Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 40.1929

DOI Artikel:
Rading, Adolf: Ein Landhaus in Breslau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.10701#0089

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
XL. JAHRGANG

DARMSTADT

FEBRUAR 1929

EIN LANDHAUS IN BRESLAU

VON ARCHITEKT PROF. ADOLF RADING—BRESLAU

Der Bau eines Landhauses ist vielleicht die
reizendste und natürlichste Aufgabe, die dem
Architekten zu stellen ist. . Getrost wörtlich auf-
zufassen. . Ein Landhaus soll nicht sein Architek-
tur-Stück und auch nicht baukonstruktives In-
genieur-Stück, sondern — weil bescheidener—:
nichts weiter als »Fortsetzung der Natur«. . Wie
man selbst als Mensch Teil der Natur — keines-
wegs Herrscher —, so ist auch das Haus Teil dieses
großen Organismus; sich einordnend und fügend,
notwendige Ergänzung seiner Umgebung. . Der
Mensch von heute als Teil der Natur kennt ihre
großen inneren Zusammenhänge. Erkenntnis, Er-
lebnis, Gestaltung; die großen Drei-Zusammen-
gehörigen. Die Natur ist ihm nicht Feind, wie sie
es früher war, als er sie noch nicht kannte. Sicher-
heit gab damals das Dunkel der »Höhle«, Schoß
der Erde, Abgewandheit vom Licht. . Höhle, wie
sie in ihrer Wandlung nun heißen mag: griechisches,
römisches, chinesisches Haus, niedersächsisches,
fränkisches Haus und gotisches Haus unserer
Städte, — Höhle ist Grundform geblieben bis in
die heutige Zeit. Erst das Barock leiser Versuch
der Auseinandersetzung mit der Umwelt. Das
19. Jahrhundert dann, Zeitalter naturwissenschaft-

licher Erkenntnis, das 20. Jahrhundert, Zeitalter
der Erforschung und Beherrschung der Luft und
aller großen, bewegenden Kräfte bringt beglücken-
des Erlebnis der natürlichen Zusammenhänge und
Bereicherung des Persönlichen durch überpersön-
liche Bindung. Signum dieses neuen Lebens ist
»Hingabe«, Entäußerung des Persönlichen im alten
Sinne, nicht Abschließen, sondern »Erschließen«.
So entsteht ein seltsamer Kreislauf: Zusammen-
hänge werden deutlich zwischen Dingen, die im
alten Sinne zusammenhanglos waren. Forscher-Ar-
beit gestaltet durch die Auswirkung der gewonne-
nen ErkenntnisdaspersönlicheLeben desMenschen
völlig neu. Alte Gesetze brechen zusammen, Neu-
ordnung der Familie wird ebenso selbstverständ-
lich wie die Neuorientierung der Baukunst.
Leben ist primär. . Bauen ist sekundär. .
Bauen ist nicht mehr als: dem Leben geordnete
Bahn schaffen und es dadurch zu voller Ent-
faltung bringen. »Bauten« sind nicht mehr als: Ge-
häuse für dieses unaufhörlich flutende Leben. Bau-
ten müssen sich diesem Leben erschließen, sonst
sind sie wertlos. Bauten sind nicht Selbstzweck. .
Ein Landhaus, das nicht dem Garten, der
Luft, der Sonne sich erschließt, ist absurd. Die

1929. II. 1.
 
Annotationen