und
3iva^r>nnangoffi-zier des Kriegsministers, Hauptmann
^steg"' ^ den Freimaurern Ofsiziers-Führungs-
^i«s ^^egengenommen. Non der ersteren Beschuldigung
Kriegsminister noch, daß sie auf leerem Klatsch
^tzte von- ^ zweiten, die sich auf Dokumente
er, er hiabe von ihnen nicht die geringste
nrs. -Ex bei, HZ sti die Pflicht des Jnter-
Nkxp, En gewesen, ihm vor der Knterpellation die Doku-
^ su zeigen, damit er sie auf ihre Echtheit Prüfen und
Müßregeln an-ordnen konnte. Da dies nicht
?r an d ^ ^i, st müsfe er seine Vorbehalte machen, olbgleich
Er ^"^ur guten Glauben des Jnterpellanten nicht zweifle.
^er ir ^ fiht die Sache prüferi unid je nach dsm Ergebnis
^utersuchung seine Entschlüsse fasssn. Die Prüfung,
Kriegsminister seither angestellt hat, evgab- die
HstE, ^ it der D -okument e und bereits ist auch eine
stdd v brsblgt: der Ovdonnanzoffizier isr errtl a s s e n
^ 'b sveimaurerifchen Listen- sind verbrannt wor-
fasf^ilüllend ift es ja besonders für die deutsche Auf-
'üri^ ?' dvß von den Logen Auskünfte über die Gesin-
n . Dex
^nd Führurrg von Öffizieren- erteilt wevden.
^ j^tionalistrsche Abgeordnete Güyot de Villeneuve
8reitag> eiue lange Reihe von Papieren vor, aus
Ney ^ ^rdorgiug, daß -mehrere Offiziere aus dem Kabi-
^tiegsnrinisters, welche die Avancements-Tabellen
rer^7^ieu- hatten, sich an -den Zentralrat der Freimau-
wvndten, um Auskunst über das Leben und die
der in Frage kommenden Offiziere zu er-
' Die ,jFrkf. Ztg." sucht dies Vorgehen iolgeoderma-
^ fiklären: Es ist bekannt datz der klerikale franz.
gps 1871 Kwar die Republik ächtete, sich aber doch
KerK«"^^^n Roms herbsiließ, seine Söhne in die Offi-
^nges eintreten- zu lassen, in der Hofftrung, eiues
fbifter E>ilse -der Avmee die Republrk zu stürzen. Die
Niigd^ ^neiguisse ^ha-ben den Erfolg dieser Taktrk ge-
in wps^°^^E>art und mvrr- weiß ous der Dreyftrs-Affäre
?br«lü^r Abhäugigkeit der Kriegsmimster und der Ge-
noch> ^ Jahüe 1900 zum Obersten der
^Nchsn Jesuiten standen. Seitdem ist der Umschwung
gekommen; ^der General Andre arbeitet nanientlich an
der Entfernung der -alten reakstonären Elemente und
ihrem Ersatz durch junge zuverlässig republ-ikanische Ofsi-
ziere. Aber w-er soll ihn über den Eharakter diesev jungen
Ofsiziere belchren? Jhrs Vovgesetzten sind znm gr-oßen
Teil der alten Schüle treu und haben keine Ne'i-gnng, einen
Nachwüchs zu empfchlen-, d-er> mit den Traditione-n der
Kaste bvechen will. Der Kriegsminffter ist also ost ge-
Zwnngen-, den Weg der militärischen Jnstanz zu verlasstzn
und sich- an- die Präsekten zu weNden, dre als Vertreter der
Regierung die Aufficht Mer alle Beamten zu führen haben.
Daß di-e Präfekten der Repub-'Iik in -den Freimaurer-Logeir
rhre chrlichsten und zuverlässigsten Mitarbefter finden, ist
eine altb-ekannte Tatsache, in- der' kein Franzose etwas
Ucherraschen-des oder Verletzendes erblickt, ^denu die Frei-
maurerei ist in Frankreich -der bürgerliche Gegensüßlcr
des aristokratischen- 'Jesuitismus gchlieben. Jn den oon
Guyot de Mlleneuve vorgöführten Fällen bestünde dem-
nach die Unregelmäßigkeit vor allem in- der Tatsache, daß
die Kabinettsoffiziere des Generals Andre rhre Auskünfie
nicht ordnungsmäßtg auf dem administrativen Umweg
ü-ber den- Präfekten zu er'Iangen, suchten, sondern sich direkt
an den Gen-eralsekretär des Zentralrats der Jr-eimaurcr-
'logen Badecar wandten. Der eine der beschuldigten Offi-
ziere, Hanptmanrt Mollin, ein Schwisgersohn von Anatole
France, -hat berefts seine Entlassung genommen; er hnt
damit seine Unkorrektheit eingestanden urrd zugleich bestä-
tigt, daß dre in der Karnmer gemachten Enthüllungen
authenfi'sch waren. Jü der Tat weih mon heute, daß ein
ungetrener Beanfter des Grand Orient etwa 800 Dokn-
mente entwendet hat und idaß et si-e um den Prcrs von
60 000 Frvnks veräußert haben soll; die von Guyot de
Villenenvs nnd vom „Figaro" veröffentlichten P-apiere
stellen den intevessantesten Teil dieser Dokumente dar.
Eine nicht rmwichfige Frage ist nun, ob der KriegS-
minister Kenntnis von dem unkorrekten Vorgehen seiner
Offrzrere gehäbt hat. Er behauptet nein, aber der uus
dem Dreyfnftprozeß bekannte Oberstleutnant a. D. H a r t-
mann, einer der wenigen mlilitärischen E-ntlastnngszen-
gen, L-ie für' die Unschu'ld Dreysus eintraten, veröffentlicht
ein Schrei-ben, worin- er behaupt-et, der Kriegsminister habe
wohl persönlich um das Vorhandensein d-er -Berickste über
politisch verdächtige Offiziere gewußt, sich aber, wie er
selbst erklärt habe, mit der Sache nicht befassen wollsn,
um es ni-cht mit dem Einflusse der Freimanrerloge „Gcand
Orierft" zu verderben. Kriegsminister Genentl Andre
erklärte dem Vertreter eines Pariser Blottes jed-och von
neuem das Gegerrteil. Wahvscheinlich wer'den die Natio-
nalfften versuchen, die Behanptungen- Hartmarrns, der für
ihre Richtigkeft Ohrenzeugen jener Erklärung des Kriegs-
ministers -ansührt, gegen- letzteren nochnrals ausznschlach-
ten.
Jnzwischen hat der Sekretär der Großloge „Gran-d
Orient", Vadeca-rd, gegen den Deputierten Guyot de
Villenneuve Klage we g e n D i e b st a h I s erhoben.
Andererseits sagt -der „Figaro", welcher die Veröffent-
lichung der Auskunstszettel Wer die -ÖsfiN-ere fortsetzt.
die Verhrennnng dieser Zettel, welche im Kriegs-
minffterium vorgenommen worden sei, könne nur als ein
schlechter Scherz angesehen wevden, da die Originüle dieser
Auskunstszettel in der Loge „Grand Orierft" aufbewahrt
wüvden. Der sozialistische Deputierte Iaurtzs spricht
in seiner „Humanits" seftre Befriedigun-g darüber aus,
daß der Depntierte Guyot de Villenenve dre Angelegenheit
nochmals in der Kammer zur Sprache brin-gen wolle. Die
Repuhlikaner würden dann, wie er meint, Gelegenheit
haben, di-eunheilvo'Ile klerikale Protek-
t r o n s w i r t s ch a f t zu enthüllen, welche lange Jahre
hirrdurch die A r m e e v e r g i f t e t hab-e. Die Majorität
werde dann den repnblikanischen Offizieren, die stch scit
eimgen Tagen im Stiche gelassen glaubten, die Zrwersicht
un-d das Vertrauen wiedergeben können.
Man darf älso neugierig sein, wie die Sache srch
weiter entwickeln wird.
Deutsches Reich.
Ba-e».
Karlsruhe, 1. Nov. „Der Justizbeamte
soll r echt s ku n d i g e n Beteiligten hils-
reich e n t g eg e nko m-men." Dieses ist kurzgefaßt
der Jnhalt eines ErIasses -des Badischen Justizmini-
sterrums an die Großh. Notare, der kürzlich in der
„Badischen Rechts'praris verösfeirtlicht worden ist. Da
aber die genannte Zeitschrist doch nur in juristischen- Krei-
sen gelesen wird, und der Erlaß, von -dem wir mit Frende
Kenntnis genommen haben, doch auch das Puh'liküm, und
zwar in hohem Maße interessiert, möchten wir die Haupt-
gesichtspunkte dieser trefflichen Nerfügung weiteren Krei-
sen zugünglich machen .Den Anlaß zu der minifteriellen
Kinrdgebung b-ot eine Erbschastsverhandtnng, bei der eiriE
auswärtige Frauensperson trotz mehrfacher, sorinell kor-
rekter Frffffetzung eineni von ihr zu erwarteniden Anrrag
aus Rechtsnnkenntnis zu stellen uifteffließ. Dem- betref-
fenden Notariat bemerkte nun das Justizministerium:
Das Notariat durfte sich nicht aus den von ihm einge-
nommenen formalistischen un-d wenig entgegenkoinmenden
Standpuntt stellen. Jn solchcn -Fällen hat das Notariat, zu-
mal wenn es sich, wie vorliegend, um offenbar in Ge-
schästen unbewanderte Personen handelt, Lie nicht mtt der
Feder umzugehen wissen, die Pflicht, den Leuten, die es um
Beistand angehen, mit den ihm zu Gebote stehenüen Mitteln
an die Hand zu gehen und ihnen zur Durchsetzung ihrer
Ansprüche behilslich zu sein.
Nachdem der Evlatz sich noch darüber ausgesprochen,
was im vorwürftgen Fall -häüe geschehen 'sollen, schließt
er wie folgt:
Nur bei einer derartigen, den Jnteressen der Beteiligten
in verständiger Weise Rechnung tragenden Auslegung und
Anwendung der Formvorschrtften können die letzteren ihren
Zweck ersüllen, während sie bei einer fornralisftschen unb
engherztgen Handhabung die Beteiligten schädigen und un->
zuffriefin machen wcrden.
Sachsen-Wcimar.
Iena, 1. Nov. Jn> Zre -genhaiir »vurde ein
Sozialdemokrat znm- B ü r g e r m e r st e r ge-
wählt.
Kleine Zeitung.
^of°^ck>Ul"achrichten. Die „Nordd. Allgem Ztg-"
O. Lummer, Direktor der optpchen Abteilung
?-s O^^dhsikalisch-Technischen Reichsanstalt rn B e r lr n , 'st
stitufl^^rius der Physik und Dircktor des physrkalrschen ^n-
d r> r g die Univcrsrtät Breslau berufen — Aus M a r -
dersiL?v'rd ge-schrieben: An Stelle des an dre Wrener Unr-
H dD^rustnen Geh- ivred.-Rats Prof. Dr. Hans M e Y e r
Ä t ^^^^dozcnt an der Univcrsität Leipzig , Walter
an die hiesiae Untversität bernfen worden.
tzes. Koblenz, 1. Nov. Vor der Strastmnmer erMeuen
^l^rn vrcr gefährliche Einbrecher, der Kellner
^ ciris Plcft^dorf, die Schlossev Kläser von hier, Kcß-
iEerffw-dt und Lndwin -aus EILing. welche den
^eriill?^' der Villa HumPerdinck in- Boppard
stvhl ^ "nd dort für 4000 Mk. SikbergegeifftÜnde ge-
lmtten. Es ergab sich hieffbei, daß nicht Humper-
^onldern eine Fran v. Kalinow-ski die Bestohlene
Siff Koblcu-zer Krrminalpolizei hat das gestohlene
Lrrd^ größten Terl wieder zur Stelle geschafft.
berii rrhiett 4. Jahre Auchthaus und 10 Jahre Ehr-
-^Bt Eltze 11/2 Jahr-e, Kläser 6 Monate und Kchler 1
Gesängnis.
Brüderchcn nnd Schwcstcrchcn. Vor einigen
lrerschwan-den aus väffelhaste Weise die berden
d^r // Tischlers Baumgarten in Steglitz,
finp ^^drige Hans und die 8iäbrige Else. Da der Knabe
Kl " st^teren Scknftweg hat, so verlich er ain Montag
Teir mix gewöhnlrch die elterlrche Wohnung eine Dier-
telstun-de srüher als das Mädchen. Beide Kinder wa-ren
aber in ihren- Schulen- nickst eirrgefiaffen und- wuffden!
seitdem vennißt. Jhre Schulmappen wnrden einen Tag
später von Arbeftern unweit des Bahrchofes Südende im
Chausseegraben- aufgesun-den, von den Kiridern selbst
fchüe aber jede Spur. Einige Dage später -sind sie nnn in
völlig erschöpstem und 'verkonftnen-em Zustande aus der
Wilmersdo-rser Feldmärk in Steglitz auffgeftmden und
zur PMZei gebracht worden. Rus den- beiden Geschwistsrn
war nicht viel über -die Motive heranszubringen, wes-
halb sie aus dom Elternhvufe verschwunden sind. Sie
berichteten, datz sie zur Tageszeit herunivagaborrdiert
waren. Zumeist -hätten sie sich an Bcchnhöfen aufgehaltsn,
um dort durch Tragen- der Pakete van- Reisenden e-iuige
Pfennige zu verdienen. Die Nächte veffbrachten sie auf
Neubauten. Eine Ifircht ffanden sie -bei dem Kaufmann
Kleist in Steglitz, Brandenburgstraße, lknterkunft, dem
sie erzMten, ste hätten ihre Großmutter öesucht, sich
dabei verspätet und künnten nicht mehr den W-eg nach
Haus-e finden. Den beiden Kindern- scheint ein aben-
teuerlicher Hang eigen zu seiu. Sie hatten sich an jenem
Montag verabredet, gemeinsam die Schule zu schw-änzen,
und das frei-e Leben gefiel chnen so außerordentlich, datz
sie an ein Nachhausegchen nicht mehr -dachten.
— Meiningen, 1. Nov. Gvgen zwei Rechtsanwalte
nnd einen Gerichts-Assessor fft v-on Sesten der Militär-
Bchörde -das eh r e n g e r 'i ch t l i ch e Veffahren eröffnet
wor-den, weil ste in ein-em hiestgen Lokal mit bem
als So-zialdemokraten bekaunten Berliner Rechts-
anwalt Dr. Karl Liebkne ch t an ernem Tische
gesessen -hafien.
— Landan, 1. Nov. Wegen- W e i n-fä l s ch u ng
verurteilte die hiesige Strcffkammev den 60 Jcchre alten
Weirrhändler Josef Jung von hier zu einer WockM Ge-
fängnis und 3000 Mk. Geldstwfi, den 58 Jähre alten
Weinhändler August Rohr von hier zu 2000 L>Ä. Geld-
strafe. 24 000 Liter Wein -des Weirchändlers Rohr ließ
man auslaufen.
Ein kaltes Herz kann nimmer glücklich sein,
Ein kaltes Herz ist wahrhaft arnr zu nennen,
Wer mag ein warines Herz von seiner Liebe trennen?
Wer nennt es arm? — Wer liebt, nennt etwas sein.
Unbek. Dichter.
Literarisches-
—» Hebbel-Kalender für 1905. Ein Jahrbuch, herausge-
gcben von Richard Maria Werner und Walther Bloch. B. Behr's
Verlag, Berlin. Preis Mk. 2. Endlich ein Jahrbuch für Heb-
bel, den lange Verkannten, das der Mittelpnnkt für die immer
mehr anwachsende Hcbbelgemeinde zu wcrden veffpricht. Die
HerausMber betonen zwar in ihrer Bescheidenheit den kleincn
Matzstab, den man an das Buch legen solle. Ueberreich aber ist
das Gebotene. Kalenbarium, eine kurze Biographie -des Dich«
ters, Erzählungen, Gedichte, LehrLrief wechseln in bunter Folge
miteinanüer ab unü machen das Buch antzerordentlich anziehend.
Ein Stich Hebbels von Gehser schmückt das Jahrbnch. Möge
dassclbe noch recht oft wiederkehren und ein lieber Gefährte
werden. -
Die heutige Nummer «mfaßt drei Mätter, zvsammeu 14 Seite«