MitiuiH, 28. Leptember 1ZN.
Crstes Blatt.
.M 227,
Vrschetnt täglich, SonntagS auSgenommen. PreiS mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. in'S HauS gebracht, bei der Expedttion und den Zweigstationen abgeholt 40 Pfg. Durch die P»st
^ bezogen vierteljährlich 1,95 Mk. auSschließlich Zustellgebühr.
UnzeigenpreiS: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Fgr hiesige Geschäft». und Privatanzeigr« ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeige»
an bestimmten Tagen wird keine Verantwortlichkcit übernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Pla kattafeln der Heidelberger Zettung und den städtischen Anschlagstellen. Fernsprecher 8».
Zum jüngsten sozialdemokratischen Parteitag.
/X Die stattliche Schar behäbiger Bürger, die in
doriger Woche zum sozialdemokratischen Parteitag> in
Breinen versammelt war, hat sich wieder zerstreut. Der
Tag von Bremen ist vorüber und nur in der Presse träu-
lelt von dem Strorn der Reden, der dort geflossen ist, noch
einiges nach.
Die sozialdemokratischen Blätter sind sehr befriedigt,
doch nein, das ist nicht ganz das rechte Wort, die Presss
der Genossen fühlt si-ch erleichtert, wsil alles so glimpf-
lich. abgegangen ist und sie diestnal nicht nötig h-at, ein
böses Fiasko mit dem Aufwand aller ihrer Geifteskräfte
in einen Erfolg umzudeuten. Schlankweg. sagen es die
iozialdemokrat. Organe heraus: Das war diesmal kein
Dresden. Und sie geftehen damit endlich ein, was sie
bon dem vorjährigen Parteitag im innersten Kämmer-
iein i-hres Herzens gedacht, aber nicht geschrieben haben.
Jn der'Sorge, der Jilngbrunnen könnte wieder
blätschern, hatte man rechtzeiti-g V'orsichtsrnatzregeln ergrif-
ien. Eine Anzahl von Delegierten erhielt von ihrem
Wahftörper direkte Weisung, doch ja ein zwoites Dresden
derhindern Zu helfen und so ist d-enn in der Tat der Par-
teitag diesnial trockener verlaufen. Der Brunnen ivard
^um Bä-chlein, an dem nur ein wenm schmutzig-e Wäsche
Und -das mit einiger Borstcht gewasckMN wurde. Die Mühl-
hauser und die Bielefelder, der arm-e Genosse Fendrich,
dann Schippel und Mehring waven die hauPtsächlichsten
Dpfer des Reinigun-gsprozesses. Aber auch ihnen tat
wan dabei nicht wche; man- gtng> verhältnismätzig zart
uftt i'hnen um. Einige Spritzer sie'len auch auf die Pom-
wern, die zu naiv nach Gegenwartspolitik -gerusen ha-beu,
Und auf die Gewerkschaftler, welche die Maifeier th-eore-
^lsch süx schön, praktisch äb-er für undürchführbar erklär-
ten, ähnlrch wie der Genosse Schippel die Agrarzölle theo-
ketisch verurterlt, äber praktisch schr wohl ans den gegsbe-
Uen Vechältnissen begreift. Bom Fliegen derjenigen, die
uicht parieren, sprach man -gar nicht, oder doch nur mit
iehr weitgehenden Ka-utelen. Wenn eine Partei einm-al
Uach. 3 Millionen rechnet, dann ist es eben mit der stram-
sUen Einmüti-gkeit nichts mehr. Vie^ch Köpfe, viele Sin-ne,
w heißt es- auch da. Jeder Kopf i-st eine Welt für sich,
Und es lätzt sich einfach nicht macheN, datz man für alle nur
^ne Hutnummer verwendet.
Suchte man in Persönlicher Beziehung! nach dsm
ichönen Sprichwort zu handeln: Friede ernährt, so- scheint
Ul-an für die fa-chliche Arbeit das Motto gewä-HIt zu hab-en :
stur immer langsam voran! Der Partei des „Umsturzes"
Icheint es gar nicht mehr so sehr zu pressieren. Von den
ill Anträgen — so viel waren es ja wohl — ist der
b'eitaus größte Teil überhaäpt mcht zur Besprechung g-e-
lun-gt, und bei den -Sachen, die zur Beratung kanien,
iontete der Beschluß oft genug: Wird zum nächften Par-
ioitag zurückgeslellt. Dies- g-ilt von dem Organisations-
uutrag, der Alkoholfrage, ebenso- von der S-chulfrage, die
bnt einer nichtssa-genden Resolution vorläufig beifeite
boschoben- wurde, von den gemeindepolitischen Anträgen
u a. m. Es geht eben nicht, im Handumdrehen eine
neue Welt aufzüba-uen. Die naive Ansicht jenes Poli-
tikers, der die soziale Frage lösen wollte, und wenn er
die ganze Nacht -d-avüber aufsitzen müßte, mag früher in
manchem sozialdemokratischen Kopf mit Sympathie aus-
g-egriffen worden sein> hente a-ber sicht man d-och^ ein, datz
dazu eine unendliche Mühe und Arb-eit epforderlich ist und
demenisprechend auch> eine lange Zeit. Leicht flammt die
Begeisterung für e-in Jdeal auf, aber- wte unfrucht'bar
ble-ibt sie doch, wenn sich nicht zähe, gleichmäßige, nner-
müdliche nüchterne Arbeit dazu gesellt!
Waren die pofitiven Ergebnisse des Parteitages irn-
bedeutend, so möchten wir die negativen nicht g-ering an-
schlagen. Da ist die verständige Art, mit der man den
Antrag. auf Aufreizung! der Rekruteü dick durchge-
strich-en hat; da ist ferner die sachliche Ueberleguiig, mit
der die Gewerkschaften di-e Maifeiev als Ägitations-
mittbl abgelehnt hab-en-. Das sind ersreuliche Zeichen von
Besonnenheit. „Wir wollen allgemein zu Tarifverträgen
zwischen Arbeitgebern und Arbsitnähniern komnren, und
in diesen ist bis- jetzt sür eine Maifeier kein Platz", so
sagte einer der Wortfühver der Gewerkschaften. Ja, ein
solcher Satz läßt sich hören, in ihm steckt mehr wirk-
liche Znkunftsmüsik als in einem Dntzend heftiger Ankla-
gsgen gegen die heutige Gesellschaftsordnung.
Möglicherweise wird die pol-itische Sozialdemokratie,
um den matzvollen Klang von Vremen zu übertönen, jetzt
das schwere Geschütz des R-spnblikanismus und- des Jnter-
natsonalismus auffähren. Da und dort hat man schon
grollend-en Donner gehört. Sollte er sich verallgemei-
nern, so wird män wiss-en, was dies zn bedeuten hat.
Deutsches Reich»
— Beim Ableben des Gr-af-Regenten von Lippe wird
daran erinnert, daß zuerst Prinz Adolf von Schaunibur-g,
der S-chwa-ger des Kaisers, äuf Grun'd einer testamentari-
schen Bestimm-nng des- Füvsten Woldemar die Regentschaft
f.ührte. Er mußte äber nach dem Beschluß des Schieds-
-gerichtes dem Grafen- Ernst von LiP-Pe-Biesterfeld Platz
machen. Damals telegraphierte d-er Kaifer seinein Schwa-
ger, d-aß di-eser der denkbar beste- Regent sei, den die
Lchpe-Detmolds hatten 'häb-en können. LebhafteN Auf-
sehen erregten die Lipper Borgänge dann, als- im Herbst
1898 b-ekannt würd-e, datz der Verovdnung des Graf-
Regenten, daß seine -Söhne und Töchter von den Offi-
zieren der Garnifon zu grützen und mit dsin Titel „Er-
lau-cht" anzureden seien, keine Jolge gegeben -wurde nnd
aus ein Gesuch an- den Kaise r unter Berufung auf seine
Rechte, d-em Befehl des Regenten Achtung zu verschafsen,
solgende Antwort erteilt w-orden war: „Fhren Brief er-
h-alten. Anordnungen- konünandieren-den Generals gesche-
hen mit meinem Einverständnis nach vorheriger Anfra-ge.
DemRegenten, was demRegentenzu-
k o m m t, weiter nichts. Jm übrigen will ich mir
den Ton, in wel-chem Sie an ni-ich zu schreiben- für gut be-
funden haben, ein Dr all-emiäl verbeten h-aben. Wil-
hestn I. K." Jn den letzten Ja-Hren ist eine Besserung
Kleine Zeitung.
-— Breslau, 21. Sept. Schneefall im Rie-
^nge'birge. Jm Riesengebirge ift Schnee gesallen,
sich seit zwei Tagen bis in die süMchen Täler er-
Itreckt.
— Herbert Bismarcks Jngcndroman. Der Tod des
'Airsten Herbert Bisürarck weckt die Erinnerung an ein
.^wantisches, zugleich einer gewissen Tragik nicht ent-
^h-rendes Kapitel aus seinen srühen Mannesjahren. Ende
siebzrger Jahre ge'hörte zu den tonangebenden und
3'Äeiertsten Frauen des an weibli-chen Schönheiten so
^ichen Hofes Wilhelms I. die Fürstin Elisäb-eth zu Caro-
^th-Berithen, eine Schwester der Fürstin Hatzfeldt. Dvs
^vlais ihres Gatten an der Ecke der Alsen- und Bis-
">arckstratze bildete eines der gesuchtesten Zentren der vor-
^chnien- Berlin-er Geselligkeit. Aber -hinter d-ieser glän-
^uden Antzenseite barg sich viel Ungemach: die Ehe
fiirstlichen Ehegatten war keine glückliche. Da lernte
ü an der Schwelle der Vierziger siehende Fürsnn den uni
? Iahre jüngeren Grafen Herbert Bismarck, den äl°
^en Sohn des damals allmächtigen Kanzlers kennen.
^nnen und lieben. Sie beschloß, die Scheidung von
üem Gatten dnrchzufü'hren — Scheidungen sind im
^se Hatzfeldt von jeher nichts Seltenes gewesen —,
sn 'dsm Grafen Herbert die Hand sürs Leben reichen zn
?Nften. Und- um die Welt vor das kait aeeompU
^eseH Enksch-Iusfes zu stellen, wählten die Liebenden das -
üenkiindigste Mittel: sie entslohen gemeinsam aus Ber- j
lin, Die Aufregung über diesen- kühnen Schritt war in
allen Gesellsch>aftskreisen der Reichshauptstadt, eine ganz
ungeheure — iü die Bis'marckfche Familie schlng es mit
der Gewalt einer Bombe ein. Der Zorn des Kanzlers
soll, w-ie Zeuge jener Tage vevsichern, ein un-beschreiblicher
gelvesen sein. Und als sein Sohn i-hm nun von Jtälien
aus das Geschehens s-o-zusrgen a-uch offiziell meldete ünd
ihm seinen Willen erklärte, die entführte Jürstüi zu che-
lichen, verweigerte er hierzu nicht nur seine Einwilligung,
sondern setzte alles in Bewegung, um ihn zum Aufgeben
seines Vorhab-ens zu bewegen. Lan-ge widerstand Graf
Herbert, aber endltch gab- er dem energischen Drängen
des Vaters' nnd den flehentlichen- Bitten der Mutter nach.
Er trennte sich von der Fürstin. Mese hat viÄe Jähve
nnter! dem Zusammenb-rnch ihres ertränmiten Glückes
schwer gelitten, bis sie die innere Ruhe wiedererlangte.
Daß fie denr eisernen Kanzler, dem, Zerstörer dieses GIü-
ckeis, nicht 'gerade freundliche Gsfühle entgegenbrachte
und hiervon, wenn sich die Gelegenheit bot, auch kein> Hehl
ma-chte, kann weiter nicht verwunderlich erscheinen. Sie
lebt jetzt, tsilweise gelähmt, in Venedig, trotz ihrer 65
Jahre noch ein-e an-mutvolle Erscheinung. Wie sie be-
w-ahrte Graf Herbert Bismarck lange Zeit ihrem kurzen
Lisbesraufche ein trenes Gedenken, bis der Lauf der Zeit
es wohl anslöschte. Als er . dann, viele Jähre später,
die jugendschöne Gräfin Märgarete Hoyos als Frau
heimgefiihrt 'hatte, entdeckte diese, so erzählt man, einst
in irgend einer Rumpelkammer ein Bild der unglück-
lichen Fürstin Elisabeth. Sie nahm es ünd> ließ es in
in d'en Beziehungen zwischen Verlin nnd Li-PPe mehrfach
hervorgetreten.
Badeu.
Karlsruh e, 27. Sept. Ter Präsrdent des Staats-
minlsteriüms, Staatsminister Dr. Brauer, ist heute
von seinem Kuraufenthalte in Ba-d Wildnngen hiether
zurückgekehrt und hat die Dienstg-eschäfte wieder überr-
nommen. Gestern stattete der Staatsminister in Hom-
burg dem Grafen Bülow einen längeren Besuch ab.
Abends folgte der Niin-ister einer Einladüng des Reichs-
kanzlers zn Tisch.
Aus der Karlsruher Zeitmrg.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben den
Notar Karl Miltner in Walldürn in den Amtsgerichtsbe-
zirk Wertheim und den Notar Erich Jakob in Krautheim in
den Amtsgerichtsbezirk Walldürn versetzt.
— Dem Notar Wassermann wurde das Notariat
Wertheim I und dem Notar Miltner das Notariat Wert-
heim II zugewiesen.
Karlsr u h e, 27. Sept. Die -G-roßherzogin reiste
gestern Mittag von Schlotz Mainau nach Jestetten. Die-
selbe b-estchtigte zunächst Äie Handarbeitsansstellung der
Jndustrieschulen und nahm hierbei za-HIreiche Vorstellun-
gen entgegen. Soda-nn besuchte Jhre- Königliche Hoh-est
die katholisch-e Pfarrkir-che und die Heil- und Pflegeanstalt
des Kreises. Nach Annähme einer Erfrischung seitens der
Städtgemeinde trat dieselibe um 7 Uhr die Rückreise nach
Schlotz Mainau an, wosel-bst die Ankunft nach 9 Uhr
abends erfolgte.
AusLand»
Jtalien.
Rom, 27. Sept. „Qsservator-e Romano" veröf-
sentlicht, wis schon kürz erwähnt, ein Schrerben des
Papstes an den Kardinal Respid-i. Jn- d-sin Sckfteiben
führt der Papst a-us, er hab>e mit un-endlichem Kummer
vernommen, daß angebliche Freide n k e r in Ronr eins
Versamüilung abhrelten. Der Widerhall ihrer Reden
bestätige ihre verdächtigen Absichten-, d-ie bereits in der
An-kündi'guNg des Ko'Ngresses der Konferenz zu T-age ge-
treten- sei. Die Jntelligenzen, die sich anmaßen, sich der
Ub'hängigkeit von Gost zrr entziähen, begehen eine Gottes-
lästerung. Die in der Freidenker-Verfammlring liegenden
Lästerungen w-erden noch unendlich grötzer dadrirch, daß
sie in Ro-m begangen wobden sind. Wenn auch die
Mächte der Hölle ni-chts gegen die Kirche vermöchten, so
tra-gen doch die Verein-igung dieser dNächte in dissen
internationalen Kongreß den Ehv-rakter einer Beschimpf-
nn-g und Herausforderung und nchme Rom den Nänren
des ruhi-gen Sitzes des Statth-alters Christi. Wir b-e-
trachten, sagt der Päpst we-ster, die Beleidigung
gegen Gott als eine Beleidignng gegen
n n s nnd> sind darüber tief bekünmrert. Jn dem Briefe
wird dann anf die von den Kat'holiiken ans- ganz Jtali-en
für den in diesem Aügenblick so- unglücklichen Papst ver-
anstalteten imp-osanten Kundgebuirgen hingeiviesen- und
an den Kardinal d-ie Aufforde-rung gerichtet, in allen
ihrem eigenen Zimmer aufhängen, wo> es' jeder Bssucher
sestdenr schen- komste. Ein schöner Zug weiblrcher Güte
und Hochherzigkeit.
— Zwciundzwanzig Kinder verunglückt. Auf granen-
hafte Weise kam eine Anzahl Kinder in einer Schule in
einem Vororte von Cincinnati nms Leben. Der Fluv
eines zu der -Schüle gchöri-gen Hanses, über den die
Kinder -hinwegstiegen, bmch drirch, so datz 22 Kinder in
eineir Keller hinabftüzteir, worin s-chmntziges Mzugs-
wasser aus den Kanalrsationsleitmigen -vier Füß hoch
stand. 10 Kinder känien bei dem Sturz nnrs Leben, 9
von den Umgekommenen ertranken talsächlich in der
Jauche. Die Aerzte befürchten, datz 6 der geretteten
Ki-nder an Blutvergistungen sterben werden, die sie sich
in der schmutzigen Flüssigkeit zugezo-gen- haben.
-— Bcrlin, 27. Sept. Jn dem S t r a fv e r f ah r er<
-gegen die chemali-ge Gesellschlaiflerin der verstorbeneü
Prinzessin Amalie von Schleswig-Holsteln, Anna Mi-
lenski, kam es herste wieder zu einer Derhandlung. Die
Angeklagte war >mehrere Jahrs 'hindnrch erst Ka-mmer-
jungfer, dann Gesellschafterin der Prinzessin und wurde
dann auf Demnlassung des Herzo g s- Ern st G ü n-
t h e r gewaltsam von dieser getrennt. Jir ihren Koffern
fand man eine Reihe von Schmricksachen, die sie nach der
Behau'psting der Anklage der Prin-zessin gestphlen hat. Jn
der heustgen Verhandlung sagten die Schwester rrnd der
Schwager der Angeklagten günstig für diese aus. Andere
ZÄigen belasteten sie und beriefen- sich dabet auf Erklärun-
gen, die von der Prinzessin sMst abgegeben worderr sind.
Crstes Blatt.
.M 227,
Vrschetnt täglich, SonntagS auSgenommen. PreiS mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. in'S HauS gebracht, bei der Expedttion und den Zweigstationen abgeholt 40 Pfg. Durch die P»st
^ bezogen vierteljährlich 1,95 Mk. auSschließlich Zustellgebühr.
UnzeigenpreiS: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Fgr hiesige Geschäft». und Privatanzeigr« ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeige»
an bestimmten Tagen wird keine Verantwortlichkcit übernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Pla kattafeln der Heidelberger Zettung und den städtischen Anschlagstellen. Fernsprecher 8».
Zum jüngsten sozialdemokratischen Parteitag.
/X Die stattliche Schar behäbiger Bürger, die in
doriger Woche zum sozialdemokratischen Parteitag> in
Breinen versammelt war, hat sich wieder zerstreut. Der
Tag von Bremen ist vorüber und nur in der Presse träu-
lelt von dem Strorn der Reden, der dort geflossen ist, noch
einiges nach.
Die sozialdemokratischen Blätter sind sehr befriedigt,
doch nein, das ist nicht ganz das rechte Wort, die Presss
der Genossen fühlt si-ch erleichtert, wsil alles so glimpf-
lich. abgegangen ist und sie diestnal nicht nötig h-at, ein
böses Fiasko mit dem Aufwand aller ihrer Geifteskräfte
in einen Erfolg umzudeuten. Schlankweg. sagen es die
iozialdemokrat. Organe heraus: Das war diesmal kein
Dresden. Und sie geftehen damit endlich ein, was sie
bon dem vorjährigen Parteitag im innersten Kämmer-
iein i-hres Herzens gedacht, aber nicht geschrieben haben.
Jn der'Sorge, der Jilngbrunnen könnte wieder
blätschern, hatte man rechtzeiti-g V'orsichtsrnatzregeln ergrif-
ien. Eine Anzahl von Delegierten erhielt von ihrem
Wahftörper direkte Weisung, doch ja ein zwoites Dresden
derhindern Zu helfen und so ist d-enn in der Tat der Par-
teitag diesnial trockener verlaufen. Der Brunnen ivard
^um Bä-chlein, an dem nur ein wenm schmutzig-e Wäsche
Und -das mit einiger Borstcht gewasckMN wurde. Die Mühl-
hauser und die Bielefelder, der arm-e Genosse Fendrich,
dann Schippel und Mehring waven die hauPtsächlichsten
Dpfer des Reinigun-gsprozesses. Aber auch ihnen tat
wan dabei nicht wche; man- gtng> verhältnismätzig zart
uftt i'hnen um. Einige Spritzer sie'len auch auf die Pom-
wern, die zu naiv nach Gegenwartspolitik -gerusen ha-beu,
Und auf die Gewerkschaftler, welche die Maifeier th-eore-
^lsch süx schön, praktisch äb-er für undürchführbar erklär-
ten, ähnlrch wie der Genosse Schippel die Agrarzölle theo-
ketisch verurterlt, äber praktisch schr wohl ans den gegsbe-
Uen Vechältnissen begreift. Bom Fliegen derjenigen, die
uicht parieren, sprach man -gar nicht, oder doch nur mit
iehr weitgehenden Ka-utelen. Wenn eine Partei einm-al
Uach. 3 Millionen rechnet, dann ist es eben mit der stram-
sUen Einmüti-gkeit nichts mehr. Vie^ch Köpfe, viele Sin-ne,
w heißt es- auch da. Jeder Kopf i-st eine Welt für sich,
Und es lätzt sich einfach nicht macheN, datz man für alle nur
^ne Hutnummer verwendet.
Suchte man in Persönlicher Beziehung! nach dsm
ichönen Sprichwort zu handeln: Friede ernährt, so- scheint
Ul-an für die fa-chliche Arbeit das Motto gewä-HIt zu hab-en :
stur immer langsam voran! Der Partei des „Umsturzes"
Icheint es gar nicht mehr so sehr zu pressieren. Von den
ill Anträgen — so viel waren es ja wohl — ist der
b'eitaus größte Teil überhaäpt mcht zur Besprechung g-e-
lun-gt, und bei den -Sachen, die zur Beratung kanien,
iontete der Beschluß oft genug: Wird zum nächften Par-
ioitag zurückgeslellt. Dies- g-ilt von dem Organisations-
uutrag, der Alkoholfrage, ebenso- von der S-chulfrage, die
bnt einer nichtssa-genden Resolution vorläufig beifeite
boschoben- wurde, von den gemeindepolitischen Anträgen
u a. m. Es geht eben nicht, im Handumdrehen eine
neue Welt aufzüba-uen. Die naive Ansicht jenes Poli-
tikers, der die soziale Frage lösen wollte, und wenn er
die ganze Nacht -d-avüber aufsitzen müßte, mag früher in
manchem sozialdemokratischen Kopf mit Sympathie aus-
g-egriffen worden sein> hente a-ber sicht man d-och^ ein, datz
dazu eine unendliche Mühe und Arb-eit epforderlich ist und
demenisprechend auch> eine lange Zeit. Leicht flammt die
Begeisterung für e-in Jdeal auf, aber- wte unfrucht'bar
ble-ibt sie doch, wenn sich nicht zähe, gleichmäßige, nner-
müdliche nüchterne Arbeit dazu gesellt!
Waren die pofitiven Ergebnisse des Parteitages irn-
bedeutend, so möchten wir die negativen nicht g-ering an-
schlagen. Da ist die verständige Art, mit der man den
Antrag. auf Aufreizung! der Rekruteü dick durchge-
strich-en hat; da ist ferner die sachliche Ueberleguiig, mit
der die Gewerkschaften di-e Maifeiev als Ägitations-
mittbl abgelehnt hab-en-. Das sind ersreuliche Zeichen von
Besonnenheit. „Wir wollen allgemein zu Tarifverträgen
zwischen Arbeitgebern und Arbsitnähniern komnren, und
in diesen ist bis- jetzt sür eine Maifeier kein Platz", so
sagte einer der Wortfühver der Gewerkschaften. Ja, ein
solcher Satz läßt sich hören, in ihm steckt mehr wirk-
liche Znkunftsmüsik als in einem Dntzend heftiger Ankla-
gsgen gegen die heutige Gesellschaftsordnung.
Möglicherweise wird die pol-itische Sozialdemokratie,
um den matzvollen Klang von Vremen zu übertönen, jetzt
das schwere Geschütz des R-spnblikanismus und- des Jnter-
natsonalismus auffähren. Da und dort hat man schon
grollend-en Donner gehört. Sollte er sich verallgemei-
nern, so wird män wiss-en, was dies zn bedeuten hat.
Deutsches Reich»
— Beim Ableben des Gr-af-Regenten von Lippe wird
daran erinnert, daß zuerst Prinz Adolf von Schaunibur-g,
der S-chwa-ger des Kaisers, äuf Grun'd einer testamentari-
schen Bestimm-nng des- Füvsten Woldemar die Regentschaft
f.ührte. Er mußte äber nach dem Beschluß des Schieds-
-gerichtes dem Grafen- Ernst von LiP-Pe-Biesterfeld Platz
machen. Damals telegraphierte d-er Kaifer seinein Schwa-
ger, d-aß di-eser der denkbar beste- Regent sei, den die
Lchpe-Detmolds hatten 'häb-en können. LebhafteN Auf-
sehen erregten die Lipper Borgänge dann, als- im Herbst
1898 b-ekannt würd-e, datz der Verovdnung des Graf-
Regenten, daß seine -Söhne und Töchter von den Offi-
zieren der Garnifon zu grützen und mit dsin Titel „Er-
lau-cht" anzureden seien, keine Jolge gegeben -wurde nnd
aus ein Gesuch an- den Kaise r unter Berufung auf seine
Rechte, d-em Befehl des Regenten Achtung zu verschafsen,
solgende Antwort erteilt w-orden war: „Fhren Brief er-
h-alten. Anordnungen- konünandieren-den Generals gesche-
hen mit meinem Einverständnis nach vorheriger Anfra-ge.
DemRegenten, was demRegentenzu-
k o m m t, weiter nichts. Jm übrigen will ich mir
den Ton, in wel-chem Sie an ni-ich zu schreiben- für gut be-
funden haben, ein Dr all-emiäl verbeten h-aben. Wil-
hestn I. K." Jn den letzten Ja-Hren ist eine Besserung
Kleine Zeitung.
-— Breslau, 21. Sept. Schneefall im Rie-
^nge'birge. Jm Riesengebirge ift Schnee gesallen,
sich seit zwei Tagen bis in die süMchen Täler er-
Itreckt.
— Herbert Bismarcks Jngcndroman. Der Tod des
'Airsten Herbert Bisürarck weckt die Erinnerung an ein
.^wantisches, zugleich einer gewissen Tragik nicht ent-
^h-rendes Kapitel aus seinen srühen Mannesjahren. Ende
siebzrger Jahre ge'hörte zu den tonangebenden und
3'Äeiertsten Frauen des an weibli-chen Schönheiten so
^ichen Hofes Wilhelms I. die Fürstin Elisäb-eth zu Caro-
^th-Berithen, eine Schwester der Fürstin Hatzfeldt. Dvs
^vlais ihres Gatten an der Ecke der Alsen- und Bis-
">arckstratze bildete eines der gesuchtesten Zentren der vor-
^chnien- Berlin-er Geselligkeit. Aber -hinter d-ieser glän-
^uden Antzenseite barg sich viel Ungemach: die Ehe
fiirstlichen Ehegatten war keine glückliche. Da lernte
ü an der Schwelle der Vierziger siehende Fürsnn den uni
? Iahre jüngeren Grafen Herbert Bismarck, den äl°
^en Sohn des damals allmächtigen Kanzlers kennen.
^nnen und lieben. Sie beschloß, die Scheidung von
üem Gatten dnrchzufü'hren — Scheidungen sind im
^se Hatzfeldt von jeher nichts Seltenes gewesen —,
sn 'dsm Grafen Herbert die Hand sürs Leben reichen zn
?Nften. Und- um die Welt vor das kait aeeompU
^eseH Enksch-Iusfes zu stellen, wählten die Liebenden das -
üenkiindigste Mittel: sie entslohen gemeinsam aus Ber- j
lin, Die Aufregung über diesen- kühnen Schritt war in
allen Gesellsch>aftskreisen der Reichshauptstadt, eine ganz
ungeheure — iü die Bis'marckfche Familie schlng es mit
der Gewalt einer Bombe ein. Der Zorn des Kanzlers
soll, w-ie Zeuge jener Tage vevsichern, ein un-beschreiblicher
gelvesen sein. Und als sein Sohn i-hm nun von Jtälien
aus das Geschehens s-o-zusrgen a-uch offiziell meldete ünd
ihm seinen Willen erklärte, die entführte Jürstüi zu che-
lichen, verweigerte er hierzu nicht nur seine Einwilligung,
sondern setzte alles in Bewegung, um ihn zum Aufgeben
seines Vorhab-ens zu bewegen. Lan-ge widerstand Graf
Herbert, aber endltch gab- er dem energischen Drängen
des Vaters' nnd den flehentlichen- Bitten der Mutter nach.
Er trennte sich von der Fürstin. Mese hat viÄe Jähve
nnter! dem Zusammenb-rnch ihres ertränmiten Glückes
schwer gelitten, bis sie die innere Ruhe wiedererlangte.
Daß fie denr eisernen Kanzler, dem, Zerstörer dieses GIü-
ckeis, nicht 'gerade freundliche Gsfühle entgegenbrachte
und hiervon, wenn sich die Gelegenheit bot, auch kein> Hehl
ma-chte, kann weiter nicht verwunderlich erscheinen. Sie
lebt jetzt, tsilweise gelähmt, in Venedig, trotz ihrer 65
Jahre noch ein-e an-mutvolle Erscheinung. Wie sie be-
w-ahrte Graf Herbert Bismarck lange Zeit ihrem kurzen
Lisbesraufche ein trenes Gedenken, bis der Lauf der Zeit
es wohl anslöschte. Als er . dann, viele Jähre später,
die jugendschöne Gräfin Märgarete Hoyos als Frau
heimgefiihrt 'hatte, entdeckte diese, so erzählt man, einst
in irgend einer Rumpelkammer ein Bild der unglück-
lichen Fürstin Elisabeth. Sie nahm es ünd> ließ es in
in d'en Beziehungen zwischen Verlin nnd Li-PPe mehrfach
hervorgetreten.
Badeu.
Karlsruh e, 27. Sept. Ter Präsrdent des Staats-
minlsteriüms, Staatsminister Dr. Brauer, ist heute
von seinem Kuraufenthalte in Ba-d Wildnngen hiether
zurückgekehrt und hat die Dienstg-eschäfte wieder überr-
nommen. Gestern stattete der Staatsminister in Hom-
burg dem Grafen Bülow einen längeren Besuch ab.
Abends folgte der Niin-ister einer Einladüng des Reichs-
kanzlers zn Tisch.
Aus der Karlsruher Zeitmrg.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben den
Notar Karl Miltner in Walldürn in den Amtsgerichtsbe-
zirk Wertheim und den Notar Erich Jakob in Krautheim in
den Amtsgerichtsbezirk Walldürn versetzt.
— Dem Notar Wassermann wurde das Notariat
Wertheim I und dem Notar Miltner das Notariat Wert-
heim II zugewiesen.
Karlsr u h e, 27. Sept. Die -G-roßherzogin reiste
gestern Mittag von Schlotz Mainau nach Jestetten. Die-
selbe b-estchtigte zunächst Äie Handarbeitsansstellung der
Jndustrieschulen und nahm hierbei za-HIreiche Vorstellun-
gen entgegen. Soda-nn besuchte Jhre- Königliche Hoh-est
die katholisch-e Pfarrkir-che und die Heil- und Pflegeanstalt
des Kreises. Nach Annähme einer Erfrischung seitens der
Städtgemeinde trat dieselibe um 7 Uhr die Rückreise nach
Schlotz Mainau an, wosel-bst die Ankunft nach 9 Uhr
abends erfolgte.
AusLand»
Jtalien.
Rom, 27. Sept. „Qsservator-e Romano" veröf-
sentlicht, wis schon kürz erwähnt, ein Schrerben des
Papstes an den Kardinal Respid-i. Jn- d-sin Sckfteiben
führt der Papst a-us, er hab>e mit un-endlichem Kummer
vernommen, daß angebliche Freide n k e r in Ronr eins
Versamüilung abhrelten. Der Widerhall ihrer Reden
bestätige ihre verdächtigen Absichten-, d-ie bereits in der
An-kündi'guNg des Ko'Ngresses der Konferenz zu T-age ge-
treten- sei. Die Jntelligenzen, die sich anmaßen, sich der
Ub'hängigkeit von Gost zrr entziähen, begehen eine Gottes-
lästerung. Die in der Freidenker-Verfammlring liegenden
Lästerungen w-erden noch unendlich grötzer dadrirch, daß
sie in Ro-m begangen wobden sind. Wenn auch die
Mächte der Hölle ni-chts gegen die Kirche vermöchten, so
tra-gen doch die Verein-igung dieser dNächte in dissen
internationalen Kongreß den Ehv-rakter einer Beschimpf-
nn-g und Herausforderung und nchme Rom den Nänren
des ruhi-gen Sitzes des Statth-alters Christi. Wir b-e-
trachten, sagt der Päpst we-ster, die Beleidigung
gegen Gott als eine Beleidignng gegen
n n s nnd> sind darüber tief bekünmrert. Jn dem Briefe
wird dann anf die von den Kat'holiiken ans- ganz Jtali-en
für den in diesem Aügenblick so- unglücklichen Papst ver-
anstalteten imp-osanten Kundgebuirgen hingeiviesen- und
an den Kardinal d-ie Aufforde-rung gerichtet, in allen
ihrem eigenen Zimmer aufhängen, wo> es' jeder Bssucher
sestdenr schen- komste. Ein schöner Zug weiblrcher Güte
und Hochherzigkeit.
— Zwciundzwanzig Kinder verunglückt. Auf granen-
hafte Weise kam eine Anzahl Kinder in einer Schule in
einem Vororte von Cincinnati nms Leben. Der Fluv
eines zu der -Schüle gchöri-gen Hanses, über den die
Kinder -hinwegstiegen, bmch drirch, so datz 22 Kinder in
eineir Keller hinabftüzteir, worin s-chmntziges Mzugs-
wasser aus den Kanalrsationsleitmigen -vier Füß hoch
stand. 10 Kinder känien bei dem Sturz nnrs Leben, 9
von den Umgekommenen ertranken talsächlich in der
Jauche. Die Aerzte befürchten, datz 6 der geretteten
Ki-nder an Blutvergistungen sterben werden, die sie sich
in der schmutzigen Flüssigkeit zugezo-gen- haben.
-— Bcrlin, 27. Sept. Jn dem S t r a fv e r f ah r er<
-gegen die chemali-ge Gesellschlaiflerin der verstorbeneü
Prinzessin Amalie von Schleswig-Holsteln, Anna Mi-
lenski, kam es herste wieder zu einer Derhandlung. Die
Angeklagte war >mehrere Jahrs 'hindnrch erst Ka-mmer-
jungfer, dann Gesellschafterin der Prinzessin und wurde
dann auf Demnlassung des Herzo g s- Ern st G ü n-
t h e r gewaltsam von dieser getrennt. Jir ihren Koffern
fand man eine Reihe von Schmricksachen, die sie nach der
Behau'psting der Anklage der Prin-zessin gestphlen hat. Jn
der heustgen Verhandlung sagten die Schwester rrnd der
Schwager der Angeklagten günstig für diese aus. Andere
ZÄigen belasteten sie und beriefen- sich dabet auf Erklärun-
gen, die von der Prinzessin sMst abgegeben worderr sind.