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Heidelberger Zeitung (46) — 1904 (Juli bis Dezember)

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Nr. 282 - 307 (1. Dezember 1904 - 31. Dezember 1904)
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G?ftes Blatt.

4-. Jahrgaug. — Nr. 291

^iontag, 12. Dezember 1994.

Erscheint tägkich, Sonntags auSgenommen. Preis mit Familieniblättern monatlich 50 Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstationen abgeHolt <0 Pf».

Durch die Post bezogen vierteljährlich 1,35 Mk. ausschlietzlich ZustellgebüHr.

^nzeigenpreis: 20 Pfg. für di« Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- u. Privatanzeigen ermätzigt. — Für die Aufnahme von Ar^etgen
oa bestimmten Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung u. den städt. Anfchlagstellen. Fernfpr. 8L.

Deutscher Reichstag.

B e r I i n,

lO.'Dez.

Das Haus ist mäßig öesetzt.

fortgesetzten Etatsbcratung führt Abg. Blumen-
: .(südd. Vp.) aus: Die deutschen Shmpathicn für üic Bu-

q^ st^ün nicht zum wenigsten durch das kaiferliche Tclegramm
Präsidenten Krüger erweckt worden. Davon lönnc keine

stin, Laß die Mehrheit >des französischen Wolkes Lie Er-

von 1870—71 in einem Kricge wieder gut Zu maa.en
^atz Jaures die Revcmcheidee angreifcn konntc, ist ein
^Tsissyniptom für das Schwinden derselbcn. Wesentlich fur
djj,. ^chlvindcn ist aber dic Stimnrun-g der reichsländischen Be-
,-,^Erung. Dasür aber sollte man E l s a tz - L o t h r i n g e n
Vertrctung im Bundesrat geben und zwar unter Aen-
der Verfasfung. Was das militärgerichtliche
b,.^(uhren betrcffe, fo crinnere er an das Wort eines Stratz-
Professors: Die Gefctze -sind nicht alles; das Wichtigste
tz-zA invmer, datz öcr^Richter kein Efel i-st. (Heiterkeit.) Ge-
!:>^)fder den Klagcn «pa-hns über die Benachteiligung der Ka-
schildert Rcdner unter Heitcrkeit des Hauscs und Un-
han Zcntrums und unter Zitaten katholischer Blättcr die
Px'wtzg der katholischen Kirche im ReichSland gegenübcr üen
^'^ta,ntcn; er wetft auf die Famecker Kirchhofsaffäre hin.
M b' -stirchhofsgcschichten hättcn ganz Lothringen in Aufrcgung
f-^ucht. Alles dies wird von Bischof Benzler sanktioniert.

"tzdem soll cr mit dcr Regicrung aufs beste bestehen.
srz ^dg. Hcim (Ztr.): Als ich las, datz ein Bayer in das Reichs-
isiu bcrnfcn, sagte ich mir, jetzt müsse Matthäi am letzten
'-Kml 2"- Norddeutschland findet sich offen-bar keiner für diesen
dj,,(Heiterkeit.) Anzuerkennen ist, datz Frhr. v. Stengel

1;^-0'inanzlage der Ocffentlichkcit klar gclegt hat. Äuf die Mi-
(»w^swfüge näher einge-hen, da in der Budget-

^-"Ofsion nähere Aufschlüsse gegeben werdeu -sollten. Die
!z^Nutzanleihe niüsse verschwinüen. Das Militärpensionsgesetz
^ vielleicht auf ein Jahr zurückgestellt wcrden. Zur Misse-
^^8 der Mnanzlage müssc cndlich ernste Arbeit gemacht wcr-

'Veüel (Soz.) Llagt über die prohibitive Zollpolitik
-Vereinigten Staaten. Wir müsscn uns ebcn durch dieselbcn
Är ^ schützen. Die Ottrois mützten, wie im Zolltarif ver-
-tzis 191g aufgehoben werden. Der Vocschlag, eine
^".stzierung der direkten Steuern behufs Reichsfinanzreform
sh-Mführen, kön-ne bei der Verfchicdeuheit ües direkten Steuer-
tn Deutschland nicht geb-illi-gt werdcn. Von den seit
Itzst , lür di-c dcutschc Flotte ausgegobenen anderthalb Milliarden
licu" .habe der dcutsche Süden nichts gehabt. Dic Bcdenkcn ge-
Ä>i progrcfsivc Reichseinkom'men- oder Bevmögenssteuer
auf dle Daner nicht aufrecht erhalten werdcn Auch
ich eine Vereinsstcuer und eine Um-satzstcuer für hje
I!,^^'N Geschäftc. Redner fovdert sodann gesetzliche Mahnah-
sttz! 8egen das Ucberhandnehmen der Syndikate und Kar-
und kammt sodann auf die Diätenfrage zu fprechen. Ver-
^ugsnmtzige Bedenken cntständen bci der Regierung nur,
c-s ihr passe. Die bayerischen Abgeordneten gehörten- mcist
-i^ Vsittelstande an, so dah es vielen materiell unmäglich sei,
>»<jr,8an-ze Dauer der Session hier zu verwcilen. Mit der Ge-
der Diäten dürfe aber keinesfalls eine Verschlechterung
tzeo/Eahlrechts verknüpft werden. Redncr polem-isiert sodann
si-Ajf die Ausführungcn Blumenthals übcr die Konzefsions-
si-m ' Bvil «inem Bunde z-wischen Sozialdeinokratie und Zen-
»,,f^ in Bayerir sei gar keine -Rede, es handle sich dort nur da-
ein> schlechtes Wahlgesetz durch ein gutes zu ersetzen.

Üsck Dr-. Paas che (natl.) 'be'dauert, datz vom Regierungs-
nrir auf die Reden der Sozialdemokratie geantwortet
ÄiDÄ trvtzdeni fie recht wenig Ncues brachten und keine po-
dkzN Borschläge, welche die Avbeit fördcrn konnten. Die Redc
,-ueichskanzlers verdiene nach Form und Jnbalt das Prä-
1s. Die Nationalliberalen werden nach reiflicher Prü-
die Fordcrungen für dic Landcsverteidigungen -bewilligen,
>rsist.u>e verbündetcn Regierungen hätten die Pflicht, zu sagen,
die zur Deckung nötigen Geldmittel hernehmen.

Die

Sozialdemokraten frcilich machen sichs bcquem, sic sagten, sie
wollten eine Reichseinkoinmensteuer, „fort mit Ä?n indirektcn
Steuern, Lie nur den armen Mann belafien". Aber mit einer
progressiven direkten Rcich-seinkommenfteuer kommc man nicht
zuni Ziel.

Aü-g. Bebel (Soz.) zieht heftig gegen. den Reichskanzler
uuü dcssen gcstrige Erklärungen zu Felde. Graf Bülow dürste
ins Blaue hinein behauptcn, cr sinde den Beifall des Hau-ses.
Es sei cine Verleumdung allcrfchlimmster Art, wenn behauptet
wcrdc, die Sozialdeniokratcn schränkten die Rcde- und Gedeinken-
freiheit ein. (Lachen rechts.) Nach weiterer Kritik der Aeuhe-
rungen des Reichskanzlers bemerkt Redner, wenn es wahr sei,
daß die bürzerlichen Parteien beim Reichskanzler so wenig
Antworten bekämcn, könne der Reichskanzler ja bei den Sozial-
demokraten cintreten, er müsse aber crst ein Examen ablegen.
Seine Partei habe ferner kein Jnteresse daran, Deutschlanü
in einen Kricg mit Rutzland zu stürzen, wcil sie ja bei einem
für Rutzland günstigen 'Krieg das mcifte vcrliere. Die von
den So-zialdemokraten gewünschte Volkswehr solle -ie Möglich-
kcit geben, dcn letzten Mann für Lie Freiheit des Vaterlandes
lieranguziehen. Auch er selbst würdc hicrfür noch einnial zur
Flinte greifen. Was den Wahlkompromitz in Bayern betreffe,
so bedauern beidc Parteien die Verhältnissc, die solchen Kuh-
handel nötig machken. Der bayerische Liberalismus haibe sich
durch seine Kopflosigkeit diesc Niederlage zuoezogen. Die So-
zialdemokratcn würden viel lieber mit ihm, als mit dem Zen-
trum gehcn. (Redner wird viclfach durch Zwischenrufe unter-
brochen. Tcr Präsident rügt dies, da es die Verhandlung ver-
länigere.) Er 'üekämpst schlietzlich die Vermehrung der Hecres-
stärke.

Präsident Graf Ball e st r e m ruft Bebel zur Ordnung,
wcil er dcn Abg. Lieberm-ann als Reichstagsklolvn bezeichnete.

Abg. Graf Rcventlow (Dsoz.) erklärt, was man von
dcn wirtfchaftlichcn Verhandlun-gen der Regierung höre oder
nicht höre, gebe Grund zu Mitztrauen.

Abg. Osel (Ztr.) vermißt eine Regierungserklärung üüer
das handelspolitischc Verhültnis Deutschlcmds zu den Ver-
einigten Stnaten und wendet sich dann gegen die zotigen Witz-
blätter, dic leider gcradc von den vcrmögenden Klassen gckauft
und untcrstützt würdcn. Wolle dcr Staat eine wirkliche Mittel-
standspolitik treiben, so müsse cr vor allem die Kartelle brechen.

A'bg. G r öbe.r (Ztr.) polemisiert gegen Bebcl. Er erörtert
jurrdische Fragcn und wendet sich dann gcgcn den Abg. Storz.

Der Etat und dic Militärvorlage werden hierauf der Bud-
getkommission ülx'rwicsen.

Moniag: Resolutionen zum Etat.

Berlin, 10. Dez. D-er S'eniorenkonve n t d«es
R eich> Ata g e s lcgde den A-rbeitsPlmi dei' nächisten
W-oche dahini fest, daß Montag unid Drenstag Etatspo'st-
tionen betreffeird das' Bergges-etz und die JnvMdenv-er-
sicherunig bemten wer'den sollcn'; sirr Mittwoch 'ist die erste
Lesung des Militärpensionsgiesetzes> vorgesehen. Nach Be-
endigung' 'der ersten Lesung wwd der Reichstag in die
Ferien ge'hen irnd seine Berhandlungen aui !0. Jannar
1906 wieder airfnesinien.

Deutfches Retch.

— Der „Vorwärts" regt an, dasz ni i tz h a n d e l t e
Soldaten auf S ch m e r z e n s g e l d klagen sollten,
wo-zu sie drei Jahre Zeit hätten-. Das Matt legt des
'weiteren dar, in ivelchen Bundesstiaaten solche Klagen nach
Lvge der Gesetzgebung nröglich find.

S ch wedt a. O., 10. Dez. Hente wurde hier das
10 j ä h r i g e Z u b i l ä u m de s Prin .z e n A Ibre ch t
als Ches ber S ch w edterDragone r begmrgeu. Um

... —»»»»»»—»-»»—»»W»

12 Uhr 25 Dciuuiten traf der Kaiser mit Gesdlge hier ein
nnd begäb sich zu Wagen nv-ch 'der Kaserne -des Regiments,
wo das Regiment zum Appell aufgeftellt war. Bei seüiöin
Erscheinen auf dem' Appellplatz b-egrüßte d-er Kaiser, der
dre Uniform des 1. Garde-Dra-gonerregimentA trng, den
Prinzen' Zllbrecht unid schritt s-oidann die Front alb. Prinz
Frisdrich Heinrich begrützte nun zuerst d-eu Kaiser und
schlvß s-ei-ne Unsp-ra-che mit ernemi dr-eifachen Hurrcch. Hier-
ans begrüßte er eb-enso >den Prinzen -Mbrecht. Die Mufik
intonierte di-e Nati-onaihhymne bezw-. den Siegesmarsch von
Prinz Albrecht. Prinz Albrecht dankte seinem So'hn dnrch
Handschlag u-nd Kuß. Nachidem der Kaiser sodan-n den
Paraideniarsch -der Truppen abgeiiommen hatte, begab er
sich zu Fuß-na-ch d-em Offizierskasino- des Regiinents nn-d
wn-rde auf d-eni Wege -Lbonsio wie Prinz Mbrecht voin
Publikiiin jub-elnd begrüßt. Am Eingange zum Kasino-
wurden dem Kaiser und dem Prinzen A'kbrecht Blumen-
sträuße überreicht. — Dyr Kaiser pahm nus der Harrd
des Verfassers, Geh. Hofkamm.errats- Wuchlisch, eine M-
handlimg- über das Fo-rtbestchen ideS Derfstt'Ngerschen Re-
giments in dem Schwedter Dragonerregimeni! ent-g-egen-.
Ter K aiser feierte bei der Tafel d-en P rinz e n
A l b r e ch t. Di-eser erwiderte mit einem Trinksprnch.
Die Mnsik spielte berde Male 'd-ie NationQlhymne. Uip
3 Uhr 45 Minuten reiste der Kaiser »nter dem FiOe!
des Pu-blikimis wieder äb.

Bade«.

— Die „Karlsrrcher Zeitung" schreibt: Der Zugang
zu den L ehre r b i l d u n g s -a n- st alte n isl im lan-
fenden Jahre etwas besser gewesen a>ls in den vorausge-
gangenen I'ahren. A'ls besonderS ersreiilich kann es be-
zeichuet werden, datz diesmal ziemlich- viele junge Lente
nach Absolvierung der Untersekunda ein-er Dcittelschule in
dic Seminare üsberg-elreten sind. Auch, die Unterklassen
der Vorseminare konnten, Taubechischofsheiln ailsgenom-
men, genü-gend besetzt werdcn. Jn einem Teile der Pvssse
ist bemäng-elt worden, daß 'bei ber Anfnahnie zu weitge-
-henü in Mu-sik g-epbüft worden sei. Es entsprichl dies
nicht -den Tatsachen. Beim Eintrüt in das eigMtliche
Smüu-ar muß sekbstverständlich nach d-em Violin- nnd Kla-
Pierspiel gefragt werd-en, tveil aus dieser Stufe nach dem
Lehrplan gewisse Voxkenntnisse vorausgesetzt werden. Man
hat ab-er in der Annahm-e, daß bei gntem Willen das ?kö-
tige nachgcholt werden könne, w-ie srüher iveitgchenüe
Nachsicht geübt und zmnal Abs-oltWnten der Mittelschulei!
auch wenu sie noch gar keine Musik getriebeu hatten, nicht
zurückgewiesen. Beim Eintritt in ein Vorsemiiiar vol-
lends wird in Mnsik über'haupt nicht g'cprüft. Allein,
eines ist nötig nnd wird wo-hl inmier nötig sein, nä-mlich
festziist-ellen, ob -etwa der Aspirant o-hne alle Empsindimg
sür Töne und deshaikb nicht in der Lage ist, im Singen
und Biolinspiel s-o weit zu kommen, daß er später a-l§
Leh-rer ein einfaches Schullied einüben kann. Diese völlige
Einpfiirdnngslosigteit für Töne kormnt glücklicherweise
nu-r sÄten bor. Bei den vielen, Aspiranten des lanfenden
Jahres wurde sie nnr in etwa-drei Fälleu festgestellt. Dieie
Prüflinge waren aber auch in anderen Gegenständen io

Stadttheater.

Hcidelberg, 12. Dez.

ie lustigen Weider von Windsor". Komisch-
l!,„-si5-astsichr. Opcr in 3 Ätten n-ach Shakespeare's gleichnamigem
Hsi'lblek, gedichtet von H. S. Mosenthal. Mnsik von
^ Nikolai.

ich A'rr Musikdirektor Radi-g spielt-e die Ouvertüre vollendet;
^tei^ ibnst sparsam- mit dieseni Ausdrnck. 'Es war alles an
Ti^ ^rnngen und Ucbergängen gcschmackvoll nberlegt un-d im
^rfreutcn nnid überraschten manchc Feinheitcn. Das
Ä-.'NRter musizierte auch mtt vollein Jntercsse und Gelin-gen,
die Bläser; nnr ganz vorübergehend trü-üten ein- paar
8>rdBetonungen und Bindungen in den Geigen die Glätte
(Am Schlusse konnte ich m-ir gut das Blech kon-
tzxNÄierend gcführt deuken.) Jn der Oper selbst gäbe es für das
schzDjür noch viele Schätze zu heben; sein Part ist ja uner-
ich reich, uud- insosern die Direcktion sehr schwer, svdatz

^uickit verstehe, warum man die Opcr häufi-g dem zweitcn
^stzllnieifter ü'berläht. Es handelt sich hauptsächlich um rhyth-
.Dwdifikationen, Zifelierung möchte ich sagen, und
'AckDsichälen der unzähligen Rankcn und Floskeln, datz man
ctzZ 1—8—z d<-s Basses niit Nachschlagcn den Reichtum

kij^pAegeii manchc saloppe Vcrdipartien erkennen und würdtgen
1, ikesonders schön, mit Sorgfalt behandelt, kam der
hap» lctzten- Mldes zu 'Klang. Bezüglich des Zusammen-
üem Gesang, auch in den Ensembles, war vo-m Diri-
bst<,nf«,<dig das Mögliche getan. Die Regie kann ich nicht
^fhst- ^'e Stellnngen waren überhaupt nicht 'stndiert, sondern
letzte Äuftreten des Chörs hilflvs. Jn der ganMN
teysll^'-ycrbe ivar keine Lusiig-keit, keiu Uebermut, kein Lustspiel-
unglaubliche Verschleppung vor der zweiten Ueber-
siych ^ tzehörit eben auch aufs Schuld-Konto der Regie. Man
-i, K?atz Ntkolai das Ärsemblefinale gefunden ha-be, wie er
ausge-brettete Gefchirr der Marktwciber hinein-

sprengte. Gestciu dachte man höchstens- an Katze und Tinten-
fa-tz. <Die assogiatibe Tisposition scheint künstlerisch bedingt zu
scin: unigekehrt hat Beardsley Chopins Ballade op. 47 mit
einem galoppierendcn Gaul und Rciterin interpretiert; das
Bild war im „Studio".) Die Solisten gaben Las Ansprcchcndste
im erstcn Aki, der freilich auch musikalisch der beste ist. Mit
der Musik flauten auch die Leistungen ab. Man weitz, datz Fal-
staist das Zentrum ist Herrn Lange wünschte ich, datz er
Herrn Häuhcr in München- in den Schauspiel-Fallstaffrollen
(besonders im Heinrich IV.) gcsehen hätte. Er würde sehen,
datz Shakespear« kcincn Zi'rkusnarren, sondern einc Weltsigur,
vor allem einen Menschen gcschaffcn hat. Doch ich Lin über-
zeugt, Herr Lange hat die Rolle znm erstcnmal gehabt. Das
-ging ja aus der mitlei'derwcckenden musikalischen Unsichcrheit
yervor. Die ganzc Des-dur-Stelle von „Jch hatte gefiern" bis
„Rudel Nachbarn" hattc keinen Ton unü hing in der Lust, im
lctzten Akt fehlte „Es regt sich was im Hain". Jm Licd kön-iite
-doch wenigstcns Ordnnng sein. Das h cis dis auf „Eins, zwei
un-d —" inutz gesungcn werden; sonst ärgert eme böse Zer-
rissenheit. Jch bin froh, keinen Klavierauszug zur Hand zu
baben, denn lcrder fändc ich noch mehr faux pas. Für die Rolle
der Frau Flut'h war zur Avshtlfe Frl. 'LillY Marlow vmn
Mannheimcr Hofthcater herübergekommen. Sie ist gesmiglich
ungemcin 'sympathisch, hat eine weiche und vorzüglich geschulte
-Stimme und hervorragende Kunst in dynantischer Ausnützung.
Noch nicht vollendet ist die Bildung der Kopfstimme und des
Legatos in höchsten Lagcn. Der äutzere Eindruck ist sehr günstig,
das Spicl war «ber nnr zuerst auf der Höhe. T>ann glaubte
man nicht niehr rccht, datz die Verschlagcuheit und der Uebermut
ihr wixklich Spaß machte. Nebrigens schien die Dame cinmal
durch cine äutzere 'Störuug beuuruhigt zu sein. Die Nachbarin
Frau Reich war Frl. Alse n. Der Gesang war gut studiert
und hattc gute Stellen, schade, datz die Tiefe versagte. Das
ebenfalls schr fchivieri-gc Spiel urutz noch etwas anderes werden.
Die Ehegatten gaben di« Herren Maurel und Becker.

Jener spielte sehr hübsch, aber seine 'stimme gibt für den Stil
dcr komischen Oper wenig ab. Herrn Weckrs Spiel war im
Schlutzakt ungenügend, gesanglich gab er viel Wärnie und schöne
cinheitliche Linien. Tas Liebespaar war schr erfreulich; Frl.
an der Mahr sang kräftig, sicher uud weich, im Duett
reizend. Die Arie des Schlusses -war gut gelernt, doch noch
nicht erschöpft. Auch das Spicl war diesmal rccht ungeKwungen;
viclleicht könnte sie, auch in der Maske, das Mädchenhastc besser
'betoneu. Herr Gottsried sang anmutig und lyrisch im
-besten Sin-n. Wegen einer Jndispositicm bliebcn wohl cin paar
hohe Töne aus, abcr Schmelz und Wärme hatte er in Fülle.
Ganz entsprcchend war auch 'Spicl und Erfcheinung. Herr
Hand (Cajus) und Herr stauffert (Spärlich! zelöten
eine wohltuende Festigkeit der Stimme und durchgehends stcher»
heit. Das Spiel dcs letzteren hatte verschicdene glückliche Ein-
fälle. Wcnn an den Rollen doch noch gcarbeitet würde! Wenn
allcs sich auf die Höhe dcs gestrigen ersten Aktes hebt, so wird
es eine gute Borstellung. Die wundervolle Oper, mit den»
„Zar", dem „Barbier von Bagdad" (übrigens auch etwas für
hier) und Lcn „Bieistcrsingern" an der Spitze öer dcutschen
mu'sikakischen Lustspiele, vcrRente das wahrlich. H. D.

Kleine Zeitung.

— Das Krnzifix von Santv Spirjto. Gech. Hofvch
Professor Dr. Henry Thode 'hat in dids'eni Scmmier be°
kmmtlich in einem' Aufsehen erxsg-enden Fenilleton d-er
„FrMtkfnrter Zeitung" dekannr gegeben, daß er ern v e r-
t-orenes Werk Michelangelos entdeckt
hade, das Ki-uzifix aus Holz, das er in früher FuMnid iür
den Prror Vvn -Santo Spirsto geschuitzt, ern von üen
Zertgen-osssn- hvchyeprwsenes Werk. Jrr dvm Krnzisir,
 
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