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Heidelberger Zeitung (46) — 1904 (Juli bis Dezember)

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Nr. 177 - 203 (1. August 1904 - 31. August 1904)
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https://doi.org/10.11588/diglit.14241#0339

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Erstes Blatt.

M«ch, 1?. «Wß M4.

Erscheint täglich, Sonntags auSgenommen. Preis mit Famtlienblättern monatlich 5V Pfg. in's HauS gebracht, bei der Expedition und den Zweigstationen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post

bezogen vierteljährlich 1,35 Mk. ansschließlich Zustellgebühr.

Anzeigenpreis: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für dte Aufnahme von Anzeigen
an bestimmten Tagen wtrd keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Pla kattafeln der Heidelberger Zeitung und den städtischm Anschlagstellen. Fernsprecher 82.

Der Sieg über die Hereros am Waterberg.

Die ausführliche Meldung des Generals v. Trotha
r>us Hamakari vom 12. August lautet: Der Angriff
wurde am 11. August früh mit vollem Erfolge begonnen.
Masor Mühlenfels, welcher für den mit seinem
Pferde gestürzten Oberstleutnant Müller dessen Abteilung
übernommen hatte, warf nach sehr heftigem Kampfe den
Feinü 'bis Hamakari zurück und nahn: den Ort. Die
Abteilung v. d. Heyde verblieb, mit starken feindlichen
Kräften sich gegenüber, während der Nacht zum 12. August
15 Kilometer novdöstlich von Hamakari. Die Abteilung
v. Estorff warf den bei Otjosongombe befindlichen
Feind in westlicher Richtung zurück. Die Abteilung
DeimIings vertrieb morgens die Hereros unter Mi-
chael aus Omuweroume, erzwang sich, durch Omuweroume
vordringend, den Paß und abends die verschanzte Station
Waterberg. Diese wird zu einer starken Militär-
station für Etappenzwecke eingerichtet. Alle Abteilungen
verblieben dem wiederholt noch bei Dunkelheit angreifen-
den Feind gegenüber in vollster Gefechtsbereitschaft.
Deimling setzte am frühen Morgen des 12. August
den Marsch auf Hamakari fort und traf soeben rrm 9 Uhr
vormittags ein. Der Feind, der mi t a u ß e r o r d e n t-
licher Zähigkeit kämpfte, erlitt trotz sehr gewandter
Aufftellung im dichtesten Dornbusch schwere Verluste. Tau-
sende von Vieh wurden erbeutet. Zersprengt und im
Rückmarsch nach allen Seiten begriffen, bewegt sich die
Hauptmasse des Fsindes nach O st e n, wohin ich
ihm den Abzug mit den vereinigten Abteilungen Deim-
ling, Dkühlenfels und v. d. Heyde verlegen werde, wobei
Estorff von Norden her mitwirkt. Die Äbteilungen
IriedIer und VoIkman n, welche an dem gestrigeir
Kampf teilnahmen, verhinderten das. Ausweichen des
Feindes in nördlicher und nordwestlicher Richtung. Die
Trrrppen kämpften mit höchster Bravour. Die
diesseitigen Verluste sind: Von der Abteilung Müller
Harlptmann Ganßer, Leutnant Graf Arnim und
Leutnant Levlow, sowie 10 Mann tot, schwer verwun-
det Oberleutnant Streccius (Schust in die Schulter),
Leutnant Freiherr von Watter (Schuß in die linke Schul-
ter), und 12 Männ, leichtverwundet Major Mühlenfels
(Streifschuß am Halse), der aber bei der Truppe bleiLt,
nnd 18 Mann. Von der Abteilung v. d. Heyde Oberleut-
nant Lekow und 7 Mann tot, Major Osterhaus und 12
Mann verwunbet; 2 Mann werden vermißt. Von der
Abteilung v. Estorff Leutnant Seebock tot, Leutnant
Runkel und 10 Mann verwundet. Von der Äbteilung
Deimling 2 Mann tot und mehrere verwundet. Däs
Hauptguartier war Lei der Abteilung Mühlenfels und
^gleitet dieses zunächst auch weiter.

Nach einer im „Militärwochenblatt" gegebenen Ueber-
sicht waren am Waterberg über 30 000 Hereros mit
50 000 Stück Großvieh und 120 000 Stück Kleinvieh
auf einer Weidefläche von 100 000 .Hektar zusammenge-
drängt. Unter gewähnlichen Weideverhältnissen hätten
ste nicht länger als bis zur ersten Hälfte des Juli gute

Weide finden können. Die guten Weideverhältnisse dieses
Jahres werden Vielleicht bisl Ende August ausreichende
Weide bieten. General von Trotha war also berechffgt,
das Vorgehen zu entscheidenden Kämpfen zu verzögern
und,das Eintreffen der Juliverstärkungen abzuwarten. Ob
er nun aus freien Stücken zum entscheidenden Kämpf
vorging, oder weil sonst ein Abrücken der Hereros und
damit ihr Entkommen nach Norden oder Osten zu befürch-
ten stand, das ist aus den bisher vorliegenden Meldungen
nicht zu erfehen.

Die auf deutscher Seite versammelte Truppenmacht
umfaßt die ganzen Feldtruppen mit Ausnahme einer
Kompanie, nach -em „Militärwochenblatt" 4000 berit-
tene Mannschaften mit etwa 30 Geschützen und mehreren
Maschinengewehren.

Nach diesem Siege der deutschen Truppen, der leider
mit schweren Opfern erkauft wevden mußte, ist zu hoffen,
daß nun der Widerstand der A u f st ä n d i s ch e n
gebrochen ist. Jetzt werden an die Beweglichkeit
unserer Truppen hohe Anforderungen gestellt, um dem
Feind den Rückzug nach Nordosten zu verlegen, damit das
Land nicht durch umhsrschweifende Banden unsicher ge-
iriacht wird. Ob diese Banden sich nun nach dem briff-
schen Gebiet wenden oder im eigenen Lande Verstecke auf-
suchen, die Gefahr einer Beängsffgung der Ansiedler
durch besttzlose Räüber ist vorhanden. Es muß ihr nach
der Verfolgung des fliehenden Feindes auch dadurch begeg-
net werden, daß die Orte Waterberg, Otjenga, Outjo,
Otavi, Naidaus, Grootfontein usw. stark besetzt bleiben,
und zwar mit berittenen, beweglichen Truppen und die
übrigen Farmen und Wasserstellen wenigstens eine kleine
Besatzung erhalten.

Deuisches Reich.

W i I h e l m s h a v e n, 10. Aügust. Der Dampfer
„S chIeswi g" ist heute Nacht mit dem AbIösung s-
transport aus S ü d w e st - A f r i k a, bestehend aus
6 Offizieren und 146 Mann, auf der hiesigen Reede ein-
getroffen. Die Zurückgekehrten, die heute Movgen durch
einen Werftdampfer an Land gebracht wurden, wurde an
der Kammerschleuse von dem Vertreter des Stationschefs
Kapitän z. S. Kind begrüßt. Sie marschierten zum See-
mannshause, wo sie durch die Damen des „Roten Kreuzes"
gespeist wurden. Die Kieler Mannschaften des Expedi-
tionskorps fahren heute Nachmittag nach Kiel, die Ange-
hörigen der Schutztruppe heute Mittag nach Berlin.

— Nach dem s o z i a I d e m o k r a t i s ch e n Par-
teibericht haben die Parteieinnähmen im Berichts-
jahre 648 886 Mark betragen. Davon wurden 362 179
Mark ausgegeben — für allgemeine Agitationon 78 115,
für Wahlagitationen 54 718 Mark — 262 648 Mark
für Kapitalanlage verwandt, und 23 508 Mark blistben
Kassenbestand. Unter den Einnahmen siguriert der
„Vorwärts" mit einem Ueberschuß von 90 496 Mark.
Die Gesamtauflage der poliffschen Bläffer der Sozialde-
mokratie wird auf 599 880 Exemplare angegeben. Als
neues Parteiamt ist die Stelle eines Parteisekretärs ge-

schaffen worden, welches dem Abg. Grunwald übertragen
worden ist. . L MpÄ

Bade«.

— Prinz Max von Baden ist mit Gefolge in
S t. Moritz eingetroffen und im Kurhaus abgesffegen.

— Aus der Sommerfrische des Großherzogs -
paares aus S t. Moritz wivd der „Frankfurtep
Zeitung" berichtet: Die Saison ist hier aus ihrem Höhe-
punkt. Alle Hotels sind überfüllt und es ist nur schwer
Unterkunft zu finden. Von allen Seiten sffömen die
Gäste herbei und jeder ist entzückt, der furchtbaren Hitze
entronnen zu sein und hier 1800 Meter über dem Meeres-
spiegel sich der angenehmsten Temperatnr zu erfreuen.
Wie seit mehreren Jahren, so weilten auch diesmal der
Grotzherzog und die Großherzogin von Baden in der zum
'Kurhaus gehörigen „Billa Jun". Jn St. Moritzdorf
wohnt die Gräfin Stefanie von Lonyay nebst Gemahl.
Auch Frau Niemann-Seebach und Agnes Sorma sind
anwesend. Der Frankfurter Oberbürgermeister Dr.
Adickes weilt in Pontresina. Am Samstag fand im
Hotel „Engadiner Kulm" das diesjährige Engadiner
Blumenfest unter dem Patronat der Grotz-
herzogin statt. Die Ausstellung war auch zum Tei!
von Frankfurter Kurgästen beschickt. Ein englischer Kür-
gast hielt in englischer Sprache die Begrüßungsrede. Die
Großherzogin selbst teilte üie Preise aus und versäumte
nicht, jedem einzelnen der glücklichen Gewinner zu gratu-
lieren. Auch der Großherzog wohnte mit sichtlichem Jn-
teresse der Preisverteilung bei. Jn der Ausstellung war
besonders bemerkenswert eine im Auftrag des großherzog-
lichen Paares hergestellte an einem Tage, den 25. Julff
gepflückte Sammlung srischör Alpenblumen. Jn humori-
stischer Weise wurden auch „les trois mousquetaires'ß
drei Piccolos des Hotels Kulm mit einem Preise ausge-
zeichnet.

Leimen, 16. August. Nach der neuen Wahlkreis-
einteilung irmfaßt dev 66. Bezirk die Orte: Dossenheim
(mit Schwabenheim), Eppelheim, Gaiberg, Gauangelloch,
Kirchheim, Leimen, Nußloch, Ochsenbach (mit Lingental),
Rohrbach, St. Jlgen, Sandhausen (nfft Bruchhausen),
Wieblingen, die sämtlich zum Amtsbezirk Heidelberg ge-
hören und dann vom Amtsbezirk Wiesloch noch Baierthal
und Schatthausen. Die Gesamtzähl der abgegebenen Sffm-
men in allen diesen Orten öeffug bei der letzten Reichs-
tagswahl 4871; dävon entfielen auf die Nationalliberalen
1707, Sozialdemokraten 1470, Zentrum 1246 und schließ-
lich auf die Konservativen bezw. den Bund der Landwirte
466 Stimmen. Eine heute hier im „Rößle" abgehaltene
Landtagswahlkonferenz der Sozialdemokraten
öeschloß für diesen Bezirk, dem Heidelberger Agitations-
Komitee die Leitung zu überlassen und zu seiner Unter-
stützung ein siebengliedriges Unter-Komitee zu wählen, das
von den Genossen aus den verschiedensten Orten gebildet
wird. Weiter wird beschlossen, das vom Landesvorstand
herausgegebene Flugblatt einer gründlichen Verbreitung
zu unterziöhen und dämit gleichzeitig eine Agitation zur
Aufnähme in den badischen Staatsverband zu verbinden.
Jm Spätjahr, nach der Ernte, sollen in allen Orten, wo

Kleine Zeitung.

— Offenbach, 16. Aug. Jn der Nähe der Gasfabrik
bwrüe heute Vormittag ein etwa 26—30 Jcrhre altes
Müdchen ermordet aufgefundem Es hatte einen
Sffch im Rücken und einen im Hals, der die Schlagader
durchschnitten hatte. Die Ermordete ist die 24 Jahre alte
alte Fabrikarbeiterin iHenvieüe Katharina Reitz aus
^lnhausen, die in der Glockenstraße in Offenbach wohnte.
Der Tod wurde durch eineir Stich in den Hals herbeige-
iührt. Ten Bemühungen der Polizei ist es bereits gelun-
8en, den Täter zu verhaften. Es ist ein Mord aus Eifer-
iucht. Tie Reiß hatte eiü Liebesverhältnis mit dem
18jährigen Karl Lutz aus Offenbach, der in Bürgel in
Arbeit steht. Lutz soll gestern Abend in die Wohnung
feiner Braut gekommen sein und dort ^— das Mädchen
b>ar nicht zu Hause — Briefe und Postkarten, die „Hans"
Unterzeichnet waren, aufgefunden haben. Das soll ihn
in Wut versetzt haben. Am Boden lag ein weißes' Ta-
fchentuch in einer großen Blutlache und ein Haarkamm.
Die Gestochene hat sich weitergeschleppt, denn blutige
Dtellen am Fußböden waren noch auf eine Strecke von
150 Metern sichtbar, Lutz wurde heute Nachmittag kurz

5 Uhr in Offenbach verhaftet.

— Bonn, 16. Augrfft. Eine bestialische Tat
'verübte laut „Franks. Ztg." heute Nachmittag der seit
... Dogen in einer Molkerei bei Beuel beschäftigte 20-
ickhrige Schweizer Max Scholz aus Gera. Er lockte
swei Kinder aus der Nachbarschaft, den 4jährigen

Sohn der Witwe Schwindt und die bei dieser zum Besuche
weilende 6jährige Auguste Koepfen aus Jnzig aus sein
Zimmer. Als nach einigen Minuten später die Witwe
nach den Kindern suchte, war es bereits zu spät. Der
Unhold hatte ihnen mit einer Futterhacke den Schädel ge-
spalten. Bei dem Bkädchen lag das Hirn bloß. Die
Schädeldecke des Kuäben hatte 10 Hackwunüen. Außerdem
war ihm die rechte Hand, womit er sich offenbar hatte
schützen wollen, zerhackt. Der Mordgeselle wurde sofort
dingfest gemacht. Die Kinder werden wohl kaum mit dent
Leben davonkommen. Das Mädchen sollte heute nach
Jnzig zurückkchren. Die Mutter des Kindes hatte aöer
doch im letzten Augenblick noch einen Tag fur den Besuch
angesetzt.

— Bonn, 16. Aug. Die beiden von dem Schweizer
Scholz bei Vilich tötlich verletzten Kinder sind gestern
Abend in der Klinik gesto r b e n.

— Roßdorf bei Meiningen, 16. Aug. Gestern Mend
sind hier 12 Wohnhäuser, darunter das Pfarrhaus, mit
Stallungen und vielen Nebengebäuden niederge-
brannt.

— Primkcnau, 16. Aug. Der bereits gemeldete
Waldbraird wütete gestern Vormittag 9s^ Uhr bis
Mitternacht. Der größte Teil der abgebrannten Wald-
fläche,. etwa 20 000 Morgen, gehört dem Herzog Ernst
Günther von Schleswig-Holstein. Der 'Schäden wird
auf 2 MilIionen Mark geschätzt.

Paris, 16. Aug. Seit zwei Tagen brennt der
Wald von Fo n t a i e b l e a u. Sechs Quadrat-

kilometer sind bereits abgebrannt. Zwei Regimenter Sol-
daten wurden hinbeordert, um das Feuer zu löschen.

— Tarnopol, 16. Aug. Berlin: Aus Tarnopol
wird telegraphiert: Ein russischer Kapitän und
25 russische Soldaten überschritten die österreichi-
s ch e Grenze und kamen nach Taruopol, wo der Kapitän
jedem Maun zwei Rubel znm Ankauf von Zivilkleidung
gab und die russische Uniform bei den Behörden hinter-
legte. Der Kapitän und die Soldaten reisten nach Lem--
berg weiter.

Sornmermittag.

Nnn ist es still um Hof unt> Scheuer,

Und in ber Mühle ruht der Stein;

Der Biruenbaumi rnit blaukeü Blattern
Steht reigungslos inr Sonnenfchein.

Die Bienen summen so verschlafen;

Un'd in der offnen Bodenluk',

Benebelt von dem Dust des Heues,

Jm grauen Rocklein nickt der Puk.

Der Muller schnarcht und das Gesinde,

Und nur die Tochter wacht im Haus;

Die lächet still und zieht fich 'heimlich>

Fürsichffg die Pantoffeln aus.

Sie geht und weckt den MüllerDurschen,

Der kaum den schweren Augen trmrt:

„Nun küsse mich, verliebter Junge;

Doch sauber, saulber! Nicht zu laut."

Th. Storm.

Die heutige Nummer umsaßt drei Blätter, zusammeu 12 Seiten.
 
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