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Heidelberger Zeitung (46) — 1904 (Juli bis Dezember)

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Nr. 177 - 203 (1. August 1904 - 31. August 1904)
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https://doi.org/10.11588/diglit.14241#0355

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Freltag, 18. AWst 1884.

Erstes Blatt.

Deutfches Reich.

— Die Aeußerungen Bebels in der Taktik-
kommission des Amsterdamer Kongres-
ses werden auch vom „Vorwärts" wiedergegeben, wenn
auch „unter allem Vorbehalt". Daß Bebel auf seine
alten Tage zu der klugen Crkenntnis gekommen sein
sollte, daß der König den Klasseu gegenüber unpar°
teiischer sein kann als der Präsident einer Re-
Publik, ist ebenso wunderbar, wie wenn Bebel zugibt, daß
in der Monarchie die Ausstände minder grausam
unterdrückt werden als in der Republik. Wenn Bebel
sich in solcher Weise geäußert haben sollte, so würde diese
Anerkennung der Monarchie gar nicht im Widerspruch
stehen zu der vom Amsterdamer Kongreß gefaßten Re°
solution, welche obligatorische Dersicherungsge-
setze gegen Krankheit, llnfälle und Jnüalidität verlangt.
Auch darin liegt eine Anerkennung fllr die Monarchie,
denn auch in dieser Beziehung ist sie, u. zwar in Deutsch-
land, den Forderungen des Amsterdamer Kongresses
uicht nur entgegengekommLN, sondern vorausgegan-
g e n. Wir sind gewohnt, daß die Whrer der deutschen
Sozialdemokratie inDeutschland von der zugunsten
der Arbeiter göschaffenen Versicherungsgesetzgebung
Ziemlich wegwerfend sprechen und ihren hohen Wert nicht
lecht anerkennen wollen. Jn A m sterdam haben sie
biel mehr Verständnis für die soziale Bedeutung der deut-
schen Gesetzgebung, und der deutsche Reichstagsabgeard-
nete Molkenbuhr ist von der Kommission zur Verteidi-
gung der Leitsätze ihrer Resolution gewählt worden und
wird sie dort mit demselben Eifer verteidigen, wie er und
seine Genossen hier die deutsche Gesetzgebung in ihrer
Bedeutung Herabzusetzen suchen. Es ist das nicht der
erste Widerspruch, auf den man unsere Sozialdemo-
kraten festnageln kann.

— Daß der Krieg gegen die Hereros mit dem
deutschen Siege bei Waterberg nicht zu Ende ist, wird
ollgemein eingesehen. So schreibt die „Köln. Ztg.":
Der Feind hat sich gegen Erwarten von Hamökari und
88aterberg nach Süden gewandt, und zwar zunächst
vach Omutjajewa am Omurvmba Omatako, bis wohin
er verfolgt werden konnte. Die Kriegsleitung
hattp angenommen, daß der geschlagene Feind sich nach
Rorden wenden würde. Jndes konnte Major v. Estorff
die Flüchtlinge, die durch den Talweg des Omurambas
vach Nordosten zogen, noch umfassen und ihnen einige
Verluste beibringen. Sie hatten, wie sich aus der Ver-
lustliste ergibt, noch Munition. Wir müssen uns noch
einige Tage gedulden, bis Nachrichten über die Zahl der
toten, gefangenen und entkommenen Herero ausgegeben
tverden, wobei es allerdings bei Schätzungen verbleiben
Wuß. Die Flüchtlinge werden auf rhrem jetzigen Zuge
viel Durst und Hunger auszustehen haben, zumal nach-
dem sie die Wasserstellen am Qmuramba verlassen haben,
Nnd ihre Zahl wird sich dadurch weiter vermindern. Aber
uuch eine kleine Schar schlecht bewasfneter Räuber wird
imstande sein, durch Einfälle in die bewohnten Stätten
diel Schaden anzurichten, und deshalb muß zum mindesten

Das religiöse Leben Heidelbergs von den
ersten Nachrichten bis znr Gegenwart.

Von Stadtoikar I-le. R. WieIandt.

2. Luther in Heidelberg. Das Berhalten des Kurfürstvn
Ludwig gcgenüber dcr Rcforrnation.

Es war ein bedeutungsvoller Tag in Heidelbergs
^eschichte, als der größte Träger der neuen Gedanken, der
^ugustinennönch Dr. Martin Luther, in seine Mauern
^inzog u. eine neue Theologie u. Religiosität verkündigte:
Änr 26. April 1518 hat Luther im Kapitelsaal des Augu-
itinerklosters, das einst neben dem heutigen Universitäts-
Äebäude auf deni Ludwigsplatze stand, im Kreise der Augu-
siiner disputiert. Es war nach dem Änschlag der Thesen
Zu Wittenberg, nicht lange vor der Verantwortnng vor
^ajetan in Augsburg, für Luther selbst der Durchbruch
^igener neuer Erkenntnisse, wo sie die 96 Thesen noch nicht
^uthalten hatten.

Die Veraulassung zu Luthers Reise nach -süddeutsch-
ihnd war die Fvühjahrsversammlung der Klofter- und
FistiMZEm-swher des Augustinerordens gewesen. 3 Jahre
tvar Luther zn Wittenberg .Distriktsvikar. Jetzt
Uatw er von seiner Tätigkeit Rechenschast abzulegen und
i^iu Umt einem Nachsolger zu übergeben. Kauni freilich
^ur der Weg für Luthers Reise no-ch sicher. Die Augusti-
^r in Wittenberg rieten ihm von der Reise ab, da sie
^Teiidwelche meuchlerischen Anschläge nicht für ausge-

die Omurambalinie von unsern Truppen so stark besetzt
gehalten werden, wie es die Wasserverhältnisse gestatten.
Es wird notwendig sein, in dieser Gegend sofort den Bau
eiuiger Stauwerke in Angriff zu nehmen. Auch in Wa-
terberg, das Etappenplatz bleibt, empfiehlt sich eine Re-
gulierung der Wasserläufe.

— Jn einem Teile der Presse ist sehr lebhaft Be-
schwerde darüber erhobeu worden, daß -ie preußische Re-
gierung den früheren Redakteur der Posener „Praca"
Dr. v. Rakowski nach Verbüßung einer Gefänguis-
strafe auf russisches Gebiet abgeschoben habe, ob-
wohl dieses Verfahren im Widerspruch gestanden hätte
mit deu Erklärungen, die Gmf Bülow im Reichstag ab-
gegeben hat. Jetzt stellt sich nach Nachrichten aus Posen
heraus, daß Dr. v. Rakowski nicht nach Rußland abge-
schoben worden ist, sondern noch im Gefängnis -in
Wronke sitzt, und zwar bis zum Dezember dieses
Jahres.

— Wie die „Nationalzeitung" erfährt, hat der
österreichische Thronfolger seine Teilnahme
an der Kaiserparade in Altona absagen lassen.
Mit Rücksicht hierauf wird die Jacht „Kaiseradler", an
derm Bord der Thronfolger Wohnung nehmen sollte,
nicht in dm Altonaer Hafen kommen. An ihrer Stelle
wird nebm der Kaiserjacht „Hohenzollern" der kleine
Kreuzer „Hamburg" während der Kaisertage bei Altona
ankem.

— Der „Dailh Telegraph" meldet aus Tsingtau
vom 16. ds.: Die KruppschenPanzerplatten
habm sich ausgezeichnet bewährt. Selbst die
30-Zentimeter-Granateu der Japaner pralltm von ihnen
ab.

W i lh e Ims h ö h e, 18. August. Bei der heutigen
Frühstückstafel trank der Kaiser auf das Wohl seines
treuen Freundes und Bundesgmossen, des Katsers von
Oesterreich und Königs von llngarn.

Badcv, ^ !

K o n st a n z, 18. August. Der Großherzog und
die Großherzogin von Badm sind heute zu länge-
rem Aufmthalt auf der Jnsel Mainau eingeiroffen.

— Der Großherzog hat den bekanntm Gewerbeinspek-
tor Dr. Fuchs, der durch seine Biographie über dm
vor Jahresfrist verstorbenen Vorstand der badischen
Fabrikinspektion Geheimrat Wörishofser, durch seine
Rundsrage über die soziale Lage 'der Pforzheimer Edel-
metallarbeiter sowie durch seine Mitarbeit an dm Vev-
öffentlichungen der interuationalen Vereinigung sür ge-
setzlichm Arbeiterschutz auch wissmschaftlich hervorgetre-
ten ist, unter Verleihuug des Titels Baurat ins Kolle-
gium der O b e r d i r e k t i o n des Wasser- und
Straßeubaues bemfm.. Fuchs scheidet damit
aus seiuer sozialpolitischen Tätigkeit aüs.

— Zur kürzlich ersolgten Besetzung der nmen Krei s-
s ch u I r a t s ste I l e n schreibt man der „Allg. Ztg." aus
Karsruhe: Einen weiterm Schritt und ein höchst aner°
kennenswertes Entgegenkommen gegenüber den Wünschm
des badischen Volksschullehrerstandes hat die badische Re»
gierung bei der kürzlich ersolgten Besetzung der neuen

schlossen hielten. Auch der Kurfürst von Sachsen war be-
sorgt. Er schrieb für Luther daun wenigstens einen war-
men Geleitsbrief. Ueber Halle, Weißenfels, durch Mei-
niugm, nach Koburg, wohin 'Friedrich ihn seinem Ver-
walter anbefohlen hatte, giug die Wanderung Luthers
unö seiner wenigm Genossen. Aber die Fußreise durch den
Thüringer Wald stimmte Luther sehr fröhlich. Am
17. April war man in Würz'burg. Am 21. April, gerade
in den Tagen der Baumblüte, die das Tal verklärte, kam
Luther nach der Wageufahrt durch den Odenwald an der
Seite seines treuen Erfurter Freundes Lang in Heidelberg
an. Da er manchen gutm Ordmsfreund antraf, so hatte
er uun aber doch von Anfang an eiu Gefühl der Ruhe uud
der Heiterkeit.

Auch die Pfälzer selbst empfingen ihn frmndlich.
Ejne fürstliche Person bewirtete ihn. Es war der Bru-
der Kurfürst Ludwigs V., Pfalzgraf Wolfgang. Der
24jährige juuge Herr hatte einst, im Sommer 1516,
selbst in Wittenberg studiert, da ev zum getstlichm Stand
bestimmt gewesen war. Freundlich nahm er das Emp-
fehlungsschreibm Friedrichs ües Weisen, das Lucher ihm
übergab, mtgegm und orduete den Psarrer Jakob Sim-
ler vou Durlach, seinen ehemaligm Erztcher, ihm bei.
Er zog Luther zu seiner Tafel und ließ ihm die Schätze
der Schloßkapelle sowie die anderen Sehenswürdigkeiten
des Schlosses zeigen: Für Luther Tafle voll Sounen-
schein und fröhlicher Unterhaltung.

Am 26. April (1518) nach der Dienstübergabe er-
griff Lucher im Kapitelsaal des Augustinerklosters, das,

Bezirke dadurch betätigt, daß sie auf die füuf Postm nicht
mehr Geistliche, wie das in früherm Jahren wiederholt
geschehen war, sondern aus dem Volksschullehrerstand
hervorgegangme Professoren bemfen hat. Es dürste wohl
einzig dastehm in der Geschichte der badischm Unterrichts-
verwaltung, daß sämtliche füns Kreisschulräte frühec
Volksschulkandidaten waren, die sich uachträglich noch der
Maturitätsprüfung uud nach vorschriftsmäßig zurück-
gelegtem Universitätsstudium der Reallehrer- bezw. nm-
philologischm Staatsprüfung unterzogeu haben; — sicher-
lich die schönste Anerkennung seitens der obersten Behörde
für den nicht unbedeutendm Aufwand an Zeit und son-
stigm Opfern der früheren Volksschullehrer! Daß das
ueuerliche Vorgehm der Regierung, zur Aufsicht über das
Volksschulweseu vorwiegend oder ausschließlich Fachlmte^
die mit -dm Bedürfnissen und Anschauungeu des Lehrer-
staudes aufs engste vertraut, heranzuziehen, nicht allein
bei dm Volksschullehrern, sonderu in allen politischen
Kreisen außerhalb Les Zmtrums frmdige Zustimmuns
finden wird, stcht mit Bestimmcheit zu erwartm.

Aus der KarLsruher Zeitung.

— Scine Königliche Hoheit der Grohherzog haberv
dcm Königlich Baherischen Kommcrzienrat Hcinrich Stürtz
in Würzburg das Ritterkreuz 2. Klasse dcs Ordens vom Zäh--
ringer Löwen verliehen.

Ausland.

Frankreich.

Paris, 18. August. Aus der großm süölich vou
Oran gelegmen algerischen Garnisonstadt Sidi-
BeI - Abbes wird gemeldet: An der srauzösisch-marok»
kauischeu Grenze bei Bevguen ist eine französische
Kolonne, die aus einer Kompagnie berittener Spahis-
und brei Zügen Jufanterie bestand und von dem Major
Henry kommandiert wurde, von dem Chef der marok-
kanischm Bua-Siris, der über 200 Reiter und 300
Mann Fußvolk versügte, angegriffeu worden. Der
Verlust der marokkanffchen Abteilung wird auf 46 Mann
an Toten uüd Vevwuudetm angegeben, der der franzö-
sischm Kolonne auf zwei Btann an Toten. Auf die
Nachricht von diesem Ueberfall hin ist, um dw Hmrysche
Kolonne zu verstärken, der französffche Major Deaumelle
uach Ouessaide am Ufer des Bueza abmarschiert.

Aus Stadt und Lcrnd.

Heidelberg, 19. August.'t

tz Feuerbcstattung. Jm hiesigcn Krcmatorium fand gcstcrn
die Einäscherunz der Leiche des Frciherrn Edmund von
Gienanth statt, der am 16. August auf seincm Herrensitz
Trippstadt bei Kaiserslautern im Alter von 53 Jahren
verstorbcn war. Mit Freiherrn Edm. von Gicnanth, dem Be-
sitzer des Eiscnwerkcs Trippstadt, starb ciner der vier Brüder
v. Gienanth, welche in der pfälzischen Grohindustric, namcnt-
lich in der Eisen- und Stahlindustrie, grohc Erfolge erzielten.

X Ein tätlicher Angriff, der im Munde der Leute schon zn
einem Mordversuch aufgebauscht wordcn ist, faüd gestern
Abend in der Ziegelgasse zwischen einem Landwirt und scinem
Knechte statt. Der Knecht, welcher am Morgen stark getrunken.
hatte und sich in der Trunkenheit seinem Arbeitgebcr gegcn-

wie bemerkt, neben der heutigm Uuiversität stand, in dev
schon erwähnten Ordeüs'disputation das Wort.

Psalzgraf Wolfgang hat nachnwls dem Kurfürsterr
von Sachseu gemeldet, daß Luther sich dabei „also ge-
schickt gehaltm, daß er uit eyn kleyn Lob Euer Liebden
Universität gemacht hat. Es wurde ihm auch großer Preyß
von vill gelertten Leutm nachgesagt." Die gelehrten
Heidelberger Dheologen selbst freilich fühltm sich von
den kü'hnell Sätzen Luthers befremdet. Doch machten
sie ihm keine Schwierigkeiten und kleidetm thren Wider-
spruch in eine höfliche Form. Auf die Jüngerm dagsgm,
die zugegm waren, machte Luther den tiefften Eiudruck.
Da war Martin Butzer, der für Straßburg, Hessm, ja-
ganz Süddeutschlaud und dm Protestantismus über-
haupt später große Bedeutung erlangt hat. Noch war er
damals ein armer Domimkanermönch, aber voller Sehn-
sucht nach Lebeir und Freiheit. Wie eine Fanfare wirk-
tm Luthers Worte auf ihn. Noch früher als Luther
legte er nachmals die Mönchskutte ab. Da waren Brmz
uüd Billicanus, die späteren Reformatorm von Würt-
temberg und von Nördlingm. Schon in dm nächsten
Jahren traten sie sür Lucher eiu und achteteu keine Ver-
folgungeir. Und außer ihum viele Andere. Nach been-
digtem Kapitel reiste Luther wieder ab. Mit dm Nüm-
Lergern fuhr er in fröhlichem Wagmzug bis gegett Würz-
Lurg, dann bogen sie nach Süden ab, er mit dm Ersur-
tern nach Nordm. —

Es hat lange gedauert, bis sich die ganze Pfalz und
damit auch Herdelberg, offm der Reformation erschlossen
 
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